Zu Beginn des 75. Verhandlungstages gegen die „Gruppe S“ in Stuttgart-Stammheim war schlechte Stimmung im Saal, unter anderem da die Verhandlung trotz mehrerer positiv auf Corona getesteter Verteidiger fortgeführt wurde. Erst wurde Zeuge Marcel L. aus Fellbach vernommen, der Ende 2019 am Treffen der „Gruppe S“ am Grillplatz Hummelgautsche im schwäbischen Alfdorf teilgenommen hatte. Laut eigener Aussage war L. dort „ziemlich besoffen“ und erinnerte sich nicht an alles. Zudem verweigerte er zu den meisten Fragen die Aussage. Nach ihm sagte erneut der LKA-Ermittler Michael K. als Zeuge aus – zuerst zu der Durchsuchung und Festnahme des Angeklagten Markus K. im Februar 2020, der damals Angst um seine Familie geäußert habe. Der Zeuge bezeichnete Markus K. als untypischen Reichsbürger, der die Einsatzkräfte nicht missioniert oder belehrt habe. Bei der Befragung waren auch die bei Markus K. beschlagnahmten Gegenstände Thema, darunter über 100 rechte CDs, mehrere Schlag- und andere Waffen sowie eine Vielzahl rechter Devotionalien. Nach diesem Komplex wurde der Zeuge auch zur Rolle des Hinweisgebers und Angeklagten Paul-Ludwig U. befragt, dessen Kontaktbeamter er war. Wie schon oft ging es dabei um den Verdacht der Verteidigung anderer Angeklagter, U. sei als V-Person eingesetzt gewesen oder habe anderweitig Aufträge der Behörden bekommen. Der LKA-Zeuge widersprach dem erneut. In einer Frage an den Zeugen behauptete Rechtsanwalt Herzogenrath-Amelung, die Schusswaffe, die die Polizei bei Werner S. fand, sei zuvor schon einmal ein polizeiliches Asservat gewesen. Bezüglich des Treffens der „Gruppe S“ im Februar 2020 in Minden sagte der Zeuge, es habe keine technischen Schutzmaßnahmen oder Interventionskräfte gegeben; weitere Details zu den damaligen Maßnahmen wollte er mit Verweis auf seine Aussagegenehmigung nicht verraten.
Zu Beginn der Verhandlung gibt Rechtsanwalt (RA) Becker eine Stellungnahme zur Vernehmung der LKA-Zeugin Angela M. vom vergangenen Prozesstag ab. Erstens kritisiert er, dass der Vorsitzende Richter (VR) sie suggestiv befragt habe, als er habe wissen wollen, ob die Datenauswertung in der Akte tatsächlich die Daten vom Handy seines Mandanten Tony E. wiedergebe. Zweitens habe die Zeugin zur Prüfung einen Aktenordner bekommen, den sie nach weniger als einer Minute Durchblättern wieder geschlossen und dann bezeugt habe, es handle sich um den besprochenen Chat. Die Zeugin habe gar nicht wissen können, ob alle Daten aus E.s Handy auf den Auswerte-PC gespielt wurden, weil das andere LKA-Kollegen erledigt hätten und die Zeugin in diesen Prozess nicht eingebunden gewesen sei. Auch ob E. die Nachrichten, die auf seinem Handy eingingen, wirklich gelesen habe – beispielsweise aufgrund der grauen und blauen Häkchen bei WhatsApp – habe die Zeugin nicht sagen können. Der Vorsitzende Richter (VR) verkündet, dass der Senat Erklärungen nicht widerspreche, „auch wenn er Beweismittel anders bewertet, als es in der Stellungnahme anderer Verfahrensbeteiligter dargelegt wird“.
Verhandlung geht trotz mehrerer positiver Corona-Tests weiter
Steffen B.s RA Ried bittet um eine kurze Pause. Er und auch andere Kollegen seien positiv auf Corona getestet worden. Er bietet an, den Saal zu verlassen, wenn der Senat zustimmt. Der VR widerspricht: „Es befindet sich kein Mensch im Saal, der hier nicht sitzen dürfte.“ [Eine Verordnung sieht vor, dass ein Prozesstag nicht verschoben werden darf, wenn ein Verfahrensbeteiligter positiv auf Corona getestet wird.] Stefan K.s RA Abouzeid ist nicht einverstanden und drückt erkennbar seinen Unmut aus. Die Stimmung im Saal ist kühl.
Statt der Bitte um eine Pause zu entsprechen, ruft der VR den Zeugen Marcel L. (44) in den Saal und belehrt den Industriemechaniker aus Fellbach. [Hintergrund: L. war unter den Pseudonymen „Tyson Marcel“, „Timo Ganz“ und „Marshall“ [phonetisch] in Chats aktiv und hatte Kontakte zur „Bruderschaft Deutschland“ und dem „Freikorps Heimatschutz“. Als sich die „Gruppe S“ im September 2019 an der Hummelgautsche im schwäbischen Alfdorf traf, war Marcel L. ebenfalls anwesend.]
Zeuge von der Hummelgautsche verweigert die Aussage – und redet dann doch
Erst sagt L. er wolle keine Aussage machen. Dann antwortet er aber doch auf Fragen der Verteidigung. Er verneint die Frage von Markus K.s RAin Schwaben: „Standen Sie in engem Kontakt mit staatlichen Stellen wie dem LKA, BKA oder Verfassungsschutz?“ Michael B.s RA Mandic fragt, ob Paul-Ludwig U. ihm an der Hummelgautsche etwas erzählt habe. L. antwortet: „Ich kenne ihn gar nicht. Ich war an dem Abend dort ziemlich besoffen.“ Anschließend erwähnt er die Auseinandersetzung, die der Zeuge an dem Abend mit Werner S. hatte.
Anschließend wird Marcel L. unvereidigt entlassen. Niemand will eine Erklärung dazu abgeben. Als zweiter Zeuge wird Michael K. in den Saal gerufen, der Paul-Ludwig U.s Kontaktbeamter beim LKA Baden-Württemberg war und schon mehrmals im laufendem Verfahren aussagte; teils mit Erinnerungslücken, die die Verteidigung der anderen Angeklagten für unglaubwürdig hielten.
LKA-Ermittler Michael K. erneut im Zeugenstand
Der VR erklärt einleitend: „Wir möchten gerne einen kleinen Komplex mit Ihnen besprechen.“ Er meint die Durchsuchung bei Markus K. und einen Bericht des Zeugen darüber vom 17. Februar 2020. „Haben Sie noch eine Erinnerung daran, wann die Entscheidung fiel, dass die Maßnahme durchgeführt werden soll?“, möchte der VR wissen. Der Zeuge verneint. Wie er von der geplanten Razzia erfahren habe, fragt der VR. Der Zeuge antwortet, das habe nicht sein Team angeregt, sondern es sei von der Bundesanwaltschaft (BA) beantragt und vom Bundesrichter genehmigt worden. Hier hakt der VR ein: „Wer hat in dieser Frage Kontakt zur BA gehalten?“ Der Zeuge antwortet, das seien er selbst und die Kollegin S. gewesen. Die Sachbearbeiter B. und O. hätten auch Kontakt gehabt. Die Entscheidung für die Maßnahme sei ungefähr Anfang Februar 2020 gefallen. Gefragt nach Besprechungen aller Beteiligten im LKA gibt der Zeuge an, die Soko Valenz [die gegen die „Gruppe S“ ermittelte] habe sich regelmäßig besprochen. Wer dazugehört habe, wisse er nicht mehr. Die Leitung am Einsatztag bei Markus K. hätten Herr L. und Herr G. gehabt. Er habe auch Michael K. der Durchsuchung von Markus K. zugeteilt.
Die Razzia und Festnahme von Markus K. in der Erinnerung des Zeugen
Der VR fragt: „Hatten Sie besondere Erkenntnisse zu Markus K.?“ Der Zeuge erklärt, er habe sich bei der „Personenabklärung“ über K. informiert. An Details dazu könne er sich nicht erinnern. Der Zeuge erinnert sich aber noch, dass man gewusst habe, dass K. in einer Mehrraumwohnung mit seiner Lebensgefährtin G. und zwei Kindern wohnen würde. Bei der Durchsuchung hätten neben dem baden-württembergischen LKA auch drei Kolleg*innen von der Kriminalinspektion Bielefeld und zwei Kollegen von der Dienststelle in Minden geholfen. Als Zeugin habe man, das sei so üblich, eine Frau vom Ordnungsamt in Minden dazu geholt. Das SEK habe die Wohnung zuerst betreten und gesichert, gegen 6 Uhr, als bundesweit die Maßnahme gegen die Beschuldigten begann.
Der VR fasst den SEK-Einsatz mit Blick auf die Akte zusammen: Die Haustür sei unbeschädigt geblieben, die Wohnungstür hingegen habe das SEK „mit Beschuss“ geöffnet. Laut Aktenvermerk habe das SEK um 6.17 Uhr die Wohnung an die Ermittler*innen übergeben. Da sei Markus K. schon auf der Arbeit und nur seine Frau und die Kinder zuhause gewesen. Markus K. sei dann an seinem Arbeitsort vorläufig festgenommen worden.
Michael K. leitete die Durchsuchung
Vor Ort seien er und die Kollegin K. für die Aufgabenverteilung zuständig gewesen, so der Zeuge. Er habe die Durchsuchung geleitet und sich um Kommunikation gekümmert. Nach einer ersten Vernehmung und diversen Telefonaten habe er auch beim Durchsuchen der Wohnung geholfen. Frau S. habe protokolliert, L. habe Asservate nummeriert, Herr S. habe den Einsatz mit Fotos dokumentiert. Die anderen Kolleg*innen hätten die Wohnung durchsucht sowie das Fahrzeug von Frau G.; Markus K. habe kein eigenes Auto gehabt.
Der VR fragt: „War morgens bei der Festnahme Markus K. klar, dass am Ende des Tages entschieden würde, dass er am nächsten Tag dem Haftrichter vorgeführt wird?“ Der Zeuge verneint. Die vorläufige Festnahme habe er angeordnet, um die Durchsuchung zu sichern. Erst am Ende der Razzia habe er gewusst, dass K. dem Haftrichter vorgeführt werden soll. „Sonst hätten wir ihn nach der Maßnahme wieder zur Arbeit gehen lassen.“ Er selbst oder die Kollegin K. hätten Markus K. dann mitgeteilt, dass er zum Haftrichter müsse. Ob Markus K. bei seiner Festnahme am Arbeitsplatz belehrt wurde, weiß der Zeuge nicht, da er nicht dabei gewesen sei. Nachdem man Markus K. von seiner Arbeit zur Wohnung gebracht habe, habe er ihn aber selbst belehrt. Um 7.22 Uhr sei das gewesen, ergänzt der VR aus der Akte. Vorher habe Markus K. keine Angaben gemacht, vermutet der Zeuge, „sonst wäre mir das mitgeteilt worden“. Um 11.07 Uhr endete laut Akte die Durchsuchung.
Bis zu Markus K.s Ankunft um 7.22 Uhr habe man schon mit der Zustimmung von K.s Frau G. mit der Durchsuchung begonnen. Frau G. sei ins Schlafzimmer gegangen, um, wie der Zeuge erklärt, die Polizei nicht zu behindern. Er habe sie dann rund eine halbe Stunde lang vernommen.
Nervosität und Angst um die Familie bei Markus K.
Als Markus K. an der Wohnung ankam, sei er „sehr nervös und fast ängstlich“ gewesen, so der Zeuge. Er selbst habe K. erst den Beschluss ausgehändigt und ihn belehrt. Dann habe er ihm den juristischen Vorwurf [terroristische Vereinigung] und die Namen einiger anderer Beschuldigter genannt und erklärt, dass das Treffen in Minden der Grund für die Durchsuchung sei. Über die Anwaltshotline sei niemand erreichbar gewesen, und Markus K. habe einen Pflichtverteidiger abgelehnt. Markus K. habe keine Angaben gemacht, da er seine Familie „in Gefahr“ gesehen habe. Der Zeuge erinnert sich an das Angebot des Beschuldigten, Angaben machen zu machen, wenn man der Familie Schutz gewähren würde. Durch wen und warum die Familie in Gefahr sein sollte, habe er nicht konkret angegeben.
Der VR wundert sich, dass unter der Beschuldigtenvernehmung Markus K. mit dem Zusatz „i.A.“ [im Auftrag] unterschrieben wurde. Der Zeuge kann sich das auch nicht erklären. Der VR hakt nach: „Sie sagten, Markus K. war ängstlich. Konnte er vielleicht nicht folgen, was passiert?“ Der Zeuge entgegnet, diesen Eindruck habe er nicht gehabt. Außerdem habe sich Markus K. während der Maßnahme offenbar beruhigt und sei „hilfsbereit“ gewesen. Als der VR fragt, ob er Unverständnis über die Maßnahme gezeigt habe, kann sich der Zeuge nicht erinnern.
Ein untypischer Reichsbürger
Während der Durchsuchung habe Markus K. keine Aussagen zur Sache gemacht. Befragt, worden sei er „vor allem zu Gegenständen, die dem Reichsbürgertum zuzuordnen sind. Da hat er gesagt, das sind die Sachen, die ihn beschäftigen.“ Der VR erwähnt einen Aktenvermerk, laut dem Markus K. am Vormittag der Razzia gesagt habe, er könne grundsätzlich weitere Angaben machen, aber nicht zu Werner S. und Thomas N. „Dem Verdacht, sich Waffen beschaffen zu wollen, trat er entschieden entgegen. Wie kam es dazu?“, erkundigt sich der VR. Der Zeuge erklärt: „Wir haben gesagt, wonach wir suchen. Dass wir uns ungern der Gefahr scharfer Waffen oder Sprengstoff aussetzen. Da sagte er: ‚Ich habe sowas nicht.‘“ „Gab es für Sie rückblickend markante Besonderheiten bei der Durchsuchung?“, fragt der VR. Der Zeuge verneint. Doch einige Dinge seien ihm trotzdem besonders im Gedächtnis geblieben: Dass rechte Devotionalen „weggeräumt“ gewirkt hätten – „sie wurden nicht vor den Kindern oder Besuch präsentiert.“ Und die Tatsache, dass Markus K. trotz seiner Reichsbürger-Überzeugung nicht versucht habe, die Legitimation der Polizei zu hinterfragen oder sie zu missionieren. Markus K. habe auch nicht, wie für Reichsbürger typisch, gesagt, die Polizei gehöre zu einer GmbH. Der VR fragt nach, welche Fundstücke Reichsbürger-Bezug hatten. Der Zeuge nennt Dokumente und einen Computer aus dem Keller. „Da hatte er seinen Bereich.“ Markus K. habe zu diesen Dingen gesagt, „dass es das ist, was ihn umtreibt, dass er gedanklich verhaftet ist in dieses Thema“. Der VR wundert sich: „K. schreibt sich der Reichsbürgerszene zu, verhält sich aber nicht so?“ Ob Markus K. wirklich Reichsbürger sei? Michael K. vermutet: „Ein Mensch, der sich so intensiv mit dem Thema befasst, muss sich mit dieser Ideologie identifizieren.“ Trotzdem sieht auch er einen Gegensatz zwischen der Ideologie und dem Verhalten K.s gegenüber der Polizei.
Als der VR nach Bezügen zur Prepper-Szene fragt, nennt der Zeuge einen Fluchtrucksack und dass K. Lebensmittel eingelagert habe. Das deutet er als Vorbereitungen auf den „Tag X“ [an dem laut Preppern die öffentliche Ordnung kollabiert].
Die Asservate: 119 rechte CDs, mehrere Waffen, rechte Devotionalen
Es folgen 129 Fotos aus der Lichtbildmappe der Durchsuchung, die einzeln an die Wand projiziert werden. Darunter einige Bilder, die das Haus und die einzelnen Zimmer zeigen. Anfangs ist zu sehen, dass das SEK die Haustür betreten haben muss, ohne sie zerstören; K.s Wohnungstür hingegen ist beschädigt. Als Asservate wurden u.a. fotografiert:
- Zwei externe Festplatten, mehrere USB-Sticks, ein Computer
- Zwei Walkie Talkies
- Anti-Antifa-Flyer mit Aufdrucken wie „Liebe Antifa, Feigheit ist Ekelhaft!!!! Wer wahrhaftig überzeugt ist, das richtige zu tun, DER ZEIGT GESICHT…“
- Unterlagen zu „Untergrundbasen in Deutschland, Alarmstufe Rot“
- Viele CDs, darunter 119 Stück mit rechter Musik, z. B. von „Der Metzger“, „Race War“ und Frank Rennicke
- Ein Baseballschläger, zwei Äxte, ein Tonfa, Quarzsandhandschuhe, zwei Klapp- und viele weitere Messer
- Eine Reichsflagge, eine Flagge der kaiserlichen Marine, eine Preußenflagge
- Ein gerahmtes Bild mit dem Schriftzug „Deutsch-russische Freundschaft. Nie wieder Bruderkrieg!“, eine Urkunde mit Sankt-Georgs-Band [ein russisches Militärabzeichen], eine deutsch-russische Fahne
- Eine Brosche und eine Anstecknadel mit russischen Symbolen
- Ein Pullover von Thor Steinar
- Unterlagen aus dem Reichsbürger-Spektrum sowie ein Buch über „Die Strukturen des Zivilrechts“, das der Zeuge ebenfalls diesem Spektrum zuordnet
- Hosenträger in Reichsfarben
- Ein Bild von Deutschland in historischen Grenzen
- Eine silberne Kladde mit Reichsadler und der Aufschrift „Die Reichswehr“
- Patches und Anstecker mit den Schriftzügen „Skrewdriver“, „Skinhead-Power”, „Deutschland“, „Drittes Reich“
- Mehrere Flaschen mit Lumpen – der Zeuge kommentiert: „Wir waren zunächst mal erschrocken, weil es rein optisch an Molotowcocktails erinnert.“ Markus K. habe aber glaubwürdig versichert, dass er in die Flaschen uriniert und sie mit den Tüchern verschlossen habe.
- Eine Flagge dem Konterfei des „Blood and Honour“-Gründers Ian Stuarts und dessen Todestag, dem 24. September 1993
- Eine Fahne mit einem Keltenkreuz
- Ein Survivalrucksack in Tarnfarben
- Ein Sturmfeuerzeug mit Eisernem Kreuz und der Aufschrift „Deutschland“
- Ein orangenes Heft mit allen Strophen der deutschen Hymne
Markus K.s Verteidigung versucht, die Funde zu entkräften
Nach dieser langen Abfolge von Bildern gibt der VR die Gelegenheit für Erklärungen. RAin Schwaben beginnt: Die CD von Frank Rennicke sei nicht indiziert. Außerdem zweifelt sie an, dass alle gefundenen CDs rechte Musik enthalten, das müsse sie aber noch einmal prüfen.
Marcel W.s RA Picker kommentiert, „dass viele Bilder nicht in Einklang zu bringen sind mit dem Durchsuchungsbeschluss. Die Bilder sollen eine Gesinnung nachweisen oder dokumentieren.“ Er fragt sich bei einigen der Gegenstände, beispielsweise bei dem orangenen Hymnenheft, ob sie relevant für das Verfahren sind.
RA Mandic kritisiert, dass der Zeuge K. das Bürgerliche Gesetzbuch als „Reichsbürger-Literatur“ bezeichnet.
Der weitere Verlauf der Maßnahmen gegen Markus K.
Nach einer kurzen Pause befragt der VR den Zeugen zu Formalitäten der Durchsuchung. Beispielsweise entdeckt der VR Unstimmigkeiten in der Asservatenliste: Unter den Beamt*innen, die die Asservate laut der Liste gefunden haben, ist ein Herr S. aus Bielefeld, der gar nicht bei der Razzia vor Ort war. Der Zeuge räumt ein, dass das offenbar Übertragungsfehler seien.
Dann widmet sich der VR dem Ablauf nach Ende der Razzia. Der Zeuge erklärt, man sei in die Dienststelle gefahren und habe Markus K. dort in Gewahrsam gebracht, ihn später aber von einem anderen Team nach Karlsruhe bringen lassen. Er selbst habe Markus K. an diesem Tag nicht noch einmal gesprochen, sondern habe sich um E-Mails etc. gekümmert. Der VR ergänzt, dass Markus K. noch am selben Tag erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Am Folgetag wurde K. dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt.
Was sollte Paul-Ludwig U. tun, wenn er beim Treffen eine Waffe bekommen hätte?
Auch Oberstaatsanwältin (OStAin) Bellay hat Fragen. Zuerst bezieht sie sich auf ein Verfahren mit dem Titel „Nukleus“ und fragt, ob sich der Zeuge an ein Erstgespräch in Fellbach vom 10. Oktober 2019 erinnert. Der Zeuge bejaht. Frau Zacharias sei zu seiner Dienststelle gekommen, um den vorliegenden Sachverhalt in Erfahrung zu bringen und zu überlegen, wie man weiter vorgehen möchte.
Die OStAin fragt weiter nach einem Telefonat [mit Paul-Ludwig U.], bei dem Michael K. ihm angeblich geraten haben soll, eine Waffe mitzunehmen, sollte es unausweichlich sein. K. antwortet: Wenn U. nicht um die Entgegennahme einer Waffe herumgekommen wäre, dann hätte er die Waffe entgegennehmen, sie aber unschädlich machen sollen, um sich nicht strafbar zu machen und sich nicht in Gefahr zu bringen.
Anschließend geht es um die fingierte Kontrolle in Heidelberg, bei der die Bundespolizei Paul-Ludwig U. eine CO2-Waffe abnahm, die er nicht hätte bei sich tragen dürfen, zumal er damals auf Bewährung war. Bellay möchte dazu wissen: „Welche Gespräche gab es mit der Bundespolizei? Und ist eine Festnahme U.s diskutiert worden? Konnte die Bundespolizei frei handeln?“ Michael K. beteuert, sie hätten sich „in keinster Weise eingemischt“ in die Arbeit der Bundespolizei, sondern ihr lediglich „mitgeteilt, was wir wussten“, also dass hier ein „Gefahrenmoment“ vorlag. Man habe im Vorfeld mit ihnen nicht über eine geplante Festnahme gesprochen. Die OStAin hakt nach: „Oder darüber, dass er nicht festgenommen werden soll? Haben Sie so etwas gesagt wie ‚den brauchen wir noch‘?“ Der Zeuge bestreitet das. Die Nachfrage, ob das LKA stattdessen „versteckte Hinweise“ an die Bundespolizei gesandt habe, dass U. ihr Informant sei, verneint er.
Gemeinsame Raucherpausen mit U.
Nun richtet Thomas N.s RA Stehr einige Fragen an Michael K. bezüglich seiner Vernehmungen von Paul-Ludwig U. Ob K. überhaupt über den langen Zeitraum hinweg „noch im Thema“ sein konnte – „Ja“ – und ob Michael K. alle Verhör-Pausen mit U. verbrachte – „In 90 Prozent der Fälle, es sei denn, es war was anderes zu tun. Wir sind beide Raucher.“ Dabei habe er sich „unvermeidlich“ mit U. unterhalten. Wenn in den Pausen etwas Vernehmungsrelevantes zur Sprache gekommen sei, habe er es in der Vernehmung wieder aufgegriffen: „Herr U., Sie haben in der Pause berichtet…“ Das sei drei oder vier Mal in all den Vernehmungen vorgekommen, bei denen er anwesend war.
Der RA will mehr über Passagen wissen, in denen U. über Marion G. berichtete. „U. erzählt, dass G. sich in ihn verliebt hätte und er zum Schein darauf eingegangen ist.“ Der Zeuge erinnert sich. Dann fragt der RA nach mehreren Vernehmungspausen. Es sei da Mal um G. gegangen. Der Zeuge kann sich nicht erinnern, leitet daraus aber ab, dass es sich um nichts Verfahrensrelevantes gehandelt haben dürfte.
RA Stehr beschreibt U.: „Er redet viel.“ Von den vielen Sachverständigen im Verfahren habe eine gesagt, dass U. ein Gespür dafür habe, welche Dinge sein Gegenüber von ihm hören möchte. Der Zeuge widerspricht diesem Eindruck in Bezug auf die Vernehmungen. „Haben Sie direkte Botschaften gesendet, was Sie von ihm hören wollen? Zum Beispiel verdeckt beim Rauchen, unbeobachtet?“, fragt der RA nach. Michael K. bestreitet das.
Warum wird in den Vernehmungen oft betont, dass U. keinen Auftrag der Behörden hatte?
Der RA wundert sich über eine Bemerkung U.s im Verhör nach einer Pause mit Michael K. U. sage dort, er habe keinen Auftrag [von den Behörden]. Der Satz falle häufig, so der RA. Michael K. betont, er habe U. nicht gesagt, er solle sagen, dass er keinen Auftrag habe. RA Stehr bezweifelt das: „Wenn das allen klar ist, warum wiederholt man es dann so oft?“ Der Zeuge beharrt darauf, U. nie einen Auftrag erteilt zu haben. Er habe U. aber vielleicht einmal aufgefordert, das noch einmal in der Vernehmung fürs Protokoll zu sagen. RA Stehr fragt außerdem: „Ist Ihnen aufgefallen, dass U. beeinflussbar ist?“ K. erwidert, das könne er nicht beurteilen.
RA Stehr fragt nach einem Telefonat mit U. zu der Frage, wie er nach Minden [zum Treffen im Februar 2020] kommt. „Gab es da die indirekte Anweisung, dass er auf der Rückfahrt mit jemandem im Auto mitfahren soll?“ Der Zeuge verneint.
Frank H.s RA Herzogenrath-Amelung beginnt eine lange Befragung, bei der er einige Punkte erneut anspricht, die im Prozess bereits geklärt wurden – wofür er im Verlauf vom VR gerügt wird. Zuerst möchte er wissen, was der Zeuge bei seiner Aussage vom 24. Februar 2022 [63. Prozesstag] gemeint habe, als er erwähnte, dass er bezüglich des Ermittlungsstands eine „Informationspflicht nach oben“ habe. Der Zeuge nennt „vorgesetzte Dienststellen“ und zählt auf, wen er informieren müsse: seine Abteilungsleitung, den Soko-Leiter, die Amtsleitung [die Hausspitze des LKA Baden-Württemberg] sowie „in Teilen“ den Landtag und das Innenministerium – letzteres, wenn es die Bundesanwaltschaft für „legitim“ halte. Der Landtag bzw. das parlamentarische Kontrollgremium werde vom Innenministerium unterrichtet.
U.s Aussagen wurden mit Hilfe des BKAs auch im Ausland geprüft
Der RA fragt nach: „Wann wollte der LKA-Präsident was und wann wissen?“ Der Zeuge antwortet, entsprechende Verfahrensstände seien fortlaufend mitgeteilt und Führungsinformationen wöchentlich vorgelegt worden. „Das ist der Automatismus, wie wir unsere Hausspitze informieren.“
Auf Nachfragen des RA gibt der Zeuge recht einsilbig nähere Auskunft zu den Berichten: Sie stünden nicht in den Akten, da die Inhalte dort bereits erfasst gewesen seien. Er wisse auch nicht, ob die Berichte im LKA noch irgendwo zu finden sind; das müsse man den Leiter der Führungsgruppe oder der Soko fragen.
RA Herzogenrath-Amelung fragt außerdem: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gab es Kontakt zu ausländischen Behörden, um zu prüfen, ob U.s Angaben zu Anschlagsplänen im Ausland was dran ist.“ Wen man dafür angefragt habe? „Das Bundeskriminalamt“, so der Zeuge.
„Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Begriff ‚Gruppe S‘ von den Medien geschaffen worden ist?“, will der RA dann wissen. Der Zeuge bestätigt, dort den Begriff zum ersten Mal wahrgenommen zu haben. Er selbst habe den Begriff nicht gebraucht.
Geldgeberin Cornelia K. über die Äußerung ihres Freundes Werner S., er sei ein Polizeispitzel
Der RA fragt auch, ob Cornelia K. vernommen wurde. K. (60) aus München ist Werner S.‘ langjährige Freundin und Geldgeberin. Sie sagte auch bereits als Zeugin im Prozess aus. [siehe 41. Prozesstag] „Soweit ich weiß, ja“, antwortet Michael K. Der RA will bezüglich Cornelia K. auch wissen, ob der Zeuge davon gehört habe, dass Werner S. sich ihr gegenüber als Spitzel für die Polizei ausgegeben haben soll. Michael K. erwidert, davon habe er gehört, sei aber nicht bei der Vernehmung gewesen. Der RA hakt nach: „Wurde überprüft, ob das stimmt?“ Der Zeuge antwortet, das sei eine interessante Information gewesen, hätte das Ermittlungsverfahren aber nicht beeinflusst. Der RA kann das nicht nachvollziehen. Michael K. antwortet nun anders: Er könne sich nicht vorstellen, dass dieser Punkt nicht geprüft worden sei. Er habe aber nicht alle über 200 Stehordner im Kopf, also könne er nicht genau sagen, wer sich darum kümmerte. RA Herzogenrath-Amelung nagelt Michael K. fest: „Hätte das überprüft werden müssen?“ Dieser antwortet: „Ja.“
Eine von U.s Phantasien? Der angeblich geplante rechte Doppelschlag im September 2019
Nun wendet sich RA Herzogenrath-Amelung einem anderen Thema zu: einer Aussage von Paul-Ludwig U. gegenüber der Hessener Polizei, laut der Rechte für September 2019 einen „Doppelschlag“ aus Deutschland und Frankreich planten. Der Zeuge kommentiert, das habe man nicht verifizieren können. Das sei ja auch nicht eingetreten. Der RA merkt an, dass das Polizeipräsidium Hessen U.s Glaubwürdigkeit mit technischen Maßnahmen überprüft habe. Der Zeuge vermutet, das könne nur verdeckt geschehen sein. Darüber hätten sie sich mit Hessen nicht ausgetauscht, das sei schließlich ein anderes Bundesland. Der RA findet das „komisch“, da man sich doch mit derselben Sache befasste. Der Zeuge beharrt jedoch auf seiner Aussage.
Anschließend fragt der RA: „Ist Ihnen bekannt, dass Paul-Ludwig U. Geldzuwendungen bekommen hat? War das Cash?“ Der Zeuge verneint und will wissen, von wem U. Geld bekommen haben soll. Der RA fragt: „Können Sie das ausschließen?“ Der Zeuge bleibt vage: „Es ist mir nicht bekannt.“
Der RA fragt auch bei einem weiteren Punkt, ob U.s Angaben vom LKA überprüft wurden: die Behauptung, dass nach Minden ein ehemaliger Personenschützer des BKA eingeladen sei. Der Zeuge bejaht: Es habe Anhaltspunkte dafür gegeben, dass einzelne Personen Schutzaufgaben übernommen hätten, und dass Personen sich als ehemalige Fremdenlegionäre ausgegeben hätten. Der RA will wissen, wer damit gemeint sei. Der Zeuge nennt Thorsten K. Die Frage des RA, ob er wisse, dass Thorsten K. für staatliche Stellen oder den Verfassungsschutz tätig gewesen sein soll, verneint der Zeuge. Hier schaltet sich der VR ein und fordert den RA auf, den Zeugen nicht in die Irre zu führen und gesichertes Wissen als bloßes Gerücht darzustellen; es gebe dazu einen Vorgang beim bayerischen LKA in den Akten.
Hatte Werner S. eine Waffe, die zuvor ein Polizeiasservat war?
Der RA wendet sich daraufhin dem 8. Februar 2020 zu, dem Tag, an dem sich die „Gruppe S“ in Minden traf und dabei überwacht wurde. Dass damals laut Michael K. 20 bis 30 LKA-Beamte in der Einsatzzentrale in Fellbach waren, hält der RA für viel. „Gab es die Annahme, dass U. in Gefahr gerät?“ Der Zeuge sagt, das sei bei der Einsatzplanung berücksichtigt worden. Ein sofortiges Einschreiten hätte nötig werden können, zum Beispiel bei einer körperlichen Auseinandersetzung oder einer Waffenübergabe. Davon sei man zwar nicht ausgegangen, man habe es aber auch nicht ausschließen können.
Auch zu der Schusswaffe, die man bei Werner S. fand, hat der RA Fragen: Ob ermittelt wurde, woher S. die Waffe hatte. Sie sei ja zuvor einmal als Asservat bei der Polizei gewesen, so der RA. Der Zeuge erwidert, das müsse man die Spurensachbearbeiter fragen.
RA Herzogenrath-Amelung erkundigt sich, ob der Zeuge während der Operation von einem Foto vom Hummelgautsche-Treffen erfahren habe, das U. mit Schulterhalfter und Pistole zeigt. Der Zeuge sagt, daran könne er sich nicht erinnern. Weiter fragt der RA, ob das eine scharfe Waffe sein könnte. Der Zeuge kann das zumindest nicht ausschließen. Auf Nachfrage sagt er, er wisse nicht, ob die Fotos mit denen von der Heidelberger Kontrolle verglichen wurden, um herauszufinden, ob die Waffe dieselbe war.
Bezüglich des Hummelgautsche-Treffens wundert sich der RA darüber, dass das Mobile Einsatzkommando in seinem Einsatzbericht Schießübungen, eine scharfe Waffe von Werner S. oder Schüsse mit Pfeil und Bogen nicht erwähnte. Der Zeuge mutmaßt, dass das vielleicht am Standort der MEK-Beamten liegen könnte.
„Fasst jede Angabe von U. hat sich durch technische Maßnahmen bestätigt“
„Wie haben Sie die Glaubwürdigkeit von Paul-Ludwig U. allgemein beurteilt?“, will der RA außerdem wissen. Der Zeuge sagt, das hätte er gar nicht gekonnt. „Aber fast jede Angabe, die Herr U. bei uns gemacht hat, hat sich durch technische Maßnahmen bestätigt.“ Der RA erkundigt sich: „Hatten Sie den Eindruck, dass sich U. subjektiv in Gefahr wähnt?“ Der Zeuge bejaht: „Er hat mehrfach angegeben, dass er sich unwohl fühlt, dass es ihm zu heiß wird.“ Das habe er U. geglaubt. Man habe, wie bei zeugenschutzähnlichen Maßnahmen üblich, eine Gefahrenanalyse durchgeführt. Der RA hakt nach: „Was sind zeugenschutzähnliche Maßnahmen?“ Der Zeuge erklärt, er sei kein Experte, aber wisse, dass es dafür hohe Hürden gebe. „Die Maßnahmen wurden ergriffen, nachdem U. von uns in Mosbach abgeholt wurde. Kurz nach Beginn der offenen Maßnahmen [Festnahmen, Durchsuchungen].“
Der RA interessiert sich für den Kontakt zur Bundesanwaltschaft. Auf Fragen gibt der Zeuge an, er sei drei Mal in Karlsruhe gewesen und habe sich mit Frau Zacharias, Frau Bellay und Frau Maslow jeweils mehrere Stunden lang über die Ermittlungen ausgetauscht. [Vielleicht wurden an dieser Stelle weitere Namen genannt, die nicht protokolliert wurden.] Über Paul-Ludwig U.s Rolle hätten sie dort nicht gesprochen. „Kurios“, kommentiert der RA. „Wurden die Gespräche dokumentiert?“ Der Zeuge antwortet: „Wenn es Aufträge gab, dann habe ich Notizen gemacht.“
Laut Michael K. keine technischen Schutzmaßnahmen oder Interventionskräfte in Minden
Nach dieser letzten Frage von RA Herzogenrath-Amelung übernimmt Tony E.s zweiter RA Hofstätter und will wissen, wie sich Michael K. und seine Kollegin S. bezüglich der Zuständigkeit für Paul-Ludwig U. abgestimmt hätten. K. erklärt, Frau S. habe die Vernehmungen durchgeführt, er habe daran teilgenommen und ergänzende Fragen gestellt. U. habe beide bei Bedarf anrufen können. Für U.s Schutz seien sie nicht zuständig gewesen.
RA Hofstätter fragt, wie U.s Sicherheit beim Treffen in Minden am 8. Februar 2020 gewährleistet wurde – beispielsweise mittels technischer Schutzmaßnahmen wie einer Verkabelung. Michael K. erklärt: „Es gab weder technische Schutzmaßnahmen noch Interventionskräfte vor Ort.“ Der Plan sei gewesen, dass U. sie bei Bedarf anrufen sollte, dann hätten sie spontan je nach Situation reagiert.
Anschließend bezieht sich RA Hofstätter auf die CO2-Waffe, die die Bundespolizei U. am Bahnhof Heidelberg abnahm. „Aus einem Telefonat von U. ist uns bekannt, dass er angekündigt hat, Unterlagen zur Waffe ans LKA zu schicken.“ Der Zeuge erklärt: „Bei mir kam nichts an.“ Der RA fragt weiter: „Sie haben einige Mails von U. bekommen. Sind die nicht beantwortet worden?“ Michael K. erwidert, er habe sie „zur Kenntnis genommen“ und sie bearbeitet, wenn sie „für den Sachverhalt brauchbar waren“.
Der RA deutet an, der Zeuge habe Problematisches mit U. verschleiert und nicht am Telefon besprochen, weil er wusste, dass U. abgehört wurde. Der Zeuge widerspricht: Wenn er mit U. etwas nicht am Telefon besprochen habe, dann aus dem Grund, dass die Themen „Gegenstand von Vernehmungen sein sollten, und wir keine informelle Kommunikation aufbauen wollten“.
Zeuge sagt, ihm fehle die Expertise zur Unterscheidung von Quelle, V-Person und Informant
„Was war U. für Sie“, will der RA wissen. „Keine Quelle, keine V-Person, kein Informant? Welche Voraussetzungen für eine V-Person haben bei U. gefehlt? Und welche Voraussetzungen für einen normalen Zeugenschutz haben bei ihm gefehlt?“ Michael K. erwidert, er habe für diese Fragen nicht die nötige Expertise. Bezüglich der Rolle als V-Person, Informant oder Quelle habe man ihm gesagt, das sei rechtlich nicht möglich.
Der RA fragt weiter: „Haben Sie sich in irgendeiner Form für U. verantwortlich gefühlt? Hatten Sie eine Fürsorgepflicht?“ Der Zeuge verneint. Er habe sich nur in der Pflicht gesehen, ein Gespräch zu organisieren, wenn U. Redebedarf hatte. RA Hofstätter kommentiert, das verwundere ihn, und nennt als Beispiel das Mindener Treffen am 8. Februar 2020, das so gefährlich gewesen sei, dass sogar das SEK vor Ort war. „Da verspüren Sie keine Fürsorgepflicht, wenn Sie den Mann freiwillig da hineinlassen, der sich Ihnen gegenüber seit Wochen und Monaten offenbart hat? Keine präventive Verantwortung?“ Der Zeuge erklärt, man habe natürlich „Gefahrenmomente minimiert“.
Zeuge darf nicht detailliert über Polizeimaßnahmen beim Mindener Treffen aussagen
Er führt aus, er sei kein Entscheidungsträger gewesen. Welche Maßnahmen vor Ort getroffen wurden, dürfe er nicht sagen. Man habe sich auf verschiedene Szenarien vorbereitet. Das interessiert den RA. „Was war Ziel der Leute vor Ort? Observation, oder gab es eine schnelle Eingreiftruppe?“ Der Zeuge beruft sich auf seine Aussagegenehmigung.
RA Hofstätter fragt, was Paul-Ludwig U. nach Ansicht des Zeugen vorgeworfen wurde. Dieser antwortet: die Mitgliedschaft in der „Gruppe S“. Der RA fragt nach, ob U. aus Sicht des Zeugen als Mitglied der Gruppierung nach Minden gefahren sei. Der Zeuge bejaht. Der RA bezieht sich auf eine Einschätzung des Senats im vergangenen Sommer, der mittlerweile davon ausgeht, dass die „Gruppe S“ erst beim Treffen in Minden gegründet wurde. In diesem Fall, so der RA, wäre U. nach Minden gefahren, um eine terroristische Vereinigung zu gründen oder zu unterstützen. OStAin Bellay erhebt Einspruch, da es sich hier um eine rechtliche und keine tatsächliche Wertung handle.
Der RA bezieht sich nun auf Formulierungen U.s beim Treffen in Minden und will damit offenbar auf eine mögliche Rolle U. als Agent Provocateur hinaus: „Wir müssen Moscheen machen“, „Maschinengewehre, die von einer Decke geschmissen werden wie Handgranaten“, „Aus kleinen Kanaken werden auch große“ sowie das Angebot, Moscheen auszukundschaften. Er fragt den Zeugen: „Gehen Sie davon aus, dass U. in Minden eine Vereinigung unterstützen und Pläne schmieden wollte? Oder gehen Sie davon aus, dass er Leute vor Ort lediglich provozieren wollte?“ Der Zeuge antwortet: „U. hat uns mehrfach mitgeteilt, dass er solche Aussagen tätigt, um seine Legende [hier zeigt der Zeuge mit den Fingern Anführungszeichen] zu stützen.“