Am 43. Prozesstag (18.11.21) gegen die „Gruppe S“ in Stuttgart-Stammheim verlas zunächst Rechtsanwältin Dr. Schwaben etwa 15 Minuten lang die angekündigte Erklärung ihres Mandanten Markus K. aus Minden zu seiner Person. Angaben zur Sache wollte dieser ebensowenig machen wie auf Rückfragen antworten. Als Jugendlicher sei er, so hieß es in der Erklärung, in der „Skinhead-Szene“ gewesen, „um aufzufallen“. Anfangs „unpolitisch“, später „politisch“ und im Alter von 19 oder 20 letztendlich auch „politisch aktiv“, beispielsweise bei Demos und Plakataktionen. Er habe seinen Job verloren, keinen neuen gefunden, seine Beziehung sei in die Brüche gegangen, er habe viel getrunken und sei zeitweise obdachlos gewesen. Letztendlich habe er sich dann wieder gefangen, habe einen guten Job gefunden, in den er vermutlich nach seiner Entlassung auch wieder zurückkehren könnte, sei eine neue Beziehung eingegangen und habe sich immer mehr von der Szene entfernt, erst recht, nachdem er zum zweiten Mal Vater geworden sei. Letztendlich habe er sogar gelagerte NPD-Plakate vernichtet. Seine Frau habe seinen „Skinhead-Kram“ weggeworfen, aber leider auch sein immer stärkeres Interesse am Thema „Entnazifizierung“ (im „Reichsbürger“-Sinne) als „merkwürdiges Hobby“ bezeichnet, weswegen er darüber viel mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Beschuldigten Ulf R. kommuniziert habe. Seine Haft würde er als extrem entwürdigend, belastend und und bedrohlich empfinden und sehne sich wieder zurück zu Frau und Kindern, um die er sich große Sorgen machen würde.
Der Großteil des Prozesstages ging dann für weitere abgehörte Telefonate drauf, die in die Beweisaufnahme eingeführt wurden. In einem davon brüstet sich Paul-Ludwig U. seiner Verdienste beim Kampf gegen eine Übermacht gewalttätiger Neonazi-Horden („über 150 Gruppen mit 10 bis 15 Mann, bis nach Italien runter“, darunter auch „Scharfschützen der Bundeswehr, Rocker und ehemalige Afghanistan-Kämpfer“). Wenn es „nur um Schwarze ginge, die Kinder vor den Zug schubsen“, würde er ja „nichts machen“, aber diejenigen, die hier am Werke seien, würden keine Unterscheidungen vornehmen und sogar „Kinder und Deutsche“ töten wollen. In einem anderem Telefonat legte U. noch einmal rassistisch nach: „Das sind keine Migranten, das sind Soldaten und Söldner.“ In einem Jahr brenne „die Hölle“: „Wenn wir in einem Jahr aufwachen, ist es zu spät.“
Zudem wurden beim 43. Prozesstag diverse weitere Telefonate angehört, u.a. zwischen U. auf der seinen Seite und dem Angeklagten Thomas N., Ralf N. von der „Bruderschaft Deutschland“ und dem LKA auf der anderen. Interessant war auch ein Telefonat vom 9. Februar 2020 zwischen Paul-Ludwig U. und einem politisch nicht eingebundenen Bekannten, in dem U. sich von diesem verabschiedet, da seine Mission fürs LKA erfüllt sei: „Morgen ist es soweit, morgen werde ich abgeholt, habe schon gepackt.“ Er zeigte sich hierbei sehr mit sich zufrieden: „War absolut berechtigt, es wird einiges verhindert. Wenn das nicht so wäre, würden die mich nicht in diese Maßnahme [er meinte vermutlich Zeugenschutz] schicken. […] War ‘ne schöne zeit. Sag‘ allen liebe Grüße, aber nicht warum.“
Siehe auch https://twitter.com/prozessbeo/status/1470675655662710787