Am 49. Prozesstag gegen die „Gruppe S“ am 9. Dezember 2021 berichtete der Angeklagte Marcel W. aus Pfaffenhofen in einer Einlassung über seine Aktivitäten für „Wodans Erben“, aber auch über das Treffen der „Gruppe S“ am 8. Februar 2020 in Minden und seine Verhaftung am 14. Februar. Er stellte sich und die „Erben“ als harmlos dar. W. räumte ein, dass beim Treffen an der Hummelgautsche im September 2019 über einen Anschlag auf ein „Asylantenheim“ gesprochen worden sei, allerdings nur von Marion G. und Paul-Ludwig U.; alle anderen hätten den Plan für „schwachsinnig“ gehalten. Bezüglich des Treffens in Minden 2020 behauptete W., er sei davon ausgegangen, dass man dort „lediglich“ Angriffe auf die Antifa planen würde. Paul-Ludwig U. habe Anschläge auf Moscheen ins Gespräch gebracht, und außer Werner S. seien alle schockiert und überfordert gewesen. W. behauptete, er habe sich gegen diese Pläne ausgesprochen – was einer Aussage W. widerspricht, die er auch zugab: „Wenn so etwas [ein Anschlag], dann erst in ein bis zwei Jahren.“ Als man in Minden über Waffen gesprochen habe, so W., habe er sich von U. gedrängt gefühlt, eine zu bestellen, aber aber dennoch abgelehnt, weil er bereits eine Pistole inklusive Munition gehabt habe. Auf der Rückfahrt von Minden nach Bayern habe er mit Frank H. vereinbart, die Gruppe bald zu verlassen.
Der Prozess beginnt mit dem Erlass einer Verfügung durch den Vorsitzenden Richter (VR), wonach den Verteidigern des Angeklagten Tony E. gestattet wird, in sämtliche Beiakten Akteneinsicht zu nehmen, auch in zukünftig herangezogene. [Den Antrag hatte die Verteidigung am vergangenen Prozesstag gestellt.] Es gebe 253 Aktenbände plus 17 Gerichtsakten; insgesamt seien im Aktenbestand 283 Akten.
Marcel W.s Rechtsanwalt (RA) Picker gibt bekannt, dass sein Mandant – nachdem er bereits zu seiner Person ausgesagt habe – nun auch zur Sache aussagen werde. Dessen Einlassung gliedere sich in vier Abschnitte.
1. „Wodans Erben“
2. Das Hummelgautsche-Treffen
3. Das Treffen in Minden am 8. Februar 2020
4. Die Zeit nach Minden bis zur Festnahme
Sein Mandant werde auch Angaben zu den Chatgruppen „Heimat“ und „Tutto Ramazzotti“ machen.
1. „Wodans Erben“
Marcel W. erzählt, dass er nach einem versuchten Übergriff durch Schwarze auf seine Frau bei einer Online-Recherche auf „Wodans Erben Germanien“ (W.E.G) gestoßen sei. Die Gruppe habe ihn begeistert. Es sei ein Kennlerntreffen in München vereinbart worden, bei dem er Frank H. kennengelernt habe. Die „Wodans Erben“ seien unpolitisch; unter den Mitgliedern fänden sich Ausländer, Muslime und Serben, „quer durch das Gemüsebeet“. Der erste Spaziergang der Gruppe sei dann nicht so glücklich verlaufen. [Die Gruppe drang am 9. Februar 2019 in eine Geflüchtetenunterkunft ein.] Das Gebäude sei als Flüchtlingsunterkunft erkennbar gewesen, aber es habe keinen ersichtlichen Zaun gegeben. Sie seien hineingegangen und hätten angefangen, Fotos zu machen. Die Bewohner hätten sich nicht bedroht gefühlt.
Bei W.E.G sei es verboten gewesen, wild irgendwo hinzurennen und Leute zu verprügeln. Bei Straftaten solle man die Polizei rufen oder den Straftäter festhalten. Es sei aber nie zu so einem Fall gekommen. Man habe versucht, sich sozial zu engagieren. Leider seien sie von ihren Spendenadressaten abgelehnt worden, „weil wir angeblich so böse waren“.
Auf Nachfrage von RA Picker behauptet Marcel W., nicht gewusst zu haben, dass der Verfassungsschutz die W.E.G als „rechtsextrem“ einstuft. RA Picker erkundigt sich, was die W.E.G nach dem „Asylanten-Hausbesuch“ unternommen hätten. Marcel W. gibt an, es habe gelegentliche Treffen gegeben. Man habe Spaziergänge und Zelt-Wochenenden für Mitglieder veranstaltet. In Gesprächen mit Frank H. habe er erstmals vom Preppen gehört. Dabei gehe es nicht um Bürgerkrieg, sondern um Stromkollaps. H. habe ihm von Leuten erzählt, die ein Prepper-Kollektiv aufbauen würden, und gefragt, ob er Interesse habe. Er habe ja gesagt. Seine Frau und er seien neben Google-Scouts auch Wanderer und hätten eine Website für Outdoor-Kochen. Deswegen habe auch sie sich fürs Preppen interessiert.
2. Das Hummelgautsche-Treffen
Am 28. September 2019 seien er und Frank H. zum zweitägigen Treffen an der Hummelgautsche gefahren. Dort habe er Werner S. das erste Mal getroffen. Schon bei der Vorstellungsrunde sei ihm Paul-Ludwig U. negativ aufgefallen. Er habe jeden aufgefordert, seinen Namen zu googeln, und erzählt, er habe 20 Jahre unschuldig im Knast gesessen und Klage gegen den Staat eingereicht. Er werde sich wegen des Maßregelvollzugs rächen. U. habe erzählt, dass er „dann hingeht und Leute umbringt“.
Er, W., habe sich mit Werner S. unterhalten und erklären lassen, was dieser vorhabe. S. habe geschildert, dass er versuche, ein Netzwerk von Prepper-Gemeinschaften aufzuziehen, und Survival-Kurse plane. S. habe auch von einem Fremdenlegionär erzählt, der solche Kurse durchführe, und von einem ehemaligen LKA-Beamten, der Selbstverteidigungskurse anbiete.
Frank H. sei auf Paul-Ludwig U. zu sprechen gekommen: U. sei gefährlich, „weil er einen an der Murmel“ habe. Später habe Werner S. gesagt, dass der geplante Waldlauf ausfalle, da jemand nicht kommen könne. Im Laufe des Abends sei Marion G., die sich für U.s Geschichte interessiert habe, an der Hummelgautsche angekommen. Sie habe mit U. über „Kinderflitzebogen“ gesprochen. G. habe gesagt, man könne auf ein „Asylantenheim“ schießen. Man habe sich über sie lustig gemacht, „weil das völliger Schwachsinn war“. Sie seien nie alle auf einem Fleck gewesen, jeder habe mal mit jedem gesprochen. Abends habe es wieder Gespräche gegeben. Er habe mit Michael B. gesprochen.
„Ich würde auch mit Ihnen kämpfen“
RA Picker fragt seinen Mandanten, ob er ungewöhnliche Waffen gesehen habe. Marcel W. antwortet: „Außer Äxte und Macheten nicht.“ Dann berichtet er weiter über den Ablauf des Tages. Bevor die ersten Teilnehmer abgereist seien, sei einer auf die Idee gekommen, für ein Gruppenfoto mit Sturmhauben zu posieren. Das sei ihm zu blöd gewesen, weil es nichts mit Preppen zu tun habe. [Er ist aber auf diesen Fotos zu sehen.]
Über die Gespräche des Abends sagt Marcel W. aus, Thomas N. habe mit seinem Lieblingsthema „Entnazifizierungskram“ angefangen. W. selbst habe mit Werner S. und Frank H. gesprochen. Frank H. habe Paul-Ludwig U. als „gestört“ bezeichnet. Werner S. habe entgegnet, U. sei liebenswert, müsse aber eingegrenzt werden.
Weiter sagt Marcel W. aus, er habe später am Abend noch einen Spendenaufruf weitergegeben, dem Werner S. und Tony E. dankenswerterweise nachgekommen seien, obwohl sie W. selbst und auch den Spendenempfänger nicht gekannt hätten. Über die beiden sagt er daher: „Das sind gute Menschen.“ Diese Spende führt W. auch als Grund für seine Chatnachrichten an, in denen er schrieb, dass er Seite an Seite mit ihnen kämpfen würde. Dieses Versprechen erneuert er im Gerichtssaal an den VR gewandt: „Ich würde auch mit Ihnen kämpfen.“
Kein Vertrauen in den Staat
RA Picker fragt, ob W. bei dem Treffen an der Hummelgautsche Kleidung von „Wodans Erben“ anhatte. Marcel W. bestätigt das; er habe einen Kapuzenpullover mit der Aufschrift „Wodans Erben“ getragen.
Weiter fragt RA Picker, ob W. kein Vertrauen in den Staat habe. W. erwidert, er vertraue dem Staat nicht, der Polizei hingegen schon. Er empört sich, dass zugelassen worden sei, dass „Leute [Migrant*innen] unkontrolliert reinkommen“. Wenn es ein deutsches Opfer gebe, würden sich die Politiker*innen nicht entschuldigen. Er erwähnt die sexualisierte Gewalt in der Silvesternacht in Köln. „Obwohl mir bewusst ist, dass nicht jeder Flüchtling so ist.“ Er habe einige „Ausländer“ als Elternbeirat und auf der Arbeit auf dem Bau kennengelernt. Die „Ausländer“, die sich integriert hätten, seien nicht gemeint, wenn er von „Scheiß Kanake“ rede.
3. Das Treffen in Minden
Marcel W. erzählt, er habe in Chats mit vielen der Mitangeklagten, außer mit Paul-Ludwig U, geschrieben. Er erwähnt das Satire-Lied des WDR mit dem Satz „Meine Oma ist eine alte Umweltsau“. W. behauptet, im Nachgang seien Rentner von der Antifa verprügelt worden. Das sei auch im Fernsehen gezeigt worden. Thomas N. habe dazu aufgerufen, man müsse etwas tun. Danach habe ihn Werner S. angeschrieben, ob es im Norden jemand von „Wodans Erben“ geben würde. Er habe gedacht, dass es genau darum gehe, „Antifa und das ganze Zeug. Dachte, dass es eventuell auch darum geht, die Antifa anzugreifen.“ Im Norden sei niemand von „Wodans Erben“. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gebe es neue Abteilungen.
Dann sei die Einladung nach Minden gekommen. Werner S. habe gesagt, dass im (Marcel W.) nicht gefallen könnte, was da gesagt werde. Doch er (W.) habe sich durch die Vorstellung bestärkt gefühlt, dass es um Aktionen gegen die Antifa gehen könnte. Er habe bei dem Hummelgautsche-Treffen gesagt, dass er gewaltlos sei. Werner S. habe seine Ängste ernst genommen. Er habe sich mit Frank H. per Chat über die Online-Unterhaltung vom 22. Januar ausgetauscht. Werner S. habe geschrieben: „Liebe Freunde und Kameraden, es soll bei Wein und Brot Krieg besprochen werden.“ Im Chat sei die Rede von Anschlägen gewesen. Er habe gedacht, damit seien „Anschläge auf die Schlägertrupps“ der Antifa gemeint. Dass man denen „Vernunft einbackpfeift“.
Er und Frank H. seien mit H.s Auto nach Minden gefahren. Sie hätten geplant, wegen der langen Strecke in Minden zu übernachten. In Minden angekommen, hätten sie vor dem Restaurant des Freundes von Tony E. gewartet. Dann seien Tony E. und Werner S. gekommen, und sie seien zu Fuß zu N.s Haus gegangen. Draußen hätte Paul-Ludwig U. gestanden. Werner S. hätte ihm, Marcel W., auf die Brust geschaut und gefragt, ob er verdrahtet sei. Das erklärt sich W. mit seiner Kette: Er habe einen Asatru-Anhänger [ein heidnischer Glaube] mit Mjölnir [Thorshammer] getragen.
Diskussionen über den Verbleib von Thorsten W. und „Aktionen gegen die Antifa“
Draußen habe es eine grobe Vorstellungsrunde und drinnen die offizielle Runde gegeben. Bevor man reingegangen sei, habe man die Handys abgegeben. Das sei nicht untypisch. Dann sei die Vorstellungsrunde mit Namen und Gruppierung gekommen. Frank H. habe sich als Präsident vorgestellt. Steffen B. und Stefan K. als Mitglieder der „Vikings Security“, Tony E. als Verantwortlicher des „Freikorps“. Werner S. habe sich gar nicht vorgestellt, sondern nur gesagt, man kenne ihn ja. Die Vorstellung von Paul-Ludwig U. sei das „Standardgeplärre“ gewesen: Er sei in Sicherheitsverwahrung gewesen und dass er dahin fahre und die Leute kalt machen wolle.Als Thorsten W. sich vorgestellt habe, habe es [da W. Beamter ist] eine kurze Diskussion gegeben, ob er bleiben darf. Der Mehrheit sei es egal gewesen. Niemand habe gewusst, worum es gehe. Das könne man anhand der Reaktion sehen. Marcel W. sagt aus, wisse nicht mehr, wie er selbst gestimmt habe. Er sei aber möglicherweise aufgrund der Annahme einer Aktionsplanung gegen die Antifa dafür gewesen, dass Thorsten W. geht. Nach dem Essen hätten Thomas N. und Markus K. von ihrem „Entnazifizierungszeugs“ erzählt. Sie seien gut vorbereitet gewesen und hätten Papiere herumgereicht, hätten aber nur wenig Resonanz bekommen.
Als Stefan K. und Steffen B. etwas zum Thema Demonstrationen hätten sagen wollen, seien sie von Werner S. unterbrochen worden. Werner S. habe gesagt, über Demonstrationen sei man hinweg. W. behauptet, da habe er so langsam an seiner Vermutung gezweifelt, dass es um Aktionen gegen die Antifa gehen sollte. Werner S. sei seit diesem Zeitpunkt Wortführer gewesen. Er habe nochmal das gesagt, was er im Chat geschrieben habe, und dass man Geschichte schreiben könne. Dann habe er gefragt, wer offensiv oder defensiv sei – bevor erklärt worden sei, worum es dabei gehe. Mehr als die Hälfte habe sich defensiv eingeschätzt.
Paul-Ludwig U. habe die große Moschee in Köln als Ziel vorgeschlagen. Fast jeder sei überfordert gewesen, alle seien geschockt gewesen. Er selbst habe einen Tinnitus bekommen und sei innerlich unruhig geworden. Werner S. habe der Idee mit der großen Moschee widersprochen, aber nicht der Sache an sich. Beim Treffen am 28. September 2019 habe S. noch Angst vor einem heiligen Krieg gehabt. S. habe gemeint: „Nein, so etwas Großes nicht. Wenn, dann kleine Moscheen“. Das habe U. in Minden aufgegriffen und habe das mit der großen Moschee revidiert. U. habe Werner S. gefragt, ob er schon etwas im Sinn habe, und sich angeboten, Moscheen und Fluchtwege auszukundschaften und herauszufinden, wo besondere Imame leben. Werner S. habe gemeint: „Ja, kannste machen.“ S. habe die Ideen zwar unterstützt und nicht widersprochen, aber „die ganzen widerlichen Sachen gingen von U. aus“.
„Zweites Christchurch“ und Uneinigkeit über Angriffe auf Moscheen
Aus den Akten wisse er, so W., was Werner S. geplant habe. Den Reaktionen und Blicken der anderen in Minden zufolge hätte keiner mit so etwas gerechnet. Frank H. habe eingebracht, man müsse eine Moschee anzünden, und gesagt, die Muslime seien sich selbst uneins. W. meint sich zu erinnern, dass jemand „das mit dem Christchurch“ gesagt habe. [Thorsten W. sagte vor Gericht aus, er habe die Gespräche in Minden zwar nicht als Anschlagsplanung interpretiert, aber dort dennoch protestiert, dass doch nicht etwa „so etwas wie Christchurch“ gemeint sei und dass sie „so einen Quatsch“ lassen sollten. Siehe den Bericht zum 3. Prozesstag.] Auf diesen Einwurf sei aber niemand eingegangen.
Tony E. sei kreidebleich gewesen, er habe gezittert. W. betont erneut seine Ahnungslosigkeit, worum es gehen sollte. Dann sei er an der Reihe gewesen, sich zu positionieren, und habe sich gegen die Ideen ausgesprochen. Er argumentiert vor Gericht, so etwas gut zu finden wäre so, als ob man seine eigene Familie zur Schlachtbank führe, statt sie zu schützen. Er müsse gestehen, er habe nicht an die Leute in der Moschee gedacht, sondern an seine eigene Familie und daran, was dann los sei.
Von links sei ein Einwand von Steffen B. oder Stefan K. gekommen: Man könne das nicht machen, in der Moschee seien auch Frauen und Kinder. Es sei erkennbar gewesen, dass die Planungen nicht mit den Leuten dort durchführbar gewesen seien. Das habe auch Paul-Ludwig U. erkannt, den W. als Psychopathen bezeichnet.
W. gibt zu, vor Ort gesagt zu haben: „Wenn so etwas [Anschlag], dann erst in ein bis Jahren.“ Das habe er zwischenzeitlich aber wieder vergessen gehabt. Er verteidigt diesen Satz damit, dass er darin die einzige Möglichkeit gesehen habe, das Gespräch zu beenden. Paul-Ludwig U. habe gedrängt, und da U. erzählt habe, er habe nur noch eineinhalb Jahre zu leben, habe W. diese Zeitspanne genannt. Er hätte es nicht gewagt, sich gegen die Pläne auszusprechen, wenn die Reaktionen der anderen Anwesenden nicht ebenfalls abweisend gewesen wären. Er habe die Leute zum ersten oder zweiten Mal gesehen. Nach dem Einwand bezüglich Frauen und Kindern habe U. eingeworfen: „Aus kleinen Kanaken werden auch mal große.“ Werner S. habe nicht viel gesagt, sondern die Reaktionen beobachtet und analysiert.
Marcel W. hatte offenbar eine K95 samt Munition
Dann sei man „irgendwie auf Waffen zu sprechen“ gekommen. Seiner Ansicht nach hatte das nichts mit den Anschlägen zu tun, sondern sei ein separates Thema gewesen. Werner S. habe Steffen B. angesprochen, dem das sichtlich unangenehm gewesen sei und der gefragt habe: „Wieso ich?“ Darauf habe Werner S. entgegnet, er wisse, dass B. das könne. B. habe darauf geantwortet, er müsse mal schauen. Dann sei gefragt worden, wer welche Waffen haben wolle – die meisten Anwesenden hätten Kurzwaffen bestellt.
Paul-Ludwig U. habe von seiner „Uzi-Handgranate“ erzählt. [U. erzählte auch der Polizei im Verhör von einer Idee, wie man eine Uzi als eine Art DIY-Handgranate einsetzen könnte.] Anschließend habe U. das Gespräch wieder „auf diese scheiß“ Anschläge gelenkt und Steffen B. gefragt, ob er auch Granaten besorgen könne. U. habe eine bestimmte Pistolenart gewollt, „irgendwas mit M“ [Makarow]. Werner S. habe eine Kalaschnikow bestellt. W. selbst habe gesagt, er würde kein Geld geben und wolle auch nichts. U. habe ihn bedrängt und unbedingt gewollt, dass er etwas bestelle. Werner S. habe auch damit angefangen, ob er denn etwas habe, um seine Familie zu beschützen. W. sagt aus, er habe angegeben, eine K95 in Sachsen zu haben. Wenn es losgehe, führe ihn sein Weg dorthin. Weiter habe Werner S. gefragt, ob er genügend Munition habe. Das habe er bejaht.
Zum Waffenkauf gedrängt?
Frank H. habe noch gesagt, dass man Waffen sehr einfach in der „Tschechei“ bekommen könnte. Werner S. habe gefragt, ob er welche besorgen würde. H. habe behauptet, dass S. sich die dort selbst holen könnte. Paul-Ludwig U. habe darauf gepocht, dass Frank H. die Waffen dort besorge. Werner S. habe H. aufgefordert, ihm einen [geeigneten] Grenzübergang zu zeigen.
Anschließend habe Steffen B. auf eine Frage hin gesagt, dass 50.000 Euro für den Waffenkauf nötig seien. Es sei allen klar gewesen, dass das eine fiktive Summe sei. Marcel W. meint sich zu erinnern, dass die Anwesenden Summen zwischen 300 und 5.000 Euro hätten beisteuern wollen. Insgesamt seien keine 50.000 Euro zusammengekommen, sondern nur 20.000 bis 25.000 Euro. Paul-Ludwig U. habe 5.000 Euro von der „Bruderschaft“ zugesagt. W. kommentiert, es sei ihm seltsam vorgekommen, dass U. diese Summe ohne Rücksprache habe zusagen können. U. habe das Thema Waffen in Richtung Anschläge gelenkt; daraufhin sei die Bereitschaft wieder weg gewesen. Hätte U. nicht gedrängt, hätte er (W.) sich eventuell doch noch überlegt, auch eine Waffe zu bestellen, um seine Familie zu schützen. Aber das Geld wäre ohnehin nicht zusammengekommen. Nach dem Waffen-Thema habe man nur noch übers Preppen gesprochen. Steffen B. und Stefan K. hätten los gewollt. Draußen habe er U. gefragt, ob er Drogen nehme. Werner S. habe sich unzufrieden über den Ausgang des Tages geäußert. Er habe „die Schnauze voll, dass es wieder nichts“ werde. U. habe bei dieser Aussage ziemlich entsetzt dreingeschaut. Dann sei man gegangen. Frank H. habe bemerkt, dass er (W.) bedrückt gewesen sei, und ihm gesagt, er solle sich keinen Kopf machen. Es bleibe ohnehin beim Gerede. Er habe mit H. vereinbart, den Kontakt [zur Gruppe] abzubrechen.
Tagesabschluss in der Gaststätte
Dann seien sie in die Gaststätte gegangen. Frank H. habe viel Kaffee getrunken, weil sie nun doch noch am selben Tag hätten abreisen wollen. Tony E. sei nicht begeistert gewesen, da er für sie Zimmer gebucht habe. Im Restaurant habe U. nochmal mit der Anschlagsgeschichte angefangen, sei aber von Werner S. unterbrochen worden: „Das reicht, das Thema ist durch.“ S. habe gesagt, er habe nun gesehen, was er haben sehen müssen, und solche Themen würden schon gar nicht hier besprochen. U. habe Wolfgang W. gefragt, ob dieser ihn [bis nach Koblenz] mitnehmen könne, und der habe zugestimmt. Auf dem Rückweg hätten er (W.) und Frank H. dann nochmal über das Treffen gesprochen. W. habe gesagt, das passe nicht zu dem Werner S., den er kennengelernt habe. Frank H. habe im Auto gesagt, dass er sich schon gedacht habe, dass es um Anschläge gehen würde. W. kommentiert das in seiner Aussage: Er kenne H. als jemanden, der nicht gewalttätig sei. In München seien sie von der Antifas attackiert worden und hätten diese trotz Überzahl nicht geschlagen, sondern nur Anzeige erstattet. Im Auto sei noch ein Anruf gekommen, in dem sie über den Verdacht einer Überwachung informiert worden seien. [U. und Wolfgang W. hatten zurecht das Gefühl, sie würden von einem Auto verfolgt und observiert.] Er habe Angst gehabt, aber nicht schlimm, da man schließlich nichts beschlossen oder geplant habe. Aber durch die „Hetze von Staatsseiten gegen Rechts“ habe er befürchtet, dass aus einem Nichts etwas gemacht würde – was dann auch eingetreten sei. Er habe befürchtet, dass Paul-Ludwig U. überwacht wurde und versuchen würde, sich durch Erzählungen aus der Sicherungsverwahrung freizukaufen. Frank H. habe vorgeschlagen, dass er und W. noch zwei Wochen warten und dann die Gruppen verlassen sollten.
4. Die Zeit nach Minden bis zur Festnahme
Marcel W. argumentiert, wenn an dem Tag etwas gegründet oder geplant worden wäre, dann hätte die Polizei [von den Teilnehmern des Treffens] mehrere Anrufe bekommen. Da sei er sich sicher. Er sei zu Hause angekommen und seine Frau habe gemerkt, dass „da etwas war“, aber er habe es ihr nicht sagen wollen. Er sei distanziert und nachdenklich gewesen. Das habe sich erst gegeben, als Werner S. geschrieben habe, dass er sich verabschiede und nach Italien gehe. Das habe alles mit dem, was er zu Frank H. gesagt habe, zusammengepasst. Eigentlich hätten sie zu dritt von „Wodans Erben“ nach Minden fahren wollen, gemeinsam mit einem Andi. Dieser habe ihn gefragt, was gelaufen sei, und er habe geantwortet: „Sei froh, dass du nicht dabei warst.“
Danach habe er nur noch Kontakt über den Chat gehabt. Der „Heimat“-Chat sei kein Terror-Chat, sondern der Hauptchat des Prepping-Kollektivs.
Dann sei der Verdacht aufgekommen Paul-Ludwig U. könne ein V-Mann sein. Werner S. habe daran gezweifelt. Der erste Text von S. im Nachfolgechat der „Heimat“ sei gewesen: „Wenn die Sache aufgeklärt ist, dann […]“.
Der Nachfolge-Chat sei nicht nur für diejenigen gedacht gewesen, die am 8. Februar in Minden anwesend gewesen seien. Die Chats hätten nichts mit Terrorismus zu tun gehabt, auch wenn sie sich von außen so lesen könnten. Die Leute im Chat aber wüssten, dass es um die Verteidigung der Familie gehe. Er wüsste nicht, was daran schlimm sein solle.
RA Picker macht einen Vorhalt: „Der Angeklagte [W.] übte auch nach dem Treffen am 8. Februar seine Funktion als Admin aus, drängte auf Konspiration und wollte den Heimat-Chat schließen.“ Marcel W. erklärt das damit, dass er die anderen zur Zurückhaltung aufgefordert habe, weil man die Chatinhalte sonst terroristisch verstehen könnte. Er fügt hinzu, ihm sei noch etwas eingefallen. Werner S. habe ihn angeschrieben und um ein schnellstmögliches Treffen gebeten. Er habe erst verneint, weil er mit meiner Frau am 15. [Februar] habe zelten gehen wollen. Doch dann habe er zugestimmt, weil auch er noch Fragen gehabt habe. Man habe aber noch keinen Termin festgelegt.
Marcel W. rechnete offenbar bei seiner Festnahme damit, noch am selben Tag entlassen zu werden
RA Picker fragt W., wie die Festnahme am 14. Februar abgelaufen sei. Marcel W. entgegnet, er habe im Wohnzimmer gesessen und Kaffee getrunken. Es habe sich angehört, als würde jemand ihre Tür aufstemmen. Seine Frau habe ihn angsterfüllt gerufen. Dann habe sich die Polizei zu erkennen gegeben, und er habe die Tür aufgeschlossen. Er sei zu Boden gebracht und fixiert worden. Dann sei der Verantwortliche gekommen. Er habe den Kabelbinder entfernen lassen und W. normale Handschellen angelegt. Er sei ins Wohnzimmer gebracht worden, dann sei eine Frau zu ihm gekommen und habe erzählt, worum es gehe. Sie habe ihm den Durchsuchungsbefehl hingelegt. In dieser Situation habe er keinen Kopf gehabt, ihn zu lesen. Er hab nur gesagt, er habe es verstanden.
Das Team habe alles durchsucht, sogar Zelte auseinandergenommen. Er habe den Beamten gesagt, wo die Schreckschusswaffen und die Camping-Messer seien. Von Silvester seien für die Schreckschusswaffe noch drei Leuchtsterne übrig gewesen. Die Vorgesetzten hätten Fotos gemacht und entschieden, was mitgenommen werden sollte. Er selbst sei da noch immer davon ausgegangen, dass er abends wieder aufräumen könne. Dann sei er zur erkennungsdienstlichen Behandlung auf die Wache gebracht worden. Er sei gefragt worden, ob er eine Aussage machen wolle, was er bejaht habe. Man habe ihm viele Namen genannt, die er nicht gekannt habe. Da habe er gesagt, dass er mit Bildern mehr anfangen könne. Irgendwann sei gesagt worden, dass er dem Haftrichter vorgeführt werden würde und in U-Haft käme. Anschließend habe man ihn nach Bayreuth gebracht.
Der VR fragt Marcel W., ob er bereit sei, in der kommenden Woche Fragen zu beantworten, und W. nickt. Er präzisiert, er werde Fragen zur Person oder zur Sache beantworten, nur nicht über seine Frau. RA Picker ergänzt, dass sein Mandant grundsätzlich bereit sei, Auskunft gegenüber dem Senat, den Staatsanwältinnen und den Kollegen zu geben. Damit endet der 49. Prozesstag.