Prozesstag 45: Einlassung Tony E.s mit vorzeitiger Unterbrechung

Der 45. Prozesstag gegen die „Gruppe S“ in Stuttgart-Stammheim fand am 25. November 2021 statt. Tony E. verlas über mehrere Stunden den ersten Teil seiner langen Erklärung. Er gilt als rechte Hand von Werner S. und war ebenso wie der nicht angeklagte Sören B. einer der Anführer der Gruppe „Freikorps Heimatschutz”. In seiner Erklärung stritt E. ab, dass beim Treffen Ende September 2019 an der Hummelgautsche Anschläge ein Thema gewesen seien. In Minden hätten sich nur Paul-Ludwig U. und Frank H. für Anschläge auf Moscheen ausgesprochen. Die Waffen-Bestellung hingegen räumte E. ein und bestätigte, für die Besorgung seien Frank H. und Steffen B. zuständig gewesen. Wenig später brach Steffen B. zusammen – wobei unklar ist, warum. Die Verlesung des Rests der Erklärung E.s wurde vertagt.

Am Anfang des Prozesstages fragt der Vorsitzende Richter (VR) nach der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft (BA) zum Beweisantrag des Rechtsanwalts (RA) Siebers. Dieser hatte am vorigen Prozesstag beantragt, eine Akte aus einem anderen Verfahren gegen Paul-Ludwig U. heranzuziehen. Der RA sagte, U. werde darin als Hinweisgeber statt als Zeuge geführt; die Behörden hätten ihn damals eingesetzt und darum vor der Strafverfolgung geschützt. Dem Antrag hatten sich fast alle anderen RA*innen angeschlossen.

Staatsanwältin (StAin) Masslow hält dagegen: Es handle sich nicht um einen Beweisantrag, sondern einen Beweisermittlungsantrag. Er enthalte nur Behauptungen, etwa dass Paul-Ludwig U. mit anderen Personen Kinderpornos ausgetauscht habe. Es sei nicht ersichtlich, dass U. von staatlichen Stellen angeleitet worden sei. Der Beweisantrag sei bedeutungslos.

Tony E.s hält sich nicht für einen Verräter

Der Angeklagte Tony E. tritt im Anzug gemeinsam mit seinem Verteidiger RA Hofstätter an das Pult. Zu Beginn sagt E., dass er eine Stellungnahme zur Person und zur Sache verlese und ihn manche Mitangeklagten als Verräter ansehen würden. Dies sei er nicht, da es nichts zu verraten gebe.

Tony E. gibt an, am 9. November 1980 geboren und 1987 eingeschult worden zu sein. Die die 9. Klasse habe er wiederholen müssen, sich dann aber in der Schule verbessert. Zudem habe er mit Kampfsport und Boxen angefangen. Eine Ausbildung zum Hotelfachmann nach seinem Schulabschluss habe er abgebrochen, eine Ausbildung zum Industriekaufmann hingegen zu Ende gebracht. Er sei für vier Jahre Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr gewesen [2001-2005]. Zusätzlich habe er einen Nebenjob als Sicherheitsmitarbeiter in Diskotheken gehabt. Danach sei er zwei Jahre selbstständiger Versicherungsmakler gewesen und sei nach Schleswig-Holstein gezogen. Von 2010 bis 2014 habe er diverse Tätigkeiten ausgeübt. Im Jahr 2015, nach der Geburt seines ersten Sohnes, sei er in Elternzeit gegangen. Seit 2015 bis zu seiner Verhaftung sei er bei einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt gewesen und hoffe, in diesen Beruf zurückkehren zu können. Nach seiner Verhaftung am 14. Februar 2020 habe seine Ehefrau Anfeindungen erleben müssen und die Scheidung eingereicht. Vor dem Hintergrund, der Dauer und den massiven Belastungen könne er seine Frau verstehen.

Eine lange Krankenakte

Anschließend geht E. auf seinen Gesundheitszustand ein. [In Telefonaten mit Werner S. hatte E. angedeutet, er könne sich vorstellen, im Falle einer Krebserkrankung im Endstadium eine Märtyrer-Aktion zu wagen.] E. berichtet, er sei bis zum Alter von 35 Jahren häufiger krank gewesen. Als Kind und Jugendlicher habe er seine Wehwehchen gehabt, sei photosensibel gewesen, habe diverse Nahrungsunverträglichkeiten gehabt und unter starker Müdigkeit gelitten. Er habe diverse Magenerkrankungen gehabt und deswegen Medikamente eingenommen. Mitte der 2000er Jahre habe er an Schlafstörungen und Nesselsucht gelitten. Es seien Erkrankungen des Skeletts und des Bewegungsapparats festgestellt worden. Seit 2013 nehme er mehrmals wöchentlich Opium-Derivate. Er habe unter extremen Albträumen gelitten. In den Jahren 2011 und 2012 habe er kurzzeitige Kopfschmerzattacken mit Sehproblemen gehabt. Im Frühjahr 2015 habe er während kurzer Arbeitslosigkeit und der Elternzeit Depressionen gehabt. Damals habe er oft sogar das Essen vergessen. Er habe die verordneten Antidepressiva nur sehr ungern eingenommen und sich in eine alternative Behandlung begeben, die erfolgreich verlaufen sei. Im September 2015 sei bei ihm ein sehr niedriger Testosteron-Spiegel festgestellt worden. Den habe ein Arzt auf einen möglichen Hirntumor zurückgeführt. Bis Oktober 2019 sei das sein letzter Arztbesuch gewesen.

Tony E., der demokratische Freidenker der „Gruppe S“?

Im Jahr 2016 sei sein zweiter Sohn zur Welt gekommen. Daraufhin habe er als Vater beschlossen, nun Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen. Im Herbst 2016 habe er ein Buch von Ralph Bircher [ein rechter Publizist des vergangenen Jahrhunderts, der mehrere Bücher über Heilkunde veröffentlichte] gelesen und habe erkannt, dass die Schulmedizin falsch sei. Seitdem praktiziere er „Natürliche Gesundheitslehre“. Er mache Frühstücksfasten und habe sich von seinen Magenmitteln entwöhnt.

Anfang Oktober 2019 sei bei ihm eine Nebenniereninsuffizienz festgestellt und ein Cortison-Präparat verschrieben worden. Es sei ein Hypophysenadenom [ein gutartiger Tumor] in der Nähe des Sehnervs gefunden worden. In einem Zustand der Ungewissheit sei er davon ausgegangen, dass der Tumor aufgrund der „Natürlichen Gesundheitslehre“ geschrumpft sei. Seine Nebenniereninsuffizienz sei seit Sommer 2020 geheilt. Die Haft habe bei ihm die positiven Auswirkungen, dass er nun Sport treibe und keine Albträume mehr habe.

Tony E. beschreibt sich als einen „absolut normalen, nicht-exponierten Zeitgenossen“, als „reziprok motiviert“, „schüchtern“ und „altruistisch“. Für Kritik sei er dankbar; er versuche, eigene Fehler zu erkennen. Weniger positiv an sich finde er, dass er vorschnell Kredit in Form eines Vertrauensvorschusses gebe. Er drücke Menschen Stempel auf, sei ein „prinzipientreuer Mensch“ und „sehr werteorientiert“. Aufgrund von Emotionalität gebe er spontan verbale Äußerungen ab. Er würde sich als „Querdenker“ bezeichnen, da der Begriff jedoch belegt sei, würde er sich „als Freigeist einordnen“.

Tony E. kommt zur Sache

Als Kind der DDR habe er zwei Systeme mit Vor- und Nachteilen erlebt. Auf die linken Anteile verweise der Name seines gelöschten Facebook-Kontos: „Unbeugsam Tony Che Guevara“. Er sei ein „liberaler Mensch“, „in manchen Dingen altmodisch beziehungsweise konservativ“. Bis 2014 habe er die CDU oder gar nicht gewählt. Als die Bundesregierung infolge der Ukraine-Krise eine antirussische Position einnahm, habe er sich abgewandt.

Er beobachte die gesamtpolitische Entwicklung Deutschland wegen der Folgen für seine Kinder und wünsche sich nichts sehnlicher, als dass „meine Kinder in einer friedlichen und heilen Welt aufwachsen“. Unter Umständen würde er sich mal kritisch äußern und bedauere Äußerungen, die emotional bedingt seien. Er würde niemals zu Gewalt aufrufen und fühle sich nicht abgehängt. Jeder sei für seinen Erfolg oder Misserfolg selbst verantwortlich.

„Ausländer“ ja, „Islamisierung“ nein

Er distanziere sich mit „aller Vehemenz“ von Terrorismus und Nationalsozialismus. Die Anschläge von NSU und Hanau, aber eben auch die Anschläge auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin durch Anis Amri, in Würzburg oder im Bataclan verurteile er. Er gehe gern beim Asiaten essen und lasse „beim Orientalen“ seine Haare schneiden. „Bei meiner Arbeit war mein Lieblingskunde ein Asiate.“ Er gehe regelmäßig zur Thai-Massage. Südlich von Hannover habe er im Rewe-Zentrallager nebenberuflich gearbeitet. Dort hätten 60 bis 65 Prozent der Kollegen einen Migrationshintergrund, zum Teil seien sie aus Flüchtlingslagern in der Nähe gekommen. Auch in Stuttgart-Stammheim habe er freundschaftlichen Umgang mit Häftlingen mit Migrationshintergrund. Ein türkischer Kurde habe ihn für den Gefangenenrat in Stammheim vorschlagen wollen.

Weiter äußert sich E.: „Tatsächlich habe ich ein Problem mit der zunehmenden Islamisierung Deutschlands.“ Der Islam sei für ihn nicht ohne Weiteres kompatibel mit „unserem Kulturkreis“. Selbst der „Spiegel“ habe über die „Islamisierung des Abendlandes“ berichtet. Er sei ein Gegner des EU-Konstrukts, der NATO und des „Raubtierkapitalismus“. Für ihn gebe es zu viel Spaltung, er sei ein Demokrat. Es gehe links gegen rechts, Muslime gegen Christen, Radfahrer gegen Autofahrer. Die Rolle der Medien habe er teilweise als problematisch empfunden. Die prozessbegleitende Berichterstattung sei aber „relativ fair“.

Der Kontakt zu Werner S. und der „Gruppe S“

Mit Werner S. sei er zuerst auf Facebook befreundet gewesen. Im März oder April 2019 sei ein erster direkter Kontakt mit Sprachnachrichten und Anrufen zustande gekommen. Werner S. habe auch Kontakt mit dem „Freikorps“-Mitglied Marcel L. gehabt. Ab Mai 2019 sei der Kontakt zwischen ihm und S. enger geworden. Sie hätten in abendlichen und nächtlichen Telefonaten über Hunde, später auch über Politik gesprochen. Er habe dabei am Feuer gesessen und Wein getrunken. S. habe gesagt, er sei selbstständig und habe Ländereien.

Vom 26. bis 28. Juli 2019 habe sich das „Freikorps Heimatschutz“ im thüringischen Sondershausen getroffen. Sie hätten dort über den Kauf von Rucksäcken und Schlafsäcken, über das Anlegen von Nahrungsmittel-Vorräten und über den Kauf einer Hütte für Softair-Spiele und als Rückzugsraum gesprochen. Beim Treffen hätten sie das Grundstück begutachtet. Thomas N. habe das Grundstück vorfinanzieren wollen; Auch S. habe sich das vorstellen können. Bei diesem Treffen habe er Werner S. zum ersten Mal persönlich gelernt. S. sei Mitglied des „Freikorps“ gewesen und habe einen Kontakt zwischen Steffen B. und ihm vermittelt. Der sei Prepper und Handwerker gewesen. Im August 2019 habe es ein großes Kennenlerntreffen im süddeutschen Raum gegeben. Ende September habe man sich [an der Hummelgautsche] erneut getroffen. Er habe erst eine Woche davor zugesagt.

Das Treffen an der Hummelgautsche

Das Treffen sei zum näheren Kennenlernen gedacht gewesen, und dafür, um über den „Tag X“ zu sprechen, über Fluchtrucksäcke und über Vernetzung von Gruppen wie „Wodans Erben“ oder „Freikorps“. Hier wirft E. ein, dass er Werner S. einmal am Telefon erzählt habe, dass er einen Fluchtrucksack in Mecklenburg-Vorpommern bereitgestellt habe, aber wegen seiner beiden Kinder eigentlich ohnehin nicht flüchten könne.

Dann kommt er zurück zum Thema Hummelgautsche: Er sei mit Fred P. und einem weiteren Teilnehmer nach Alfdorf gefahren. Sie hätten in Minden im Restaurant seines Freundes gegessen. Dann hätten sie Thomas N. mitgenommen. Später hätten sie Marcel L. in Ellwangen getroffen und seien mit zwei Wagen nach Alfdorf gefahren. Um 19:45 Uhr seien sie an der Hummelgautsche angekommen. Fünf bis sieben Personen seien bereits da gewesen, unter ihnen Werner S., Michael B., Marco Ö. als Organisator sowie zwei Frauen. Sie hätten geparkt, einander begrüßt und vorgestellt. Man habe dann Smalltalk betrieben.

Im Laufe des Treffens sei man lockerer geworden. Das Treffen habe sich in die Hütte verlagert. Es sei zum zunehmenden Alkoholkonsum gekommen. Einige der Teilnehmer hätten sich über Frauen, wie die Ex-Freundin von Marco Ö., lustig gemacht. E. erzählt, er habe überlegt, abzureisen, aber er habe getrunken und an seine Mitfahrer gedacht; darum sei er geblieben. Zwei, drei Personen hätten über ihren Zenit getrunken und es habe einen Konflikt gegeben.

Paul-Ludwig U. und Marion G. stoßen dazu

Am nächsten Morgen, dem 28. September, sei er als erster aufgewacht und zur Bäckerei gefahren. S. habe einen bis eineinhalb Kilometer entfernt im Auto übernachtet. Dann seien Marion G., Oliver K. und Paul-Ludwig U. gekommen. G. habe sich als Organisatorin der Gelbwesten-Bewegung im Raum Franken vorgestellt. Es seien weitere Teilnehmer angekommen. Alle hätten sich vorgestellt. Paul-Ludwig U. sei ihm bei der Vorstellung aufgefallen, er habe gewirkt, als würde er den Moment genießen. Anschließend habe man Einzelgespräche geführt.

Tony E. sagt weiter aus, er habe mit Marcel W. und Frank H. gesprochen, weil der zu „Wodans Erben“ gehöre und „wir vom ‚Freikorps‘ mit ihnen kooperieren“ wollten. Sie hätten Landesgruppen in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW und Baden-Württemberg. An der Hummelgautsche sei er gefragt worden, wie viele Mitglieder das „Freikorps“ habe, und geantwortet, es gebe eine offene Facebook-Gruppe mit 2.500 Mitgliedern sowie eine interne Facebook-Gruppe mit 30 bis 40 Mitgliedern. Ihre Landesgruppen in Sachsen und Sachsen-Anhalt seien zu „Wodans Erben“ gewechselt. E. streitet ab, gesagt zu haben, dass er Mitglied der „Bruderschaft Deutschland“ sei.

E. leugnet Waffen und Anschlagspläne an der Hummelgautsche

Werner S. habe erzählt, er verfüge über einen Sammelpunkt in der Nähe seines Wohnorts und ein Refugium in Südtirol. S. habe gesagt, er wolle über kurz oder lang nach Italien gehen. Am darauffolgenden Tag habe er, Tony E., die Aufgabe gehabt, Begleitschutz für einen Redner bei der „Michel steh auf“-Demo in Hamburg zu organisieren. Er habe an der Hummelgautsche Flyer für die Demonstration 3. Oktober 2019 in Berlin verteilt und mit Werner S. darüber gesprochen. Paul-Ludwig U. habe einige der Flyer genommen und angekündigt, man treffe sich dann dort. S. habe ihm (E.) ein Messer mit Damast-Klinge für seinen Sohn geschenkt und ihm selbst neue MMA-Handschuhe.

Insgesamt seien an der Hummelgautsche 20 bis 25 Leute gewesen. Er habe später erfahren, dass man den Platz in Absprache mit der Gemeinde für private Zwecke reservieren könne. Gegen 15:30 Uhr habe er die Heimreise mit Fred P. und Thomas N. angetreten, da er am nächsten Tag auf der Demonstration habe sein wollen. Zum Schluss hätten sie noch ein Gruppenfoto gemacht. Um 22:30 Uhr sei er daheim gewesen. Er habe auf dem Treffen keine erlaubnispflichtigen Waffen gesehen, und es sei nicht über Anschläge oder Waffenbeschaffung gesprochen worden.

Wer war nach Minden eingeladen?

Das Treffen am 8. Februar 2020 habe dazu gedient, dass Werner S. und Torsten K. einander kennenlernen. Die beiden hätten einander bereits am Rasthof nach der Demo in Berlin am 3. Oktober 2019 getroffen. Das Treffen sei ursprünglich als „Orga-übergreifendes“ Treffen in Hamburg geplant gewesen – in einem indischen Restaurant. Das habe aber um die Weihnachtszeit nicht geklappt. Deswegen habe er kurzerhand geplant, das Treffen bei sich stattfinden zu lassen, was aber auch gescheitert sei. Daraus sei dann Minden als Ort geworden. Das Treffen sei zuerst am Wochenende vom 17. zum 19. Januar angesetzt gewesen, sei von Werner S. jedoch wegen eines Notartermins abgesagt worden. Er habe als Ersatz das Wochenende um den 25. und 26. Januar vorgeschlagen. S. und Paul-Ludwig U. hätten das Treffen aber auf den 8. Februar terminiert, was er auch S. gegenüber moniert habe. Torsten K. und auch Ralph E. hätten dann für den 8. Februar abgesagt. K. habe angeblich einen Auftrag vom französischen Konsulat in Belgien bekommen.

S. habe am Abend vor Minden mit Thomas N. telefoniert, so Tony E. N. habe Bedenken bezüglich Paul-Ludwig U.s Teilnahme gehabt. [Zu diesem Zeitpunkt war S. bei E. und dessen Frau zuhause] Seine Frau habe sinngemäß gefragt, was es so Wichtiges zu besprechen gebe, dass so ein Aufwand gemacht werde. Er habe geantwortet, es gehe darum, wie man sich und seine Familie in Notfällen schützen könnte.

Das Treffen in Minden aus E.s Sicht

Am Morgen des 8. Februar seien sie nach Minden gefahren. Werner S. habe gesagt, dass er beim Treffen in Minden eine Frage stellen und dabei jedem Teilnehmer tief in die Augen blicken wollte. „Ich meinte: Ok.“ Kurz nach 12:00 Uhr seien sie auf dem Parkplatz des Restaurants seines Freundes angekommen. Frank H. und Marcel W. seien ebenfalls dazugekommen. Steffen B. habe angerufen und wissen wollen, wohin er fahren solle. Sie seien anschließend zum Wohnhaus von Thomas N. gefahren. Er habe schon von Weitem Paul-Ludwig U. im Hofeingang erkennen können. Steffen B. und Stefan K. seien dazugekommen. Sie hätten auf Wolfgang W., der um 13 Uhr gekommen sei, gewartet, um anschließend reinzugehen. Ihre Handys hätten alle bei Thomas N. abgegeben. Sie hätten sich dann locker unterhalten, er selbst habe mit Steffen B. gesprochen. Werner S. habe das Gespräch mit einer Vorstellungsrunde eröffnet. Jeder habe sich mit Namen und Alter vorgestellt. Er habe etwas scherzhaft gesagt, dass er die Geschäftsführung des „Freikorps“ innehabe. Thomas N. habe nach dem Status von U. als Vertreter der „Bruderschaft Deutschland“ gefragt. Werner S. habe erklärt, dass er nicht akzeptieren wolle, dass U. als Mitgliedsanwärter ein Vertreter der „Bruderschaft Deutschland“ sei. U. könne nur für sich sprechen. Als Thorsten W. sich als Beamter im öffentlichen Dienst vorgestellt hätte, habe es eine Diskussion gegeben – eine aus E.s Sicht völlig unnötige Debatte. Es habe eine Abstimmung gegeben, ob W. bleiben dürfe. Nur wenige votierten gegen seinen Verbleib, die Mehrheit war dafür. Er habe sich über das Drama gewundert. Thomas N. habe sich für W. verbürgt. Es sei gesagt worden, die Gespräche sollten den Raum nicht verlassen. Werner S. habe ergänzt: Man wisse ja, wie man in diesem Fall verfahre werde.

Laut E. sprachen sich in Minden nur Paul-Ludwig U. und Frank H. für Anschläge auf Moscheen aus

S. habe wissen wollen, wer defensiv und wer offensiv eingestellt sei. Steffen B., Marcel W., Markus K., Stefan K. und E. selbst seien defensiv orientiert gewesen. Er habe hinzugefügt, dass er in einer Bedrohungslage alles unternehmen würde, um seine Familie zu schützen. Werner S. habe gefragt, was man tun könne, und Steffen B. habe Aufkleber-, Flyer- und Plakataktionen vorgeschlagen. Werner S. habe ihn unterbrochen und gemeint, über diese Phase sei man schon hinweg. Da sei er, Tony E., irritiert gewesen. Paul-Ludwig U. habe gesagt: „Man müsste Moscheen machen.“ Frank H. habe entgegnet: „Man braucht nur Moscheen anzünden, dann gibt es unter den Moslems Ärger.“ Es habe Empörung über den Vorschlag gegeben. E. berichtet weiter, er habe die Kommentare als Stammtisch-Parolen in unterschiedlicher Intensität wahrgenommen. Er habe nicht angenommen, dass U. und H. ernsthaft so etwas tun wollten. Marcel W. habe sich gegen diese Vorschläge ausgesprochen: Man bereite sich nicht jahrelang für den „Tag X“ vor, um ihn dann selbst einzuleiten. Im Anschluss habe es eine erste Raucherpause im Garten für 15 Minuten gegeben. Thorsten W. sei im Besprechungsraum geblieben. Anschließend habe man etwa 20 Minuten gegessen. Das nachfolgende Gespräch sei um Rückzugsorte in ihren Gruppen gegangen. Es sei um die Gründung einer Stiftung zum erleichterten Eigentumserwerb diskutiert worden.

E. bestätigt, dass Steffen B. und Frank H. die Waffen besorgen sollten

Werner S. habe nachgefragt, wer eine Waffe brauche, und gesagt, Steffen B. sei der Ansprechpartner: Steffen kenne einen, der sie beschaffen könnte. B. habe das bestätigt, aber hinzugefügt, als Minimum müsse man 50.000 Euro auf den Tisch legen. Werner S. habe in die Runde gefragt, wer wie viel Geld geben würde. U. habe gemeint, er wolle unbedingt eine Waffe, aber beziehe nur Hartz IV. Im Namen der „Bruderschaft Deutschland“ habe er dann eine Summe zugesagt. E: „Ich selbst sagte 2.500 Euro zu, glaubte aber nicht wirklich, dass B. die Waffen beschaffen könnte.“ Er habe sie zum Schutz seiner Familie gewollt. Die Waffenbeschaffung habe für ihn nicht im Zusammenhang mit der Frage von S. nach offensiv oder defensiv oder mit U.s Einwurf mit den Moscheen gestanden. Werner S. habe die fehlende Differenz zu den 50.000 Euro begleichen wollen. Nach nochmaliger Abfrage seien 30.000 Euro zugesagt werden. Er habe nicht angenommen, dass S. eine so große Summe ausgleichen könnte. Es sei auch darüber gesprochen worden, ob Frank H. mit dem Motorrad Pistolen aus Tschechien holen könne. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass diese alternative Waffenbeschaffung funktionieren würde. H. habe nur gesagt, der Umgang mit Waffen in Tschechien sei laxer. Werner S. habe Steffen B. und Frank H. für die Übergabe bestimmt. U. habe „Ich auch, ich auch“ gesagt, und S. habe erwidert, ihn habe er auch vorgesehen. Dann habe es eine Raucherpause gegeben. Thorsten W. sei erneut drinnen geblieben. Während sie draußen gestanden seien, hätten sie überprüft, ob man ein Handy mit Alufolie vor Strahlung abschirmen könne. Dann sei Ulf R. gekommen und habe sich vorgestellt. Werner S. habe auch ihn gefragt, ob er offensiv oder defensiv eingestellt sei. Aufgrund seiner Familie habe sich R. als defensiv eingeordnet, aber erklärt, er habe zuhause einen Lebensmittelvorrat und versteckte Depots. S. habe ihn gefragt, ob er zum Schutz der Familie Interesse an einer Waffe habe. Dies habe R. verneint, da er Ärger mit seiner Frau befürchtet habe.

Ein schweigsames Essen

Das nachfolgende Gespräch habe sich unter anderem um „Entnazifizierung“ gedreht, das Markus K. und Thomas N. angesprochen hätten. E. behauptet, er könne sich nicht an das Stichwort „Halle“ erinnern, auch nicht, dass Thorsten W. „Christchurch“ erwähnte [W. hatte behauptet, das Gespräch zwar nicht als eines über Anschläge interpretiert, aber dennoch gesagt zu haben: „Ihr wollt doch kein neues Christchurch?“]. Nach dem Rauchen habe man sich im Haus weiter unterhalten. U. sei von den N.s Deko-Waffen fasziniert gewesen. Dann seien sie zum Mindener Restaurant seines Freundes gefahren. Er habe zuvor einen Tisch für acht Personen reserviert. Beim Essen habe es keine Gespräche gegeben. Werner S. habe nach dem Essen in die Runde gefragt, wer denn schon mal [in Haft] gesessen habe. Frank H. und Marcel W. hätten das kurz bestätigt, Paul-Ludwig U. habe lange zu dem Thema geredet.

Werner S. und Tony E.: Nach Minden weiterhin auf Personalsuche

Er und Werner S. hätten sich am nächsten Tag in Minden mit „Otto“ [Wolf E. aus Neuss] ]getroffen, einem Mitglied der Chatgruppe „Heimat“. Das Gespräch sei oberflächlicher Natur gewesen. „Otto“ habe erzählt, dass er einer keltisch-druidischen Glaubensgemeinschaft angehöre. S. habe mit Carsten S. kommuniziert, den er online kennengelernt habe. Es habe am selben Tag noch ein Treffen mit ihm in Bad Oeynhausen gegeben.

Wolfgang W. [der Paul-Ludwig U. im Auto zurück von Minden bis nach Koblenz mitnahm] habe angerufen und erzählt, dass sie verfolgt würden und er keinen weiteren Kontakt wünsche. Er (E.) hätte bei der Heimfahrt mit Werner S. über die Verfolgung von W. gesprochen. Es sei dann eine kurze erneute Absage von Torsten K. gekommen, angeblich weil ein umgestürzter Baum seine Autoeinfahrt blockiert habe. Man habe K. eigentlich noch treffen wollen, um über das „Freikorps“ zu sprechen, was dann aber nicht stattgefunden habe.

An dieser Stelle unterbricht der VR die Verhandlung: Steffen B. sei zusammengebrochen und brauche einen Notarzt. RA Flintrop hält fest, dass E. zu diesem Zeitpunkt 57 von insgesamt 87 Seiten verlesen habe.

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