Für den 84. Prozesstag, den 4. August 2022, war als Zeugin erneut die Polizeibeamtin Maren-Sophie S. (31) vom LKA Baden-Württemberg geladen. Sie sagte wie vor ihr der Beamte Uwe H. [siehe 83. Prozesstag] über die Durchsuchung und Vernehmung des Angeklagten Thorsten W. aus Hamm am 14. Februar 2020 aus. Viel Neues wusste sie dazu nicht zu berichten, doch sie erinnerte sich daran, dass die große Menge an gefundenem Cannabis sie alle sehr überrascht hätte.
Die Zeugin S. beschreibt ihre Rolle bei der Maßnahme gegen Thorsten W: Die LKA-Einsatzleitung habe sie als Objektverantwortliche ausgewählt. Außer ihr seien Frau Sch. und Herr S. vom Polizeipräsidium sowie Herr H. aus der Abteilung für Cyberkriminalität beteiligt gewesen. Zusätzlich die Dortmunder Kollegen, darunter ihr Ansprechpartner Uwe H. Der Vorsitzende Richter (VR) wundert sich über die großzügige Personalbesetzung. Die Zeugin begründet das damit, dass die Dortmunder Kollegen selbst hätten entscheiden dürfen, wie viele Beamte sie beisteuern möchten.
Anschließend beschreibt die Zeugin den Ablauf der Maßnahme. Am Vortag, dem 13. Februar 2020, hätten sie und die drei Kollegen aus Baden-Württemberg in Bielefeld übernachtet. Im Hotel habe man per Videokonferenz eine Besprechung über den Ablauf des Einsatzes am Folgetag abgehalten. Die Kollegen aus Bielefeld, die noch ein weiteres Objekt durchsucht hätten, hätten an dieser Schalte ebenfalls teilgenommen. Am Morgen des 14. Februars hätten sie dann die Dortmunder Kollegen in Hamm getroffen, kurz die Zuständigkeiten besprochen und seien mit ihnen zusammen in den Einsatz gegangen. Ein SEK aus NRW habe um 5.58 Uhr unter Führung der LKA-Einsatzleitung die Wohnung gesichert. Allerdings habe W. die Tür überraschend geöffnet, wohl auf dem Weg zur Arbeit oder in den Keller, wie die Zeugin vermutet, und die Einsatzkräfte seien ihm entgegengelaufen.
Zeugin widerspricht Thorsten W.s Erzählung von Polizeigewalt
Gefragt nach dem Hundeführer [für den ihr Dortmunder Kollege am Vortag in seiner Zeugenaussage eine etwas seltsame Erklärung angeführt hatte – dieser sei mitgekommen, da Thorsten W. einen Hund habe], klärt S. auf: Der Hundeführer habe mit einem eigens dafür ausgebildeten Hund die Wohnung nach Sprengstoff abgesucht. Anschließend habe man die Wohnung durchsucht. Sie habe W. dabei in Handschellen am Küchentisch sitzend angetroffen, dessen Partnerin G. habe im Schlafzimmer gesessen. Der VR fragt: „War Herr W., als Sie kamen, verletzt?“ Die Zeugen verneint: „Nach meiner Erinnerung nicht.“ Der VR hält ihr vor, dass Thorsten W. dem widersprochen habe: Die „SEK-Typen“ hätten ihn „malträtiert“ und ihm die Rippen geprellt. Die Zeugin glaubt das nicht: „Dann hätten wir das ja niedergeschrieben.“
Die Zeugin berichtet, sie habe Frau G. kurz vernommen und das Gesagte von Hand notiert. Die Kollegin Sch. habe derweil die Asservate aufgelistet, verpackt und beschriftet, die die Kollegen aus den ihnen zugewiesenen Räumen zu ihr gebracht hätten. Thorsten W. habe während der Durchsuchung auf sie „sehr ruhig“, „eher niedergeschlagen und in sich gekehrt“ gewirkt und habe kaum gesprochen. Der VR hakt nach: „Hatten Sie mal das Gefühl, es geht ihm gerade ziemlich schlecht?“ „Nicht wahrnehmbar“, erwidert die Zeugin. W. habe Wasser neben sich stehen gehabt, man habe ihm Essen angeboten, doch er habe das den gesamten Tag über abgelehnt.
Waffen, Devotionalien, massenhaft Cannabis: Das Inventar eines rechten Polizeibeamten
An die Wand des Gerichtssaals werden Fotos projiziert, die der Beamte He. anfertigte. Da diese nicht besprochen und nur gezeigt wurden, folgt hier eine unvollständige Liste. Weitere Asservate finden sich unter anderem im Bericht zu den Prozesstagen 3 und 4. Beispielsweise sieht man auf mehreren Fotos über 20 verschiedene Speichermedien, darunter eine Festplatte mit 1 TB Speicherplatz sowie eine Vielzahl an Sticks und CDs. An Waffen ist eine Schreckschusswaffe abgebildet: eine geladene Walther PTB mit Magazin im Schlafzimmer. Zusätzlich ein Magazin mit Schreckschuss-Munition, eine sogenannte Gotcha-Waffe, die beim Paint Ball verwendet wird und aussieht wie ein Maschinengewehr, sowie ein schusswaffenähnlicher Gegenstand, eventuell für Rollenspiele, die der Angeklagte als Hobby betreibt. Zusätzlich zeigen die Fotos eine Kiste mit Soft-Air-Zubehör und einen Koffer mit Umarex-Reizstoffpatronen sowie 25 Platzpatronen „Cartouches à blanc“. Vier Dolche mit Schutzhülle sowie sieben Schwerter und sechs Äxte, einige Schilde und ein Langbogen sind fantasievoll dekoriert und scheinen Teil von W.s Mittelalter-Ausrüstung zu sein, die einen großen Teil seines Schlafzimmers einnimmt. Zusätzlich fanden die Beamt*innen über die gesamte Wohnung verteilt eine zweistellige Anzahl an Cannabis-Portionen, teils in Form schon fertig gedrehter Joints. Die Menge des gefundenen Rauschgifts kommentiert die Zeugin S. mit den Worten: „Wir waren definitiv überrascht. Damit hat keiner von uns gerechnet.“ Die Ermittlungen in dieser Sache habe die Polizei Dortmund übernommen.
Bezüglich seiner politischen Einstellung wurden ebenfalls einige Asservate fotografiert und beschlagnahmt. In einer Kiste liegt obenauf die „neurechte“ Zeitung „Junge Freiheit“, zudem findet sich eine „Vergissmeinnicht“-Broschüre. Auf einem Foto ist W.s Balkon zu sehen, von dem links die schwarz-weiß-rote Reichsflagge hängt, auf der rechten Seite die der Weimarer Republik. Außerdem sind 20 Sticker und mehrere Buttons der „Identitären Bewegung“ zu sehen. In einem Bücherregal stehen prominent ausgestellt der erste und zweite Band von Hitlers „Mein Kampf“. Außerdem wurden zwei schwarze Lederbänder mit der Aufschrift „Totenkopf – SS Polizeidivision“, einige handgemalte Bilder mit NS-Bezug sowie ein Modellbauflugzeug mit Hakenkreuz beschlagnahmt.
Neben einigen Stickern mit der Reichskriegsflagge liegt ein handgeschriebener Brief an W.: „Wir haben die Fahne an deinem Balkon gesehen. Unsere sieht ganz ähnlich aus.“ Der Absender bezeichnet sich als in der Facebook-Gruppe „Nationaler Aufbruch Hamm“ organisiert und gibt seine Handynummer an für den Fall, dass W. Interesse an einem Kontakt habe.
Erklärungen zu den Asservaten
Rechtsanwalt (RA) Herzogenrath-Amelung stört sich an der Asservierung der gefundenen Waffen: Diese seien „rechtlich völlig irrelevant“ und hätten „sicherlich nicht ausgereicht, um die herrschende Ordnung der BRD mit Gewalt zu stürzen“. Die „Junge Freiheit“ sei lediglich eine „konservative Wochenzeitung“. Die „Vergissmeinnicht“ sei eine „durchaus löbliche“ Sache, da sich die Organisation um die Pflege von Gräbern Weltkriegstoter kümmere. „Auch ein Interesse an der Wehrmacht ist nicht strafbar“, betont der RA.
RA Kist hebt zu einem längeren Beweisantrag an, der erklären soll, warum W. nicht so gefährlich und nationalsozialistisch gesinnt sei, wie die Fotos vermuten lassen. Die gefundenen Bargeldbeträge habe sein Mandant für Urlaube mit seinem Wohnwagen sowie für Mittelalter-Märkte angespart bzw. aufbewahrt. Die gefundenen Waffen seien mit Ausnahme der Schusswaffen Schaukampfwaffen ohne geschliffene Klinge und daher erlaubnisfrei. Für den Rest der Waffen, unter anderem die Walther-Schreckschusspistole, habe W. einen Waffenschein. Die Modellflugzeuge mit Hakenkreuz habe W. in seiner Jugend ganz normal im Spielzeugwarenladen gekauft. Auch die Propaganda-Zeitschriften würden aus W.s Jugend stammen und ließen sich mit seinem damaligen Interesse für Wehrtechnik und Militär erklären. Gleiches gelte für die selbstgemalten Plakate mit SS-Bezug. Der RA fügt hierzu an, dass neben diesen Bildern auch weitere selbstgemalte Werke aus der Jugendzeit W.s gelegen hätten, darunter ein mit einem Totenkopf verunstaltetes Hitlerportrait mit der Aufschrift „Nürnberg: Schuldig“, was dem RA zufolge darauf hindeutet, dass W. den Nationalsozialismus nicht uneingeschränkt befürwortet habe. Die SS-Orden und -Ehrenabzeichen habe W. von seinem Onkel und Großvater geerbt, die in der SS gedient hätten. Die beiden Bände von Hitlers „Mein Kampf“ habe W. auf dem Flohmarkt gekauft und sie ganz normal zwischen die anderen Bücher ins Regal gestellt. Dass sie auf dem Foto der Asservate so prominent ausgestellt zu sehen sind, müsse daran liegen, dass ein Polizist sie für das Foto so drapiert habe. [Zu diesem Punkt sagt die Zeugin später, dass sie dazu nichts wisse.]
RA Picker stört sich an der Asservierung der Ausgabe der „Jungen Freiheit“. Das verbiete sich nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Verteidigung durch den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl und sei „schon ziemlich dreist“.
RA Grassl: Warum wurde sogar die spanische Flagge beschlagnahmt?
Nach diesen Erklärungen beschreibt die Zeugin den weiteren Verlauf der Durchsuchung. Am Ende habe W. unterschrieben, dass er mit der Beschlagnahme der asservierten Gegenstände einverstanden sei, wie ein Foto des Dokuments zeigt. Die Durchsuchung habe bis 12.05 Uhr gedauert. Man habe dann Frau G. und den Hund in der Wohnung zurückgelassen. Die Durchsuchung von W.s Wohnwagen habe man per Anruf bei einem Kollegen in Fehmarn erbeten, da der Wagen dort auf einem Stellplatz Katharinenhof gestanden habe. Das habe Thorsten W. selbst gesagt und auch verraten, wo der Zweitschlüssel zu finden sei.
Nun gibt der VR das Fragerecht an die anderen Verfahrensbeteiligten weiter. RA Grassl möchte wissen, warum zusätzlich zur Reichsflagge und der Flagge der Weimarer Republik auch eine spanische Flagge mitgenommen worden sei. Die Zeugin erklärt, man habe sie vorsichtshalber mitgenommen, um zu prüfen, ob sie etwas „mit der rechten Ecke“ zu tun habe. Sie habe sich aber ihrer Erinnerung nach als nicht relevant erwiesen.
Angeklagter Frank H.: „Ist Ideologie strafbar?“
RA Picker fragt die Zeugin, ob sie die Asservatenliste am Ende der Maßnahme einfach unterschrieben oder erst Stück für Stück überprüft habe. Letzteres, antwortet die Zeugin. Lediglich die Fundorte der einzelnen Asservate habe sie vor Ort nicht noch einmal überprüft.
RA Berthold möchte wissen, warum das gefundene Bargeld asserviert wurde, also warum angenommen worden sei, dass es für die vorgeworfene Tat bestimmt sein könnte. Die Zeugin argumentiert, der Durchsuchungsbeschluss habe darauf hingewiesen, dass sich W. an dem laut Vorwurf geplanten Vorhaben finanziell habe beteiligen wollen.
Auch der Angeklagte Frank H. hat eine Frage: „Ist Ideologie strafbar?“ Die Zeugin verneint. „Aber es geht darum, dass man ein Bild von dem Beschuldigten bekommt.“
Anschließend wird S. unvereidigt entlassen. Der VR kündigt an, man werde sie im September zu einem anderen Komplex erneut laden.
So schätzt die Verteidigung die Zeugin ein
Als die Zeugin den Raum verlassen hat, gibt der VR Zeit für Erklärungen. RA Herzogenrath-Amelung echauffiert sich über die Asservierung von Hitlers „Mein Kampf“: „Nach dem 8. Mai 1945 wurde unseren Landsleuten vorgeworfen, wenn wir das gelesen hätten, wäre uns viel Unheil erspart geblieben. Und wenn man es jetzt nach 1945 liest, kommt man in den Verdacht, ein Nazi zu sein. Beides stimmt nicht.“
RA Berthold merkt an, dass das beschlagnahmte Geld „völlig verstreut“ in der ganzen Wohnung gelegen habe, zumeist in kleinen Scheinen. „Für eine Tatfinanzierung scheint mir das hier nicht vorgesehen zu sein.“
RA Becker verteidigt seinen Mandanten Tony E.: Von Chat-Inhalten nichts gewusst
Anschließend gibt RA Becker eine Erklärung zum Selbstleseverfahren IV ab. Erstens bringe eine darin enthaltene Erkenntnismitteilung des Bundesamts für Verfassungsschutz keine neuen Erkenntnisse, zumal die Behörde erst habe nachforschen müssen und dann lediglich einige auf Facebook öffentlich zugängliche Informationen über das „Freikorps“ geliefert habe. Auch der im Selbstleseverfahren enthaltene Screenshot aus der Gruppe „I. Zug Heimat“, laut dem sein Mandant unter dem Pseudonym „Unbeugsam Tony“ Administrator der Gruppe sei, zeige nichts: E. sei „vermutlich ohne sein Wissen und Wollen“ von Werner S. zum Administrator gemacht worden und habe „zu keinem Zeitpunkt in dieser Funktion Dienste ausgeführt, Dinge gepostet oder die Gruppe gegründet“. Seinen Facebook-Account habe Tony E. nicht selbst gelöscht, sondern das habe vermutlich Facebook nach E.s Verhaftung getan. Auch E.s vier Jahre als Soldat in Bückeburg hält der RA für irrelevant. Ein Schreiben des MAD belege, dass E. bei der Bundeswehr zwar Fähigkeiten im Umgang mit Waffen gelernt, aber nie an einer Wehrübung oder Spezialausbildung teilgenommen oder sich darum bemüht habe. E. habe sich, wie das Schreiben zeige, als Soldat in „eine Gemeinschaft zum Schutze der Allgemeinheit“ eingefügt. Ein weiteres Dokument aus der Selbstleseverfügung beschäftige sich mit der Telegram-Gruppe „Last Man Standing“. Paul-Ludwig U. habe erzählt, dass Tony E. dort Mitglied sei. Der Gruppe würden, so der RA, „Hetze gegen Ausländer und Asylsuchende“ nachgesagt. „Aber konkrete Inhalte, insbesondere geteilt durch Herrn E., werden nicht genannt. Das ist auch nicht möglich: Er war nicht Teil des Chats.“
RA Becker: Parallel zu überwachten Geräten kommunizierten die Behörden anderweitig mit U.
Auch zu einigen E-Mails von Paul-Ludwig U. an die Behörden aus der Selbstleseverfügung nimmt der RA Stellung. Zuerst bezieht er sich auf eine Mail an die Beamtin S. mit einem Anhang über die Vernetzung von „Patriotengruppen“. U. behaupte dort, 2.500 Personen stünden bereit. „Es wurde ja schon nachhaltig belegt, dass das nur der Fantasie des U. entspringt. Den Inhalt einer zweiten Mail, die U. an seinen LKA-Kontaktbeamten K. verschickte, fasst der RA ebenfalls kurz zusammen: U. habe darin Tony E. auf zwei Fotos vom Treffen an der Hummelgautsche (September 2019) identifiziert und erklärt, Tony E. sei mit Daniel E. und Ralf N. auf Facebook befreundet und habe die beiden bei einer Demonstration in Berlin kennengelernt. In einer dritten Mail aus der Selbstleseverfügung habe U. das LKA informiert,dass Werner S. [vermutlich beim Treffen in Minden] bei Thomas N. übernachten werde. Der RA hält fest, dass diese Mails keine neuen Erkenntnisse bringen würden. „Aber sie zeigen, dass parallel [zu den überwachten] Kommunikationsstränge mit den Behörden laufen: Anrufe, Nachrichten, Mails.“ Dann spricht der RA eine sogenannte „Personenabklärung“ zu einer Person mit dem Namen „Noah“ an: Offenbar habe U. erzählt, jemand mit diesem Namen sei Mitglied im „Freikorps Sachsen“. Der Versuch, diesen Noah zu ermitteln, habe zum Ergebnis geführt, „dass U. hier wieder mal Unsinn erzählt hat“.
Tony E. fragte sich angeblich selbst, wie rechte Songs auf sein Handy geraten seien
Dann erklärt der RA, es gebe Hinweise zu Werner S.: Dieser könnte zumindest im Zusammenhang mit Drogengeschäften mit den Behörden zusammengearbeitet haben. Außerdem zeige eine SMS von Werner S. an Tony E.s Ehefrau aus der Selbstleseverfügung erneut die Lücke zwischen „Schein und Sein“ bei S.: Dieser schreibe in der Nachricht, er sei gerade in Italien, nachweislich sei die SMS aber aus Mickhausen in Bayern verschickt worden.
Zu dem Punkt, dass die Polizei auf Tony E.s Handy Musik extrem rechter Bands fand, erklärt der RA: „Herr E. hat kein Interesse an derartiger Musik.“ E. habe sich gefragt, wie diese Dateien auf sein Handy gelangt sein könnten, und sei zu dem Schluss gekommen, dass diese vermutlich vom Vorbesitzer des Geräts stammen müssten. Dass Tony E. laut einer Auswertung auf „Ebay Kleinanzeigen“ nach Waffen suchte, will der RA nicht so stehen lassen und präzisiert: Sein Mandant habe „an einem einzigen Tag nach traditionellen Bögen gesucht“, und zwar „nicht nach High Tech, sondern nach klassischem Bogensport“. Das belegten auch die Suchbegriffe, die beispielsweise die Worte „Freizeit“, „Sport“ und „Jagd“ enthalten hätten.
RA Becker: Behörden sperren relevanten Teil der Überwachung aus Minden
RA hat aber noch mehr anzumerken: Aus Steffen B. Kontaktdaten gehe lediglich hervor, dass er mit Tony E. auf Facebook befreundet gewesen sei, dessen Telefonnummer gekannt und diese unter dem Namen „Tony Vernetzung“ abgespeichert habe. Ähnliche Erkenntnisse aus Stefan K.s Kontaktdaten brächten ebenfalls keine neuen Erkenntnisse. Das gelte bezogen auf seinen Mandanten Tony E. für alle Urkunden aus der vierten Selbstleseverfügung.
Zum Abschluss seiner Erklärung wirft der RA den Ermittlungsbehörden Intransparenz vor: Laut einem Observationsbericht aus der Selbstleseverfügung vom Mindener Treffen am 8. Februar 2020 hätten E. und S. mit einem PKW an einem Restaurant geparkt und seien dann zu Thomas N. gegangen, wo sie erst U. und dann Wolfgang W. begrüßt hätten. Anschließend seien sie zum hinteren Bereich des Grundstücks gegangen. „Der interessante Teil der Überwachung wird den Verfahrensbeteiligten vorenthalten“, moniert der RA. „Wer sauber ermittelt, muss sich nicht hinter einer Sperrerklärung verstecken.“
Angeklagter Frank H.: Er und Marcel W. saßen schon in Haft, als ihre Gruppe WEG über Waffen chattete
Im Anschluss greift auch RA Picker die Frage auf, ob Werner S. mit den Behörden zusammengearbeitet haben könnte. Laut Auskunft des bayerischen an das baden-württembergische LKA sei „über eine V-Personen-Tätigkeit des Werner S. nichts bekannt“. Dem RA reicht das offenbar nicht aus: „Es wurde ein Aktenvermerk gefertigt vom Kriminalfachdezernat München, das sehr kryptisch gehalten ist, und aus dem ich nicht herauslesen kann, welche Tätigkeit S. damals im Rahmen seiner Rauschgiftkontakte für die Polizei in München gemacht hat.“ Dazu kündigt der RA einen Beweisantrag an, da er den zuständigen Kriminaloberrat als Zeugen hören wolle. Der RA vermutet, diese Sache könnte „möglicherweise auch Auswirkungen auf dieses Verfahren haben“.
Zum Ende des recht kurzen Prozesstages gibt auch der Angeklagte Frank H. eine Erklärung zu einem Abschnitt aus der Selbstleseverfügung ab: Darin seien zwei Posts der „Wodans Erben Germanien“ vom 3. Mai und 2. April 2020 enthalten; allerdings seien er und sein WEG-Kamerad Marcel W. zu diesem Zeitpunkt bereits in Haft und nicht mehr Teil des Chats gewesen. In den Akten hätten die Behörden notiert, dass diese beiden Posts „die offensichtliche Bereitschaft [der WEG] zeigen, auch Waffen einzusetzen. Es ist hervorzuheben, dass keine Mäßigung oder Zurückhaltung nach Bekanntwerden der ‚Gruppe S‘ erkennbar ist.“ Frank H. sieht hierfür offenbar die Schuld bei den Behörden und den Maßnahmen gegen die „Gruppe S“, denn er betont: „Mit [Marcel] W. und [Frank] H. hätte es diese mangelnde Mäßigung sicherlich nicht gegeben.“