Prozesstag 69: Frank H.s Aussagen bei der Polizei: „Keine terroristischen Gedanken“

Am 24. Mai 2022 wurde der Kriminalkommissar Kevin G. (30) vernommen, der am 14. Februar 2022 bei der Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten Frank H. in München beteiligt war und ebenso an der folgenden ersten Vernehmung. In H.s Wohnung fand die Polizei unter anderem eine Shotgun, fünf Messer, mehrere Schlagwaffen und eine Armbrust sowie 3.400 Euro Bargeld. Anschließend sagte Frank H. in einer rund fünfstündigen Vernehmung aus – nach Eindruck des Zeugen, um die Vorwürfe abzustreiten. So sagte H. beispielsweise: „Ich habe keine terroristischen Gedanken. Ich mag zwar die Grünen nicht, ich würde denen aber nie etwas tun.“ H. berichtete, er habe Werner S. 2016 bei den „Soldiers of Odin“ kennengelernt; der Kontakt sei 2019 intensiver gewesen. Er habe S. eigentlich gemocht, aber dieser sei ihm „zu radikal“ gewesen: „Er wäre schon für einen Bürgerkrieg.“ Bezüglich des Treffens in Minden 2020 sagte H. der Polizei, er selbst habe die Idee eingebracht, man könnte Moscheen anzünden. Das sei gut angekommen, aber nicht konkretisiert worden. Als es um die Waffenbeschaffung ging, habe er zwar grundsätzlich erzählt, er kenne in Tschechien einen potenziellen Verkäufer. Als Werner S. ihn konkret gebeten habe, Waffen zu besorgen, will Frank H. allerdings nicht reagiert haben – ein Widerspruch zu den Schilderungen mehrerer Mitangeklagter.

Hinweis: Der Protokollant war durch eine Verspätung erst ab 9.30 Uhr im Gerichtssaal. Die Verhandlung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen.

Kevin G. hatte am 14. Februar 2022 mit seinen Kollegen Sch. und W. bei Frank H. die Hausdurchsuchung geleitet und im Anschluss eine Vernehmung durchgeführt. Danach waren die Beamten aus Baden-Württemberg bis August als Dreier-Team aktiv. Er habe sich, so G., vorher durch Briefings der Ermittlungsgruppe unter Kriminalhauptkommissar L. über den Fall informiert.

Der Vorsitzende Richter (VR) will wissen, wann nach dem Treffen der „Gruppe S“ in Minden am 8. Februar klar gewesen sei, dass es am 14. Februar eine Vielzahl an Durchsuchungen geben sollte. G. antwortet, dass das klar gewesen sei, nachdem Paul-Ludwig U. sich aus Minden gemeldet und berichtet habe, was besprochen worden sei. Der eigentliche Durchsuchungsbeschluss vom Generalbundesanwalt (GBA) sei erst recht spät gekommen. Zeuge G. gibt an, er habe den Beschluss am Vorabend der Durchsuchung überflogen.

Entscheidung für die Haft fiel erst am Morgen der Razzia

Die Besetzung des Dreierteams Sch., W. und G. für die Durchsuchung bei Frank H. sei erst am Mittwoch oder Donnerstag [also ein bis zwei Tage vor der Razzia] beschlossen worden. In der vorigen Besprechung habe man vereinbart, unter anderem Handys und Waffen zu suchen, sowie mögliche Gegenstände, die auf die Gründung einer terroristischen Vereinigung hinweisen könnten. Sie seien mit zwei Fahrzeugen am Donnerstag, 13. Februar, nach München gefahren. Er sei die Person mit der größeren Verfahrenskompetenz gewesen, da er in einem polizeilichen Bericht schon am 9. Februar 2020 von Frank H. erfahren habe. Der Zeuge erklärt, er habe im Auto den Kollegen W. informiert, dass sich da Personen aus dem rechten Spektrum getroffen hätten etc. Später habe er auch den Kollegen Sch. informiert. Es habe noch eine Besprechung mit den bayrischen Kollegen gegeben, auch zur Abstimmung mit den Spezialkräften.

Für den Einsatz habe es ein Asservierungs-Schema und einen Handleitfaden für die Vernehmung, einen Fragenkatalog, gegeben. Eine Vernehmung sei geplant gewesen, falls der Beschuldigte sich einlassen wollte. Anfangs sei noch nicht klar gewesen, dass die Beschuldigten verhaftet werden sollten.

Torsten L. sei SoKo-Leiter und am 14. Februar Ansprechpartner für Fragen, Herr G. Hauptsachbearbeiter und Frau S. die Ermittlungsführerin gewesen. Der Objektverantwortliche bei der Hausdurchsuchung sei Heiko Sch. gewesen, weil er mehr Erfahrungen mit Durchsuchungen gehabt habe.

„Eine klassische 6-Uhr-Maßnahme“

Der Zeuge bezeichnet die Razzia bei Frank H. vom Ablauf her als „eine klassische 6-Uhr-Maßnahme“. Man habe sich gegen halb sechs beim Untersuchungsobjekt getroffen. Zuerst sei das SEK angerückt. Durch die Einwohnermeldeauskunft sei klar gewesen, dass in der Wohnung noch H.s Ehefrau und der Sohn lebten.

Zuerst habe das SEK die Wohnung gesichert, anschließend habe man sie durchsucht. Kevin G. sagt aus, er selbst sei Schriftführer gewesen, Sch. habe die Durchsuchung geleitet, und sein Kollege W. habe fotografiert: Übersichtsaufnahmen, die Schäden durch das SEK und bestimmte Gegenstände. Beim Betreten der Wohnung habe Frank H. auf dem Wohnzimmer-Sessel mit auf dem Rücken gefesselten Händen gesessen. Neben H.s Bett habe ein „gepackter Fluchtrucksack“ gelegen. An der Garderobe habe man Kleidung der „Wodans Erben Germanien“ gefunden.

Die Kommunikation mit Frank H. habe der Kollege Sch. übernommen. G. selbst habe Skizzen von der Wohnung angefertigt.

Schusswaffen, Schlagwaffen, Messer und viel Bargeld

Ein Kollege habe ihm später mehrere Gegenstände gereicht, die G. mit Auffindeort notiert habe. Insgesamt hätten sie 63 Gegenstände sichergestellt. Im Gerichtssaal werden die Asservatenliste sowie Fotos der einzelnen Asservate an die Wand projiziert. Zu sehen sind unter anderem:

  • Teetasse mit 1.500 Euro
  • Briefumschlag mit 1.900 Euro
  • CO2-Shotgun vom Typ „HDS 68“ – Hierzu merkt der Zeuge an, dass man sie im Wohnzimmer in der Verpackung gefunden habe.
  • Baseballschläger, Schlagstock
  • Fünf Messer, darunter zwei Jagdmesser mit über 15 Zentimeter Klingenlänge sowie ein Wurfmesser und ein weiteres Jagdmesser
  • Machete
  • Pistolenarmbrust, eine weitere Armbrust, Armbrust-Pfeile
  • T-Shirt der „Wodans Erben Germanien“
  • Dose mit Karbid [ein Gift, das unter anderem gegen Mäuse eingesetzt wird]
  • Doppelaxt
  • Lieferschein von bogensportwelt.de von 2017 über Bolzen und 100 Stahlkugeln

Frank H.s Rechtsanwalt (RA) Herzogenrath-Amelung weist darauf hin, dass die Gegenstände zum größten Teil erlaubnisfrei seien.

„Ich mag zwar die Grünen nicht, ich würde denen aber nie etwas tun.“

Anschließend widmet sich der VR in seiner Befragung der Vernehmung von Frank H. Diese habe, so Kevin G., unter seiner Leitung in der Polizeidirektion München stattgefunden, nachdem sich Frank H. dazu bereit erklärt habe. Man habe die Durchsuchung laut Akte 10.40 Uhr beendet; die Vernehmung habe von 13.39 bis kurz nach 19:00 Uhr gedauert. Während der Vernehmung sei er immer wieder angerufen und nach Zwischenergebnissen gefragt worden, die er dann auch übermittelt habe.

Der Zeuge erinnert sich, dass die Vernehmung anfangs oberflächlich gewesen sei. Irgendwann habe er aber das Gefühl gehabt, „jetzt geht es Richtung Haft“. Die Fragen und die meisten Antworten seien wortwörtlich protokolliert worden. Frank H. sei mehrfach Essen angeboten worden, er habe jedoch nicht angenommen. Eingangs habe es eine Belehrung gegeben, aber der Vorwurf, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein, sei nicht weiter ausgeführt worden. Frank H. habe Angaben gemacht, weil er den Vorwurf habe ausräumen wollen. Der VR zitiert eine Stelle aus dem Vernehmungsprotokoll: „Ich habe keine terroristischen Gedanken. Ich mag zwar die Grünen nicht, ich würde denen aber nie etwas tun.“

Frank H.s Vorstrafen: Zweifache Vergewaltigung mit Freiheitsberaubung

Weiter berichtet der Zeuge über Frank H.s Lebenslauf: H. habe angegeben, eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner gemacht zu haben, seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern geleistet zu haben und als Maschinenführer zu arbeiten. H. habe auch seine Vorstrafen erwähnt. Er sei wegen zwei Vergewaltigungen mit Freiheitsberaubung zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, von denen er sieben Jahren abgesessen habe. Die Taten habe H. mit einer durch Medikamente verursachten schwierigen Phase erklärt. Nach einer ersten Ehe habe H. 2001 seine zweite Ehefrau kennengelernt und geheiratet, die einen einjährigen Sohn mit in die Ehe gebracht habe.

In der Vernehmung habe Frank H. auch vom Motorradfahren und von Prepper-Techniken als Hobby sowie von seinem Interesse für nordische Mythologie berichtet. An diesem Punkt habe der Kollege W. nachgefragt und sei bei H. auf geringes Wissen über die nordische Mythologie getroffen. Auch habe man bei der Hausdurchsuchung nichts in diese Richtung gefunden.

Frank H., Werner S. und die „Soldiers of Odin“

Nun widmet sich der Zeuge der politischen Organisierung H.s. Dieser habe angegeben, dass er 2016 durch Werner S. zu den „Soldier of Odin“ (SoO) gekommen sei. S. sei dort „Sergeant at Arms“ gewesen. Beide hätten mit Ohrfeigen („Watschen“) in einen Konflikt interveniert und sich so kennengelernt. H. habe Werner S. allerdings nur als „Teutonico“, „Giovanni“ und „Werner Schmidt“ gekannt.

In der Vernehmung habe H. die SoO relativiert und sie zuerst als Camping-Gruppe dargestellt. Man habe Spaziergänge durchgeführt, weil man nicht habe wegschauen wollen. Gleichzeitig habe H. von Konfrontationen der „Wodans Erben Germanien“ (WEG) mit „der Antifa“ berichtet. H. habe auch ein SoO-Treffen am Wolfssee 2018 erwähnt, bei der sich die Gruppe gespalten habe: Der ruhigere Teil sei bei den SoO geblieben, der radikalere Teil habe die WEG gegründet. Die WEG in Bayern habe 30 Personen umfasst. H. sei der Präsident gewesen. Vom WEG-Gesamtverbund sei Thomas L. aus Konstanz der „National Leader“ gewesen, dessen Frau Daniela K. Vizechefin. Ein Tom B. habe die Sektion Sachsen-Anhalt gegründet.

An den Spaziergängen der WEG hätten 2 bis 20 Personen teilgenommen. Frank H. habe die Gruppe als nationalistisch bezeichnet, aber behauptet, auch Ausländer seien willkommen. Sie seien kein Haufen von Deutschtümlern. Einmal habe man eine Spendensammlung für ein Obdachlosenheim in Würzburg veranstaltet, und die Antifa habe interveniert.

Frank H.: Werner S. war „zu radikal“ und „für einen Bürgerkrieg“

Frank H. habe ausgesagt: „Dieses gegenseitige Helfen, außerdem Zusammenhalt, das Achtgeben auf Frauen und Kinder“, sei es, was ihn so sehr an der Gruppe gefallen habe. „Wichtig waren für uns Frauen, Kinder und Schwache“, habe H. ihm gegenüber erklärt. Er, Kevin G., habe das als Schutzbehauptung verstanden. [Im Gerichtssaal: Frank H. regt sich auf.] Weiter habe H. berichtet, die WEG hätten Kontakt zur „Bruderschaft Deutschland“, zum „Bund Deutscher Patrioten“ und zum „Freikorps Heimatschutz“ gehabt.

H. habe laut eigener Aussage Kontakt zu Ralf N. [„Bruderschaft Deutschland“] – den er zuletzt am 3. Oktober 2019 in Berlin getroffen habe – und wöchentlich zu Daniel K. [„Bündnis Deutscher Patrioten“] gehabt, der auch an Camping-Lagern teilgenommen habe. Beim „Freikorps“ habe er Kontakt zu Tony [E.] gehabt. Der Kontakt zu Werner S. sei 2016 entstanden und ab Sommer 2019 intensiver geworden, habe Frank H. erzählt. Er habe S. gemocht, aber dieser sei ihm „zu radikal“ gewesen: „Er wäre schon für einen Bürgerkrieg.“

Der VR fragt den Zeugen, ob Frank H. etwas zum Unterschied zwischen der „Bruderschaft Deutschland“ und den WEG gesagt habe. Frank H. meinte, so Kevin G., dass die „Bruderschaft“ eher eine Bürgerwehr sei und Konfrontation suche, wohingegen die WEG weniger radikal sei. Der Zeuge merkt hier an, seinem Gefühl nach habe sich Frank H. im Verhör „klein gemacht und verharmlost“.

H. schreibt sich die Idee von Minden zu, Moscheen anzuzünden

Nun thematisiert der Zeuge das Treffen der „Gruppe S“ in Minden. Darüber habe Frank H. ausgesagt, er sei mit Marcel W. im Auto dorthin gefahren und dann von einem Parkplatz zu Fuß gemeinsam mit Tony E. und Werner S. zum Haus von Thomas N. gegangen, wo das Treffen um 12.30 Uhr begonnen und bis 16.30 Uhr gedauert habe. H. habe erzählt, er habe sich mit dem Gastgeber N. über das Thema „Entnazifizierung“ unterhalten. Werner S. und Tony E. seien die Initiatoren des Treffens gewesen. Der „treibende Keil“ sei S. gewesen, dieser habe die anderen Teilnehmer vermutlich auch eingeladen. Frank H. habe in der Vernehmung ausgesagt, dass sich elf Personen getroffen hätten.

Beim Treffen habe laut Frank H. jemand gefordert, man müsse „Unruhe ins Land bringen“ – wer das gesagt haben soll, habe H. nicht mehr gewusst. H. habe über sich selbst gesagt, er habe beim Treffen eingeworfen, es würde reichen, Moscheen anzuzünden, um Muslime gegeneinander aufzubringen. Die Idee sei gut angekommen, aber nicht konkretisiert worden.

Der VR zitiert aus dem Vernehmungsprotokoll: „Aber es kam hoch, dass man den einen oder anderen Politiker wegräumen möchte.“ Frank H. habe berichtet, schon bei der Anfahrt nach Minden das Gefühl gehabt zu haben, dass „etwas in dieser Art“ [Gewalt] besprochen werden könnte. Einige in der Gruppe hassten H. zufolge Ausländer; um solche Gruppen mache H. jedoch laut eigener Aussage einen Bogen, da seine Frau Thailänderin sei.

Frank H. bestreitet, die Waffenbeschaffung zugesagt zu haben

Weiteres Thema in Minden sei die Waffenbeschaffung gewesen. An diesem Punkt zog sich Frank H. im Verhör laut dem Zeugen darauf zurück, lediglich geprahlt und sich dann um eine konkrete Zusage für die Beschaffung gedrückt zu haben: Werner S. habe abgefragt, wer eine Waffe wolle. H. selbst habe angeboten, mit dem Motorrad nach Tschechien an einen Moldau-Stausee zu fahren. Er kenne dort jemanden, dem er Waffen abkaufen könne. Als Werner S. H. konkret danach gefragt habe, ob er Waffen besorgen könne, habe Frank H. laut eigener Aussage nicht reagiert. Am Ende des Mindener Treffens sei klar gewesen, dass weitere Treffen nötig seien, aber man habe keinen neuen Termin vereinbart.

Bezüglich des vorangegangenen Treffens an der Hummelgautsche bei Alfdorf habe H. ausgesagt, man habe einen Wald- und Orientierungslauf geplant, aber der Experte dafür sei nicht oder zu spät gekommen. Dann habe man mit Pfeil und Bogen geschossen. Werner S. habe eine echte Waffe abgefeuert.

Der VR fragt, wie es nach dem Ende der Vernehmung um 19.11 Uhr weitergegangen sei. Der Zeuge antwortet, er habe das 14-seitige Protokoll ausgedruckt und dem Beschuldigten zur Korrektur vorgelegt. H. habe das Protokoll offenbar Zeile für Zeile durchgelesen und Korrekturen gemacht. [Der VR zeigt in einer Präsentation Seiten der ausgedruckten Vernehmung, auf denen handschriftliche Korrekturen und Änderungen zu sehen sind.] Der Zeuge merkt an: Schon vor Ende der Vernehmung, gegen 18 Uhr, sei klar gewesen, dass der Beschuldigte in Haft bleiben solle. Insgesamt habe H. auf ihn den Eindruck gemacht, Aussagen nach der Salamischeiben-Taktik zu machen.

An dieser Stelle unterbricht der VR die Vernehmung und kündigt an, am kommenden Prozesstag den Zeugen zum Thema Facebook-Recherche zu befragen.

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