Der 40. Prozesstag fand am 9. November 2021 statt.Es gab keine „Gruppe S“ und auch keine Pläne Es wurden einige abgehörte Telefonate zwischen Paul-Ludwig U. und einer Polizistin des LKA abgespielt. Darin fielen einige Sätze, die die Verteidiger*innen der anderen Angeklagten wieder einmal zum Anlass nahmen, U. als inoffiziellen V-Mann darzustellen. Zudem verlas Steffen B.s Verteidiger eine kurze Einlassung seines Mandanten. B. stritt darin ab, einen Waffendeal für die Gruppe eingefädelt zu haben. Außerdem behauptete B., er habe die Mindener Pläne nicht gutgeheißen und bereut, beim Treffen gewesen zu sein. Nach Minden habe er sich aus der Gruppe herausgezogen.
Der Vorsitzende Richter (VR) eröffnet die Verhandlung und leitet zur Fortsetzung der Zeugenbefragung des LKA-Kriminalhauptkommissars Markus Thomas D. über. Dieser war bereits zwei Prozesstage zuvor im Zeugenstand, um über die Razzia und Vernehmung von Stefan K. im Februar 2020 auszusagen [siehe Bericht zum 38. Prozesstag].
Die Befragung des Zeugen durch die RA*innen liefert kaum neue Informationen. RA Just fragt für seinen Mandanten Stefan K. nach Details. Er weist darauf hin, dass es in den Akten zu einer Vermischung mit Akten aus der Hausdurchsuchung bei einem Mario Sch. kam. RA Just: „Offenbar sind dort mehrere Durchsuchungen durcheinandergeraten.“ [Bei Mario Sch. handelt es sich offenbar um eine der beiden Personen, bei der Steffen B. und Stefan K. laut Auffassung der Anklage Waffen für die „Gruppe S“ bestellen wollten.]
Der Terror von Halle als Blaupause
Angesprochen auf juristische Anforderungen erklärt der Zeuge, ihm sei bekannt gewesen, dass einem Beschuldigten zwingend ein Pflichtverteidiger zu stellen sei, wenn er einem Haftrichter vorgeführt wird. Aber, so der Zeuge, er habe K. nicht zwingen können, einen Anwalt hinzuzuziehen.
RA Just weist darauf hin, dass sein Mandant das durchsuchte Haus für 26.000 Euro bei einer Zwangsversteigerung erworben habe. Dies sei wichtig, da sein Mandant in Minden Geld [mutmaßlich für Waffenkäufe] zugesagt haben soll. [Er wollte damit offenbar darauf hinweisen, dass Stefan K. trotz Hausbesitz nicht vermögend sei.]
Laut RA Just fiel bei der Befragung K.s auch das „Beispiel Halle“ [wo am 9. Oktober 2019 zwei Menschen einem rechten Terroranschlag zum Opfer fielen]. Der RA will wissen, in welchem Zusammenhang dieses Beispiel angesprochen worden sei. D. antwortet, dass Halle laut K. in Minden als Beispiel genannt worden sei.
Anwaltliche Erklärungen
Frank H.s Verteidiger RA Herzogenrath-Amelung argumentiert, dass Stefan K. sicherlich nicht ohne Anwalt ausgesagt hätte, wenn er sich – wie die Anklageschrift vorwirft – tatsächlich in Minden mit anderen getroffen hätte, um Mord und Totschlag zu planen. K. habe obendrein ja sogar seine Sperrcodes von Handy und Computer herausgegeben. Der RA schließt daraus, dass gar nichts geplant worden sein könne.
Für RA Just ist wichtig, dass den Beschuldigten zwingend eine Pflichtverteidigung hätte beigeordnet werden müssen. Die Verteidigung K.s stütze darauf aber kein Beweisverwertungsverbot. Die Polizei sei morgens losgeschickt worden und habe angeblich erst mittags erfahren, dass es Verhaftungen geben sollte.
Wolfgang W.s Verteidiger RA Grassl moniert, die Polizei habe sich auf den Einsatz nicht ordnungsgemäß vorbereitet. Dabei bezieht er sich auf die Aussage des Zeugen D., er habe weder den Durchsuchungsbeschluss noch den Fragenkatalog gelesen. Sonst hat niemand mehr etwas zu D.s Aussagen zu sagen.
Steffen B.s schriftliche Einlassung
RA Ried ergreift das Wort und verliest eine zweieinhalb Seiten lange Einlassung seines Mandanten Steffen B. Dieser möchte ergänzende Angaben zur Waffenbeschaffung machen. In den letzten Jahren habe er immer wieder den Begriff „Kamerad“ gehört, und ihm sei klar geworden, dass es einen Unterschied zu einem Freund gebe. „Stefan [K.] ist ein Freund.“ Im Herbst 2019 habe er über die „Soldiers of Odin“ Kontakt zu [Sören] B. erhalten. Dieser habe ihm eine Waffenliste [Bestellliste] geschickt, die er aber gelöscht habe. Deswegen habe er Stefan [K.] am 17. November 2019 gebeten, ihm die Nachricht mit der Waffenliste noch einmal zu schicken. Er habe die Liste dann an [Werner] S. weitergeleitet und S. gesagt, er solle sich selbst kümmern. Im November 2019 habe er von Sören B. erfahren, dass dieser im direkten Kontakt zu Werner S. stehe. Bei einem Kontakt mit Sören B. am 24. November 2019 habe er diesen gefragt, ob er noch immer Kontakt zu S. habe. B. habe geantwortet, dass S. per Nachricht vor einer Kontaktaufnahme gewarnt habe, da er einen „Hausbesuch“ [eine Hausdurchsuchung] gehabt habe. Sören B. habe gesagt, dass er das wisse und am Ende des Monats mehr erfahren werde. Daraus habe Steffen B. geschlossen, dass Sören B. und Werner S. direkten Kontakt zueinander hätten. Kennengelernt habe er Sören B. am 6. Dezember 2019 bei einer Party des „MC Underdogs“ in Halle.
B. bestreitet, am Waffendeal beteiligt gewesen zu sein
Sören B. habe Werner S. ausrichten lassen, so heißt es Steffen B.s Erklärung weiter, dass die „russischen Weihnachten“ ausfallen würden. Daraus habe er geschlossen, dass der Waffendeal ausfalle. Das habe er am 22. Dezember 2019 an Werner S. geschrieben, aber habe dabei nicht gewusst, was [bzw. welche Waffen] sich hinter dem Begriff „russische Weihnachten“ genau verborgen hätten. Später habe ihm Sören B. gesagt, dass er S. ausrichten solle, dass die „russischen Weihnachten“ doch stattfinden würden. Das habe er Werner S. bei der Begrüßung in Minden am 8. Februar 2020 persönlich mitgeteilt.
Stefan K. habe von den Nachrichten [über die „russischen Weihnachten“] nichts gewusst. Er habe darüber auch auf der Rückfahrt nicht mit Stefan K. gesprochen. Was im neuen Haftbefehl stehe über „Daumen hoch“ [der in einer Chatnachricht mutmaßlich signalisieren sollte, dass ein Waffendeal zugesagt wurde], stimme nicht. Er sei in die Waffenbeschaffung nicht weiter involviert gewesen. Der per Handy geschickte „Daumen hoch“ habe bedeutet, dass sie gut [auf der am Abend stattfindenden Geburtstagsfeier] angekommen seien. Dasselbe Emoji habe Werner S. auch schon einmal benutzt, um nach der Demonstration am 3. Oktober 2019 in Berlin zu signalisieren, dass er gut zuhause angekommen sei. Damals habe er Werner S. angeboten, bei ihm zu übernachten; S. habe jedoch abgelehnt.
B. behauptet, er sei nach Minden „aus der Sache raus“ gewesen
Nun wendet sich Steffen B.s Aussage der Geburtstagsfeier zu, bei der er noch am Abend nach dem Treffen in Minden am 8. Februar 2020 einen Waffendeal vereinbart haben soll. Steffen B. behauptet, er habe Sören B. nicht auf der Geburtstagsfeier von Enno P. getroffen und auch nicht mit dem Handy von K. gearbeitet. Den Abend beschreibt B. folgendermaßen: Er sei mit Stefan K. um 20 Uhr bei der Party in Schönebeck eingetroffen und habe viele der Anwesenden begrüßt. Davor habe er um 19:30 Uhr einen „Daumen hoch“ an Werner S. geschickt. Am 9. Februar 2020 habe er auf Facebook eine Nachricht an Sören B. geschickt, um ihm mitzuteilen, dass er Werner S. die Nachricht über die „russischen Weihnachten“ ausgerichtet habe.
Später habe er auch eine Nachricht an Werner S. geschickt, in der er wegen der Krankheit von Paul [Paul-Ludwig U.] das „Spanferkel“ [Codewort] abbestellt habe. Damit habe er die Vorschläge von Paul-Ludwig U. gemeint, man solle auch Frauen und Kinder ermorden. Auch an Thomas N. habe er geschrieben, dass er aus „der Sache“ raus sei. Er bereue es schon lange, nach Minden gefahren zu sein. Wenn seine Frau nicht auf einer Fortbildung in Stuttgart gewesen wäre, dann wäre er zu Hause geblieben.
Damit endet die Einlassung von Steffen B. Sein Verteidiger RA Ried erklärt abschließend, dass Fragen des Senats zur Sache und zur Person später zugelassen würden. Der VR ergreift wieder das Wort und führt 26 Aufnahmen von Telefonaten aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) als Beweismittel ins Verfahren ein. Es handelt sich um Gespräche aus dem Zeitraum vom 29. September 2019 bis zum 10. Februar 2020.
1. TKÜ: 23. September 2019, ab 13:35 Uhr, Dauer: 16 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und der LKA-Beamtin S.
Paul-Ludwig U. fragt, ob seine E-Mail angekommen sei, was S. bejaht. Weiter berichtet U. von seinen Vorbereitungen für ein Treffen mit Übernachtung draußen [mutmaßlich das an der Hummelgautsche]. Weiter erzählt er, dass er mit Teutonico [Werner S.] telefoniert habe. Möglicherweise mache man „so ein bisschen Schießtraining“. Es seien Leute da, „die etwas aktiv tun wollen“. Teutonico überlege, Waffen mitzubringen. Angemeldet seien zwischen 15 und 30 Personen, auch aus anderen Bundesländern. Das gehe nach „IRA-System“. Ein Matthias suche „für uns nach einem Stützpunkt“ in Baden-Württemberg oder Thüringen. Man habe auch gesagt, es gebe den einen oder anderen Sponsoren, der aber nicht öffentlich werden wolle. Marion G. werde ihn in Heilbronn abholen. Sie hätten vor, ein Konto bei einer Bank in Russland zu eröffnen. Teutonico habe schon angedeutet, was „wir für Aktionen machen“. Dafür brauche man Material. Einige hätten angedeutet, dass sie zu Hause schon etwas hätten. Er hoffe, dass das nur Maulhelden seien.
Die beiden vereinbaren einen Anruf nach Paul-Ludwig U.s Rückkehr. U. verspricht, nach seiner Rückkehr alles aufzuschreiben, und meint, er könne „nur hoffen, dass der Staatsanwaltschaft mich nicht verarscht“. Er mache das am Wochenende jetzt auf eigenes Risiko. Man habe mit ihm über die Option einer Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm gesprochen.
S. fragt nach einer „Notfallliste“. U. antwortet, die gebe es für Baden-Württemberg. Darauf ständen Privatadressen und Nummern, um untertauchen zu können. Marion G. stehe darauf. Es gebe noch eine erweiterte Liste für Hessen und NRW. Man könne auch jemanden auf der Liste anrufen und sich Geld zum Kauf von Waffen borgen. U. freut sich, dass er in S. eine Ansprechpartnerin gefunden habe; „da ist kein Chaos mehr“.
Erklärungen der Rechtsanwält*innen
Laut RA Herzogenrath-Amelung fielen die Begriffe „Sinn Fein“ und „IRA“. Das seien übliche Ausschmückungen des Herrn U.
RAin Rueber-Unkelbach, Verteidigerin von Wolfgang W., merkt an, dass ein bestimmter Gesprächsteil in der Verschriftlichung nicht zu finden sei: „Er hofft, dass der Staatsanwalt ihn nicht verarscht habe. Er mache das am Wochenende jetzt auf eigenes Risiko.“
Der Angeklagte Frank H. weit darauf hin, dass U. bereits am 23. September 2019 über eine Gruppe ausgesagt habe, die er erst sechs Tage später [beim Treffen] kennengelernt habe.
2. TKÜ: 27. September 2019, ab 14:00 Uhr. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und der LKA-Beamtin S.
S. holt die Belehrung U.s nach: Zu Beginn des Telefonats wolle sie U. darauf hinweisen, dass er Beschuldigter sei. Ob ihm das beim letzten Gespräch klar gewesen sei? U. bejaht und erzählt, dass er zu dem Treffen in Alfdorf [an der Hummelgautsche] mit Oliver K. fahre. Das Treffen gehe bis Sonntag. Teutonico sei schon da und habe geschrieben: „Du wirst ein paar richtig gute Leute kennenlernen.“ Auch ein paar Ex-81er [„Hells Angels“] seien da. Dafür habe man auch eine „Spielgruppe“ [vermutlich eine Chatgruppe]. Es würden zehn bis 20 Personen kommen, darunter Marion G. Einige hätten angekündigt, sich Schutzwesten zu holen. Im Chat sei geschrieben worden, dass manche „Spielzeug“ mitbringen würden. Damit seien Waffen gemeint. Morgen solle besprochen werden, wie es mit den „Spielen“ weitergeht. Dann erwähnt U. die Suche nach einem Grundstück: Das solle als fester Treffpunkt, als Unterschlupf und als Sammelstellen für Vorräte, Geld und eventuell Waffen dienen. Der Grundstückskauf durch Matthias L. [vermutlich in Thüringen] sei nicht zustande gekommen.
Er sei nach dem Treffen nur Montag und Dienstag da, so U. Danach fahre er bis zum 6. Oktober zur Gruppe „Ehre Stolz Loyal Respekt“ um Jonny L. U. und die Polizistin S. vereinbaren ein Telefonat am Montag. U. möchte, dass Herr K. dabei ist. S. fragt nach der Dauer des Treffens. Das sei wichtig für den „Organisationsplan“ [vermutlich in Sachen Observation]. U. verspricht: „Ich versuche, so viel wie möglich rauszufinden.“ S. betont zum Abschluss des Telefonats: „Sie haben von uns keinerlei Aufträge.“
Erklärungen der Rechtsanwält*innen
RA Herzogenrath-Amelung bezieht sich auf die Pläne, ein Grundstück zu kaufen. Dies erinnere ihn an Angaben von Thorsten W. [Damit zielt der RA auf die Verteidigungsstrategie ab, es sei nur um Preppen gegangen.]
RA Just erklärt, er habe den Eindruck, dass S.‘ Belehrung [dass U. Beschuldigter sei und keine Aufträge habe] nicht an U. gerichtet sei, sondern an Personen, die das Gespräch später anhören würden.
Markus K.s Verteidigerin RAin Schwaben gibt an, je länger sie zuhöre, umso mehr werde ihr schlecht. Die Verschriftung des Telefonats sei fehlerhaft. Es würden scheinbar immer bestimmte Dinge fehlen. [Lückenhafte Gesprächsprotokolle über die TKÜs hatten die RA*innen bereits in der Vergangenheit mehrfach kritisiert; mehrmals verbunden mit dem Verdacht, dass gerade für die Verteidigung hilfreiche Ausschnitte fehlen würden.]
RA Berthold, Verteidiger von Michael B., merkt an, dass im ersten Telefonat keine Belehrung erfolgt sei. S. habe im zweiten Gespräch die Belehrung ausgesprochen und rückwirkend auf das erste Gespräch ausweiten wollen.
3. TKÜ: 30. September 2019, 10:00 Uhr, Dauer: 8 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und der LKA-Beamtin S.
U. bestätigt, dass das Treffen stattgefunden habe. Es seien knapp 17 „Köpfe von allen Landesgruppen“ dagewesen. Im Frühjahr solle es ein Treffen in Italien geben. Werner S. sei in einer Tiroler Miliz gewesen. [Werner S. behauptet, bei den Carabinieri in Südtirol gedient zu haben. Das ist aber eine Lüge.] Ein Ernst sei auch dabei und bewaffnet gewesen. Teutonico habe eine Waffe im Kofferraum gehabt. Oliver K. und Marion G. seien ebenfalls da gewesen. Zum Treffen im November wolle ein 66-jähriger Ex-Polizist kommen. Tony von der Landesgruppe Sachsen habe gesagt: Allein die haben 2.500 Leute.
An dieser Stelle unterbricht S. den Redefluss: „Das können Sie morgen alles erzählen. Ihnen ist klar, dass sie die Aussage freiwillig machen?“ Das müsse sie ihm pro forma mitteilen. Auf Nachfrage von U. verneint S., dass bei dem morgigen Treffen der Staatsanwalt anwesend sei. U. gibt an, er habe mit dem Staatsanwalt „auch nochmal was unter vier Augen zu besprechen“.
Erklärungen der Rechtsanwält*innen
RA Herzogenrath-Amelung weist darauf hin, dass die erwähnte Gruppe mit 2.500 Personen in Sachsen eine falsche Information sei.
RA Picker, Verteidigung von Marcel W., vermerkt, das sei das dritte Gespräch im September zwischen U. und der Beamtin. Die Informationsabgabe an Behörden sei stetig erfolgt. Es werde von U. dafür offenbar eine Gegenleistung erwartet. Der RA fragt, ob aus dem Informanten-Verhältnis ein Mitarbeiter-Verhältnis geworden sei. Das Ganze könne rechtlich nicht mehr als einfaches Informanten-Verhältnis angesehen werden.
4. TKÜ: 7. Oktober 2019, ab 20:01 Uhr, Dauer: 14 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und Timo P.
Eingangs fragt Timo [offenbar ein Bekannter U.s], ob U. nun eine neue Handynummer habe. U. gibt gegenüber Timo an, jetzt in der „Bruderschaft Deutschland“, die „Combat 18“ sehr nahestehe, aktiv zu sein. Die „Bruderschaft“ könne sich locker mit den „Hells“ [Angels] und den „Bandidos“ anlegen. U. erzählt weiter von seiner Teilnahme an einer Demonstration am 3. Oktober 2019 in Berlin, bei der 20 Gruppen gewesen sein. Sein Gesprächspartner versteht nicht, von welchen Gruppen U. spricht. U. berichtet außerdem, er sei „der Admin für den militärischen Bereich“. U. schickt Timo ein Video, mutmaßlich von dem Aufmarsch in Berlin am 3. Oktober.
RA Berthold weist darauf hin, dass es interessant sei, dass U. ein zweites Handy habe. [Offenbar will der RA darauf hinaus, dass U. etwas von der Überwachung geahnt haben und sie mit einem Ersatzgerät umgangen haben könnte.]
5. TKÜ: 14. Oktober 2019, 20:13 Uhr, Dauer: 7 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und Ralf N. von der „Bruderschaft Deutschland“.
Ralf N. erzählt U., er sei auf Montage in Dresden. U. fragt ihn, ob er Mitglied der „Bruderschaft Deutschland“ werden könne. Er habe schon mit Matze [Werner S.] gesprochen. N. verweist U. an Peter [O.]. Man habe überall Interessenten. U. sagt, dass man ihm vertrauen könne. Laut Teutonico sei er der „Typ Sprengstoffweste“. Ralf N. bremst ihn: „Ganz Extremes wird nur unter vier Augen besprochen.“ Man wisse nie, wer wo drinsitze; es gebe immer ein faules Ei. Das könne man rausfiltern, sie hätten Leute, die Personen überprüfen könnten. U.s Nummer gebe er weiter, Peter melde sich bei ihm.
6. TKÜ: 17. Oktober 2019, ab 16:25 Uhr, Dauer: 11 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und der LKA-Beamtin S.
U. erkundigt sich, ob alles angekommen sei. S. bestätigt, U.s Sprachnachrichten erhalten zu haben. U. berichtet, dass Teutonico nach Italien fahre und sich mit Fremdenlegionären treffe. Dann regt sich U. über einen Beitrag der Tagesschau auf und sagt, er habe gedacht: „Geh doch gleich zur ‚Bruderschaft Deutschland‘ und erzähl denen das.“ [Der Beitrag handelt offenbar von der „Bruderschaft Deutschland“ und wird von U. als Warnung an die Gruppe interpretiert.]
Dann kündigt U. an, nach Genua zu fahren und von dort aus zu Werner S.‘ Hütte. Außerdem werde er Ralf N. kennenlernen und in die „Bruderschaft Deutschland“ aufgenommen werden. Wieder holt S. mitten im Telefonat die Belehrung U.s nach. Gegen Ende erwähnt U. noch, es würden sich alle auf Frühjahr 2020 konzentrieren, dann solle es losgehen. Das nehme Dimensionen an, damit habe so niemand gerechnet.
7. TKÜ: 18. Oktober 2019, Dauer: 18 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und der LKA-Beamtin S.
Nach der Belehrung fragt U., ob alles angekommen sei. S. fragt, was für eine Gruppe die sogenannte „HTF“ sei. U. erklärt, das stehe für „Heimattreue Familie“. Dann schimpft er auf den Chef des BKA. [Dieser hatte offenbar in einem Tagesschau-Interview etwas zu rechten Gruppen gesagt.] Dessen Äußerungen seien der Grund, warum sie [die Rechten] nun auf Threema oder VK.com wechseln würden. Auch Teutonico habe einen Wechsel vorgeschlagen. „An die russischen Provider kommen wir [Deutschen] nicht ran.“ Teutonico sei jetzt in Mailand und treffe sich mit Fremdenlegionären, zwei davon mit Diplomatenstatus. Dieser Status mache jeglichen Transport von Waffen einfach. Die Gruppe um Marion G. habe eine Sammelstelle in Bayern, eine Hütte im Wald. Der Besitzer habe sie Marion G. zur Verfügung gestellt. In der Hütte wolle man Vorräte, eventuell auch Waffen lagern.
U. beklagt sich, dass er nicht rausgehen [im Sinne von aussteigen] könne. Wenn er jetzt rausgehe und es passiere etwas nächstes Jahr, dann könne er damit nicht leben. Herr K. [ein Beamter] sei schon lange von seiner Einschätzung abgekommen, dass das [wovon U. berichtet] ein Kindergartenverein ist. U. stellt eine rhetorische Frage: „Ihr ermittelt. Und kommt ihr dahin, wo ich hinkomme? Nein!“ S. mahnt U., er möge sich nicht in Gefahr begeben. U. sorgt sich weiter: „Wenn wir jetzt reingehen“ [und die Gruppe festnehmen], dann würde das zu ein, zwei Jahren Haft führen. Man brauche genügend, um sie für Jahre hinter Gitter zu bringen. Ihm gehe es „nicht um Larifari“. Ihm sei bewusst, dass er sich strafbar mache.
Erklärungen der Rechtsanwält*innen
RA Herzogenrath-Amelung tut die Aussage, Werner S. werde in Italien Fremdenlegionäre mit Diplomatenstatus treffen, als schlichten Unfug ab.
RA Siebers, Verteidiger von Werner S., merkt an, dass U. den Beamten K. umgedreht und ihn davon überzeugt habe, dass es sich nicht um einen Kindergartenverein handle.
RAin Schwaben weist erneut auf Lücken in der Verschriftlichung hin. Es sei unschön und kein guter Stil, dass ausgerechnet die Dinge, die hier so aufstoßen würden, fehlten.
8. TKÜ: 28. Oktober 2019, Dauer: 12 Minuten. Gespräch zwischen Paul-Ludwig U. und der LKA-Beamtin S.
U. fragt S., ob sie seine E-Mails erhalten habe, und S. bejaht. Anschließend belehrt sie U. Dieser beschwert sich, dass die Medien erneut etwas [zur „Bruderschaft Deutschland“] veröffentlicht hätten. Die würden die Leute warnen. Sie könnten noch genug berichten, wenn die Leute hinter Schloss und Riegel sitzen würden. Das nächste Treffen sei in Hamburg. Es würden vier Fremdenlegionäre kommen, zwei davon mit Diplomatenstatus. Insgesamt kämen 10 bis 15 Mann. U. erwähnt, dass er nochmal mit seinem RA gesprochen habe, und dass der ihm geraten habe, nach der Möglichkeit zu fragen, Vertrauensperson zu sein. S. entgegnet, er sei in dem Fall „zu sehr involviert“. Rechtlich gehe das nicht. U. fragt weiter nach, ob denn Zeugenschutz noch eine Option sei. S. bejaht das.
Erklärungen der Rechtsanwält*innen
Laut RA Herzogenrath-Amelung existieren die Fremdenlegionäre nur in Werner S.‘ Fantasie. Außerdem interpretiert er das Gehörte so, dass U. darauf hingearbeitet habe, in den Zeugenschutz zu kommen.
RA Grassl merkt an, dass immer wieder die Belehrung und die Erwartung, in den Zeugenschutz zu kommen, falle.
RAin Rueber-Unkelbach beantragt, weitere Telefonate, in denen es um Quellen und Vertrauenspersonen geht, in die Hauptverhandlung einzuführen. Sie nennt ein Gespräch vom 8. Oktober 2019, in dem U. gegenüber einem Bekannten angegeben habe, er sei Vertrauensperson und Quelle. Auch dem Polizeibeamten W. habe U. am 4. Oktober 2019 gesagt, er sei eine Quelle.
Laut RA Picker führte U. materiell und rechtlich die Tätigkeit einer V-Person aus. Zwar habe U. keinen V-Mann-Führer – das diene aber nur dazu, den Vorwurf zu vermeiden, die Behörden hätten Taten provoziert. Das sei ein verfahrensrechtlicher Trick, um sich zu exkulpieren.
RA Berthold schließt sich dem Beweisantrag von RAin Rueber-Unkelbach an, weitere Telefonaufnahmen als Beweismittel einzuführen. Dann erklärt der RA, U. habe detaillierte Anweisungen bekommen, einen Chat zu exportieren. Er sei unvollständig belehrt und dabei nicht auf konkrete Straftatbestände hingewiesen worden.
Nach diesen Erklärungen ergreift der VR das Wort und gibt bekannt, dass er die Haftbefehle gegen die Angeklagten angepasst habe. Die Inhaftierten sollen nun ohne Trennscheibe durch Ehegatten, Verwandte oder minderjährige Bewohner desselben Haushalts, also Adoptivkinder, besucht werden können. Außerdem sei bei den Besuchen ein LKA-Beamter im Raum. Der VR erklärt, dass ein gemeinsamer Transport mit anderen Häftlingen möglich sein solle, vorausgesetzt, diese hätten nichts mit dem Bereich 129a und Rechtsextremismus zu tun. Damit endet der 40. Prozesstag.