Prozesstag 98: Das sagt die Staatsanwältin zur seltsamen Rolle von Paul-Ludwig U. bei den Ermittlungen

Am 10. November 2022, dem 98. Prozesstag gegen die „Gruppe S“ in Stuttgart-Stammheim, wurde Cornelia Zacharias, Staatsanwältin der Generalbundesanwaltschaft (GBA) befragt, die in der Abteilung Terrorismus tätig ist. Sie genehmigte und überwachte das Verfahren gegen die „Gruppe S“. Der Dauerhinweisgeber und Angeklagte Paul-Ludwig U. hatte während der Ermittlungen häufig Zacharias‘ Namen erwähnt und behauptet, sie habe ihm Versprechungen für seine Aussagen gemacht, u.a. im Verfahren gegen die „Gruppe S“ als Quelle statt als Beschuldigter geführt zu werden. Daher hatte die Verteidigung der anderen Angeklagten schon lange gefordert, Zacharias als Zeugin zu laden. Als sie an diesem Prozesstag aussagte, erzählte sie, was im Prozess bereits Thema war: Dass U.s Aussagen erst zu Ermittlungen gegen eine Gruppe um Jonny L. aus Gießen und Wolfgang J. aus Aschaffenburg geführt hätten, die aber eingestellt worden seien. Als Paul-Ludwig U. später auch über eine Gruppierung rund um Marion G. aussagte, ermittelte man auch gegen sie, doch die Behörden konzentrierten sich schnell auf die „Gruppe S“. Zacharias berichtete, man habe sich am 25. November 2019 entschieden, gegen diese Gruppe ein eigenes Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Hausdurchsuchungen am 14. Februar 2020 gegen die damaligen Beschuldigten und heutigen Angeklagten wurden von der Zeugin geleitet. Die Razzia sei ergebnisoffen gewesen, man habe nach Beweismitteln gesucht. Über Paul-Ludwig U. erzählte die Zeugin, sie habe ihn nie persönlich getroffen. Er sei immer als Beschuldigter geführt worden. Er habe sie zwar per E-Mail gebeten, als Quelle geführt zu werden, was laut Zeugin aber abgelehnt wurde: „Es ist immer wieder kommuniziert worden: Es gibt nichts.“

Die Rechtswanwält*innen (RA*innen) Becker und Schwaben möchten einen Befangenheitsantrag stellen. Der Vorsitzende Richter (VR) verschiebt das auf das Ende dieses Prozesstages. Erst möchte er die Zeugin Cornelia Zacharias (58) befragen und fragt nach ihrem Werdegang. Die Zeugin sagt, als Staatsanwältin sei sie in der Abteilung Terrorismus tätig. Die Abteilung habe zehn Referate, eines bzw. zwei davon beschäftigten sich mit der politisch rechter Kriminalität. Sie sei für Norden und Westen zuständig. Sie sei grundsätzlich weisungsbefugt. Es würden sechs bis sieben Staatsanwält*innen bei der Bundesanwaltschaft (BA) arbeiten. Sie nehme u.a. die Erstbewertung vor. Grundsätzlich werde sie über alles informiert, alle Schriftstücke würden über ihren Schreibtisch laufen. Ihre Kollegen berichteten auch aktuell über den Sachverhalt – und sie bekomme die Hauptverhandlungs-Protokolle.

Zacharias leitete auch die Ermittlungen gegen Marion G., Wolfgang J. und Jonny L.

Der VR fragt nach der Stellung von Paul-Ludwig U. in diesem Verfahren. Die Zeugin gibt an, dass U. ihr schon länger auf Grund seines Aussageverhaltens bekannt gewesen sei. Sie habe mit ihm seit Mai 2019 zu tun, also nach U.s Vernehmung in Heilbronn vom 29. April 2019. Paul-Ludwig U. habe darin über die Gruppierung um Jonny L. und Wolfgang J. berichtet. Die Aussagen über Wolfgang J. habe sie an bayrischen Kollegen weitergeleitet. Es habe dann ein Vorermittlungsverfahren gegen J. in München gegeben. Dafür sei sie zuständig gewesen. Sie habe die Beweislage nicht für besonders belastbar gehalten.

Ein zweites Mal habe sie mit U.s Aussageverhalten nach der Vernehmung vom 9. September 2019 in Gießen zu tun gehabt. Damals sei das LKA Stuttgart mit dem Verfahren beauftragt worden. U. sei immer als Beschuldigter geführt worden, auf Grund der Beweislage habe es einen Anfangsverdacht gegeben. Nach dem Treffen an der Hummelgautsche nahe dem schwäbischen Alfdorf am 30. September 2019 habe der Generalbundesanwalt entschieden, das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu übernehmen. Weitere Vernehmungen von Paul-Ludwig U. hätten am 17. September 2019 durch das LKA in Stuttgart und am 1. Oktober 2019 stattgefunden.

Das eingeleitete Verfahren gegen Personen rund um Marion G. habe sich vorerst gegen sieben Beschuldigte gerichtet. Als Arbeitstitel hätten sie die Gruppe nach deren Onlinechat „Der harte Kern“ benannt. Sie habe nicht feststellen können, dass jemand die Gruppe verlassen habe; gleichzeitig habe Werner S. neue Mitglieder rekrutiert. Infolgedessen hätten sich die Ermittlungen weniger auf Marion G. und zunehmend auf Werner S. konzentriert. Am 25. November 2019 hätten sie entschieden, ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen Werner S. und die Gruppe um ihn aufzunehmen.

Zacharias streitet ab, jemals persönlichen Kontakt zu U. gehabt zu haben

Ihr sei im Vorfeld mitgeteilt worden, dass Paul-Ludwig U. einen Vertraulichkeits-Status wolle. Das sei für sie ausgeschlossen gewesen. Außerdem solle die Vertraulichkeit die Identität einer Person schützen, und Paul-Ludwig U. sei mit seiner Identität nicht gerade zögerlich umgegangen. [So hatte er beispielsweise bei Treffen mehrmals mit seiner langen Haftstrafe geprahlt und trotz Verbots mit Personen in seinem privaten Umfeld über die laufenden Ermittlungen gesprochen.] Sie habe mit Paul-Ludwig U. nie persönlich Kontakt gehabt. Das LKA habe ihr eine E-Mail vom 5. Oktober 2019 weitergeleitet. Darin habe er geschrieben, dass er für die Sicherheitsbehörden arbeiten wolle. Er habe dafür Vertraulichkeit und den Status einer Quelle erwartet. Doch das sei ausgeschlossen gewesen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits Beschuldigter gewesen sei, erklärt die Zeugin. Dass er daher weder Quelle sei noch Vertraulichkeit zugesagt bekomme, sollte ihm nach einem Treffen des LKA in Fellbach vom 10. Oktober 2019 mitgeteilt werden.

Der VR verweist auf ein Telefonat von Paul-Ludwig U. mit seinem ehemaligen Bewährungshelfer Jens W. vom 18. Oktober 2019, in dem U. von mehreren direkten Kontakten zur Zeugin erzählt. Die Zeugin widerspricht dem. Sie schließe auch aus, dass Paul-Ludwig U. Kontakte zu anderen Mitgliedern der GBA gehabt hätte.

Zacharias widerspricht U.s Behauptung, sie habe ihm Straferlass versprochen

Anschließend kommt der VR auf die fingierte Zufallskontrolle von U. am Hauptbahnhof Heidelberg zu sprechen, als die Polizei in seinem Rucksack eine CO2-Schusswaffe fand. Dazu werden zwei E-Mails von U. an seinen LKA-Kontaktbeamten Michael K. an die Wand des Gerichtssaals projiziert. In der ersten Mail vom 5. Oktober 2019 behauptete U., er habe die Waffe nur zum „minimalen Selbstschutz“ dabeigehabt. Die Zeugin sagt, sie habe darüber mit Michael K. am Telefon gesprochen, aber nichts weiter unternommen.

In der zweiten E-Mail an Michael K. vom 24. Dezember 2019 schreibt Paul-Ludwig U. wütend über die Anklageerhebung wegen des Waffenfunds durch die Staatsanwaltschaft Paderborn. Am Ende der E-Mail fordert U. Michael K. dazu auf, Frau Zacharias zu informieren, „mit der Bitte sich dieser Sache anzunehmen“. [Später behauptete U., ihm sei für seine Aussagen gegen die „Gruppe S“ zugesichert worden, dass er wegen der CO2-Waffe nichts befürchten müsse.]

Hierzu sagt die Zeugin, sie habe nie eine Kronzeugenregelung in Betracht gezogen. Außerdem hätten weder sie noch ihre Mitarbeiter versucht, das Verfahren am Amtsgericht Heidelberg zu beeinflussen. Man habe U. auch nie etwas anderes signalisiert. Für sie sei „völlig klar“ gewesen, dass U. keine Gegenleistungen für seine Aussagen bekommen würde. „Es ist immer wieder kommuniziert worden: Es gibt nichts.“

Der VR weist darauf hin, dass ein Herr W. im Namen der Zeugin beim Amtsgericht Heidelberg angerufen und gefragt habe, ob eine Terminverlegung möglich sei. Außerdem zitiert er mehrere Telefonate, in denen Paul-Ludwig U. behauptete, Frau Zacharias werde sich kümmern. Die Zeugin streitet das ab; dafür sei sie gar nicht zuständig.

Objektive Beweise stützten U.s Aussage

Der VR fragt die Zeugin, ob sie im Laufe des Verfahrens mitbekommen habe, dass Paul-Ludwig U. unwahre Dinge über sie behauptet habe. Die Zeugin antwortet, das sei in Teilen der E-Mails geschehen und habe bei der Gesamtbewertung des Verfahrens eine Rolle gespielt. Aber sie hätten nicht nur U.s Aussagen gehabt, sondern auch objektive Sachbeweise.

Neben einem möglichen Status als Quelle und einem Einfluss auf das Verfahren wegen der CO2-Waffe wurde im Verfahren auch der Zeugenschutz als eine mögliche Gegenleistung für U.s Aussagen diskutiert. Daher spricht der VR die Zeugin auf einen von ihr verfassten Vermerk vom 3. April 2020 an, in dem sie schrieb, dass Zeugenschutzmaßnahmen für Paul-Ludwig U. beschlossen worden seien. [Tatsächlich ist U. nicht im regulären Zeugenschutz, sondern in einer „zeugenschutzähnlichen Maßnahme“.] Die Zeugin argumentiert, der leitende Ermittler Michael K. habe wegen eines gewissen Gefährdungspotenzials um Zeugenschutz für U. gebeten, daher habe sie eine Unverzichtbarkeitserklärung für U. abgegeben.

Der VR fragt nach der Kontrolle im Hauptbahnhof in Heidelberg am 2. Oktober 2019, bei der man U.s CO2-Waffe beschlagnahmte. Die Zeugin gibt an, sie habe von der Maßnahme schon im Vorfeld gewusst. Herr L. habe sie am 26. September informiert, dass die Kontrolle zur Gefahrenabwehr geplant sei.

Der Ablauf bei den Durchsuchungen und Festnahmen im Februar 2020

Anschließend fragt der VR nach den Hausdurchsuchungen bei den Angeklagten vom 14. Februar 2020. Die Zeugin sagt, sie habe bis zum 13. Februar die letzten Durchsuchungsbeschlüsse von Richtern besorgt. Die Maßnahme sei um 6 Uhr gestartet. Der Kollege L. habe sie nach dem Zugriff informiert, dass alle Beschuldigten bis auf Markus K. angetroffen worden seien. Das Koordinationszentrum für diesen Morgen sei in Karlsruhe gewesen. Man sei in die Wohnungen gegangen, um herauszufinden, ob man Beweismittel finde. Schnell sei die Lager ernster geworden, da man verschiedene Waffen fand. Bei Steffen B. lag eine Slam Gun [eine improvisierte Schusswaffe]. In diesem Zusammenhang sei der Name Mario S. zum ersten Mal aufgetaucht. [S. soll Waffen für die Angeklagten besorgt haben.]

Die Zeugin erwähnt auch die Waffen bei Thomas N. Auch bei Ulf R. [der nicht unter den Angeklagten ist, weil er sich in der Untersuchungshaft das Leben nahm] habe man Waffen gefunden, außerdem chemische Stoffe sowie Unterlagen mit einer Bauanleitung für chemische Waffen. Hinweisen zufolge habe R. auch Erddepots gehabt. Gegen 8 Uhr am Morgen der Durchsuchungen hätten erst Wolfgang W., später auch Frank H. und Markus K. Aussagen angekündigt. Bis 11.07 Uhr hätten die Polizeikräfte vor Ort über das Vorgehen entschieden, dann habe sie die Festnahme der Beschuldigten angeordnet. Danach seien auch bei Werner S. Waffen gefunden worden. Die Zeugin merkt an, sie habe im Vorfeld keine Haftbefehle in Betracht gezogen: „Die Ereignisse überschlugen sich.“

Die Fragen der Verteidigung

Thomas N.s RA Sprafke kommt zurück auf die Aussage der Zeugin, U. hätte keine Quelle werden können, da man gegen ihn schon den Verdacht einer Straftat in diesem Verfahren gehabt habe. Der RA möchte wissen, welche Straftat gemeint sei. Die Zeugin nennt den Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen Paragraf 129 StGB und erwähnt zusätzlich das „absolute Ausschlusskriterium Unzuverlässigkeit“ bei U. Auf eine weitere Frage des RA sagt die Zeugin, von einer wie auch immer gearteten Kommunikation zwischen dem LKA Baden-Württemberg und dem Amtsgericht Heidelberg habe sie nur das gewusst, was in den Akten stehe.

Frank H.s RA Linke fragt nach der Überwachung des Treffen in Minden am 8. Februar 2020. Die Zeugin gibt an, dass es mit Kameras überwacht worden sei, aber nicht mit Abhör-Technik, weil die Ausgangslage nicht gegeben gewesen sei. [Mehrere Angeklagte zeigen sich wütend über diese Äußerung.] Später sagt sie noch, eine Wohnraumüberwachung sei ein sehr grundrechtsintensiver Eingriff. Die Verdachtslage am 8. Februar habe dafür nicht ausgereicht.

Frank H.s zweiter RA Herzogenrath-Amelung fragt nach Kontakten zwischen der GBA und dem Verfassungsschutz [VS]. Die Zeugin gibt an, dass man bei den VS-Ämtern nach Erkenntnissen gefragt habe. Der RA fragt die Zeugin weiter, ob ihr bekannt sei, dass Werner S. für die Polizei in München als Spitzel gearbeitet haben soll. Der Zeugin sagt das nichts.

Welche Straftaten führten dazu, dass U. von Anfang an Beschuldigter war?

Tony E.s RA Hofstätter fragt nach den konkreten Beweisen, warum Paul-Ludwig U. schon von Anfang an als Beschuldigter geführt worden sei. Die Zeugin verweist auf die Telekommunikationsüberwachung von Telefonaten und Chatgruppen wie „Die Unbeugsamen“, „Der harte Kern“ und „Amazonen“, die auf die Bildung einer terroristischen Gruppe hingedeutet hätten. Was U. später über Anschläge sagte, habe diesen Anfangsverdacht erhärtet.

Dem RA fällt etwas auf: „Er wurde wie ein Zeuge befragt, aber wie ein Beschuldigter behandelt.“ Er möchte wissen, ob man Paul-Ludwig U. je zu den eigenen Tatbeiträgen befragt habe. Die Zeugin beharrt darauf, dass Paul-Ludwig U. immer als Beschuldigter befragt worden sei.

Der RA möchte außerdem wissen, ob die Zeugin etwas über Anweisungen an U. wisse, wie er sich in Minden verhalten sollte. Die Zeugin schließt aus, dass Paul-Ludwig U. mit Michael K. die Einsatzplanung besprochen habe.

Begriff Kronbeschuldigter: „Höre ich zum ersten Mal“

Tony E.s RA Becker fragt die Zeugin, ob sie davon ausgegangen sei, dass Paul-Ludwig U. auf dem Treffen eine Straftat begehen würde. Die Zeugin sagt, U. sei schon vorher verdächtig gewesen. Das Vereinigungsdelikt sei auf Dauer angelegt. Weiter fragt der RA, ob man darüber nachgedacht habe, U. von der Anreise nach Minden abzuhalten. Die Zeugin verneint: Paul-Ludwig U. habe selbst entschieden, was er tat.

Steffen B.s RA Ried fragt, wann während des Ermittlungsverfahrens ein hinreichender Verdacht vorgelegen habe, dass in Alfdorf eine terroristische Vereinigung gegründet worden sei. Die Zeugin antwortet, erst während der Abfassung der Anklageschrift.

Thorsten W.s RA Kist fragt, ob am 10. Oktober 2019 in Fellbach bei dem LKA-Treffen klar gewesen sei, dass Paul-Ludwig U. ein Beschuldigter sei, und ob es sein könne, dass Michael K. das so nicht verstanden habe. Er verweist dazu auf Telefonate, in denen K. zu dieser Frage sage: „Schau mer mal.“ Die Zeugin erwidert, sie habe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich K. so verhalten habe. Auch gefragt nach dem Begriff „Kronbeschuldigter“ [LKA-interne Bezeichnung für Paul-Ludwig U.], sagt sie: „Das höre ich zum ersten Mal.“

Warum kam U. nicht in einen normalen Zeugenschutz?

Marcel W.s RA Picker fragt noch einmal nach der Kommunikation zwischen VS und Bundesanwaltschaft. Ob es eine Kommunikation gebe, die nicht Gegenstand der Akte sei, und ob einer der damaligen Beschuldigten mit dem VS zusammengearbeitet habe. Die Zeugin verneint das.

Der RA führt ein Schreiben vom 4. Februar 2020 zum Thema Zeugenschutz an und zitiert eine Stelle zu Zeugenschutzmaßnahmen für Paul-Ludwig U. Ob das umgesetzt worden sei? Die Zeugin gibt an, dass ein Zeugenschutz für Paul-Ludwig U. geprüft worden sei. Dieser sei aber im September 2020 auf Grund von Paul-Ludwig U.s Eigenschaften abgelehnt worden. Das habe sie damals nur am Rande mitbekommen.

Der RA fragt die Zeugin, ob sie eine Verpflichtungserklärung für Paul-Ludwig U. ausschließen könne. Die Zeugin erwidert, sie könne „für Herrn U. gar nichts ausschließen“.

Marcel W.s RA Miksch fragt nach dem Schutz für Paul-Ludwig U. in Minden und wie er sich habe melden können. Die Zeugin entgegnet, sie sei in die Lageplanung vor Ort nicht eingebunden gewesen.

„Ich habe ihm seine Schilderung soweit abgenommen“

Werner S.‘ RA Siebers möchte von der Zeugin wissen, ob sie Paul-Ludwig U. geglaubt habe. „Ich habe ihm seine Schilderung soweit abgenommen“, sagt die Zeugin. Der RA hakt nach, ob sie ihm abgenommen habe, dass er das machte, um Deutschland vor Terroristen zu schützen. Die Zeugin antwortet: „Das war eine Erklärung, die ich hingenommen habe.“ Sie habe aber Vorbehalte gehabt, die sich nicht einfach wegwischen ließen.

Weiter fragt der RA nach Videomaterial und Fotos vom Hummelgautsche-Treffen. Die Zeugin antwortet, ihr sei bekannt, dass es Videomaterial vom Hummelgautsche-Treffen gebe, an das der Senat versuche heranzukommen. Der RA erkundigt sich auch, warum beim LKA-Treffen am 10. Oktober 2019 Leute vom Zeugenschutz aufgetaucht seien. Die Zeugen erklärt, es habe Pläne gegeben, echte Vertrauenspersonen oder verdeckte Ermittler einzuführen, um den Sachverhalt zu objektivieren.

Außerdem möchte der RA wissen, wie es zum Anruf von einem Herrn W. aus der Behörde der Zeugin kam, der im Verfahren um U.s CO2-Waffe um eine Terminverschiebung gebeten habe. Die Zeugin sagt, das sei ein Missverständnis.

Als die „Gruppe S“ U. als Spitzel verdächtigte, musste das LKA handeln

Wolfgang W.s RA Grassl fragt, ob sie sich mit anderen abgestimmt habe wegen der Festnahme. Die Zeugin verneint das. Weiter fragt der RA, warum Paul-Ludwig U. am 14. Februar 2020 nicht festgenommen worden sei. Die Zeugin erklärt, dafür hätten die Voraussetzungen gefehlt. Der RA möchte auch wissen, warum man Bedenken hatte, U. mit einer Waffe nach Berlin fahren zu lassen, aber man ihn ohne Bedenken nach Minden fahren ließ. Die Zeugin argumentiert, Paul-Ludwig U. habe in Minden „auf keinen Fall das Gefahrenpotenzial eines Waffenträgers“ aufgewiesen.

Der RA fragt, warum man am 14. Februar 2020 zugegriffen habe. Die Zeugin sagt, es habe ein Beweismittelverlust gedroht, weil U. als angeblicher Spitzel aufflog. Gefragt nach den Indizien, die zu den Verhaftungen führten, nennt die Zeugin die Aussagen über vereinbarte Geldzahlungen plus Waffenfunde.

Spontane Festnahmen: Die Waffenfunde kamen für die Behörden überraschend

Michael B.s RA Mandic fragt noch einmal nach dem Tag der Hausdurchsuchung und warum sie mit der Verhaftung gehadert habe. Die Zeugin entgegnet, die Razzien hätten nicht das Ziel gehabt, Haftbefehle zu vollstrecken, sondern nur, den Verdacht zu verdichten. Man habe Geldbeträge gefunden, die zur Aussage über das gesammelte Geld in Minden gepasst hätten. Hinzu seien die Aussagen und die Waffenfunde gekommen – eine dynamische Lage. Sie habe dann verbindlich selbst entschieden.

Der RA fragt nach seinem Mandanten Michael B. Die Zeugin erinnert sich, dass bei B. das Codewort „Tretroller“ für Waffen identifiziert werden konnte. [B. hatte sich am Telefon mit Werner S. über „Tretroller“ und „E-Bikes“ unterhalten, siehe Bericht zum 7. Prozesstag.] Der RA fragt weiter, ob die Waffenbeschaffungen nicht auch für den „Tag X“ hätte dienen können. Die Zeugin erinnert sich, dass diese Möglichkeit besprochen worden sei. „Wir konnten es aber konkretisieren, es waren Anschläge geplant.“ Als RA Mandic kommentiert, er sehe hier einen „Missbrauch des Rechts“, interveniert der VR und fordert den RA auf, den Prozess nicht für Agitation zu missbrauchen.

Wie eindeutig lässt sich das gefundene Geld den mutmaßlichen Plänen zum Waffenkauf zuordnen?

Michael B.s RA Berthold möchte von der Zeugin wissen, warum sie das bei den Hausdurchsuchungen gefundene Geld als Begründung für die Verhaftung heranzog. Der VR stoppt ihn wegen seiner Wiederholungsfrage.

Der Angeklagte Frank H. hat eine ähnliche Frage: Warum Geldsummen an drei Orten in einem Drei-Personen-Haushalt komplett als Summe deklariert worden seien, die dem Waffenkauf dienen sollten. Die Zeugin argumentiert, es sei nicht nur das Geld gewesen, sondern die Gesamtumstände. Frank H. fragt weiter, warum sie die Gruppen „Der harte Kern“ etc. erwähnt habe. Von den 13 ursprünglichen Beschuldigten seien neun nicht in diesem Chat gewesen. Trotzdem würden die Vorwürfe diese Gruppe betreffend auch dem Rest zugerechnet. Die Zeugin verweist auf die Anklageschrift.

Anmerkung der Prozessbeobachtung: Um 14.30 Uhr mussten wir die Beobachtung dieses Prozesstags aus terminlichen Gründen abgebrochen. Danach geschahen folgende weitere relevante Ereignisse:

  • Es gab zwei Befangenheitsanträge gegen den VR wegen eines Aktenvermerks zur Aufhebung der U-Haft von Steffen B.
  • Paul-Ludwig U. kündigte Aussagen an, u.a. zu Minden und zu seinem Verhältnis zum LKA – auch darüber, was in den Vernehmungspausen besprochen wurde.

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