Prozesstag 28: Was erzählte Frank H. der Polizei nach seiner Verhaftung?

Am 28. Prozesstag gegen die „Gruppe S“ am 14. September 2021 wurde Kriminalhauptkommissar (KHK) Joachim W. als Zeuge vernommen. Er war am 14. Februar 2020 an der Hausdurchsuchung und der ersten Vernehmung des Angeklagten Frank H. in München beteiligt. Frank H. sagte in der Vernehmung über seine Aktivitäten bei den „Soldiers of Odin“ und den „Wodans Erben Germanien“ aus. Obwohl bei der Durchsuchung Messer bei ihm gefunden wurden, stellte sich H. als Person dar, die Gewalt ablehne. In seinem Verhör belastete Frank H. vor allem den mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. Dieser sei „für Bürgerkrieg“ gewesen. Außerdem bestätigte H., dass beim Treffen am 8. Februar 2020 in Minden über den Kauf von Waffen gesprochen worden sei. Es seien jedoch nicht alle damit einverstanden gewesen. Es sei auch darum gegangen, durch Anschläge auf Moscheen „Unruhen ins Land“ zu bringen. H.s ideologischer Hintergrund wurde im Verhör nur rudimentär herausgearbeitet. Der Vorsitzende Richter (VR) rügte den Zeugen: Seine unvorbereitet wirkende Aussage sei „einem Zeugen der Polizei nicht würdig“.

Die Verfahrensbeteiligten haben eine Terminverfügung bis zum Sommer 2023 erhalten, außerdem das Programm bis zum Ende des Jahres. Die Passwörter für die USB-Sticks mit den Aufnahmen aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) erhalten die Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft und die RA*innen am Ende des Tages.

Thema der heutigen Verhandlung sind die Hausdurchsuchung und die erste Vernehmung von Frank H. aus München am 14. Februar 2020. Als Zeuge ist KHK Joachim W. geladen. Dieser befindet sich seit 1995 im Polizeidienst. Seine aktuelle Dienststelle ist die Hochschule der Polizei in Wertheim, wo er in der Abteilung Fortbildung beschäftigt ist. Davor arbeitete er seit Januar 2017 für den Staatsschutz im LKA, Abteilung 620 für sogenannten „Ausländerextremismus“. Im Fall der „Gruppe S“ sei er erst ab dem Nachmittag des 13. Februar 2020 involviert gewesen. Davor hätte er zwar von einem größeren Verfahren gehört, aber keine Kenntnisse vom Hintergrund gehabt. Für die Durchsuchung sei er als Mitarbeiter der Nachbarinspektion angesprochen worden, da man viel Personal benötigt habe.

Der Ermittler W. erfuhr erst am Vortag vom Fall

Der VR erfragt die weitere Mitarbeit des Zeugen W. im Fall nach der Hausdurchsuchung. W. gibt an, dass er ab dem 14. Februar bis Mitte August 2020 mit dem Fall betraut gewesen sei. Er sei dafür zur Soko „Valenz“ versetzt worden. Seine Aufgabe sei gewesen, sichergestellte Waffen zu dokumentieren sowie Daten, Schriftstücke und Bilder auszuwerten.

Nach Angaben des Zeugen gab es am Tag vor dem Zugriff eine „sehr große Einsatzbesprechung mit Zuweisung der Objekte“. Die zum Fall gehörenden Informationen habe er jedoch erst auf der Einsatzfahrt nach München von seinem Kollegen G. Erhalten. Auf die Frage des VR, was W. beim Aussteigen aus dem Auto in München gewusst habe, berichtet der Zeuge, dass laut der ihm vorliegenden Informationen eine Gruppe diverse Treffen abgehalten habe und dass es dabei um Waffen und Geld gegangen sei. Bei der Durchsuchung hätte vor allem nach Waffen, Sprengstoff, Datenträgern und weiteren Asservaten Ausschau gehalten werden sollen, die auf die Gruppierung hindeuten könnten. Über den Tatverdächtigen Frank H. hätten ihm nur fragmentarisch Informationen vorgelegen, unter anderem dessen Vorgeschichte in polizeilicher Hinsicht. Er sei gemeinsam mit den Kollegen Sch., der die Razzia geleitet habe, und dem für die Vernehmung zuständigen G. nach München gefahren. Unterstützt habe sie die Polizei Bayern. Bei dem Einsatz seien zunächst Spezialkräfte in das Objekt gegangen und hätten es gesichert. Anschließend hätten W. und seine beiden Kollegen es betreten. Sie hätten Frank H. mit Handschellen gesichert im Wohn- und Essbereich der engen Wohnung vorgefunden. Er selbst, so W., habe Fotos von der Wohnung und der Tiefgarage gemacht, wo man auch H.s Auto durchsucht habe. Er selbst habe keinen direkten Kontakt mit Frank H. gehabt und die erste Befragung durch G. nicht mitbekommen. Während der Durchsuchung habe man zum Beispiel Bargeld gefunden und Messer. Diese Funde seien fotografiert und asserviert worden. Bayerische Beamte hätten H. schließlich zur Vernehmung und erkennungsdienstlichen Behandlung abtransportiert; er (W.) und seine Kollegen seien später auf eine Münchener Inspektion zur Vernehmung gefolgt.

Frank H. verzichtete auf einen Anwalt

Die Suche nach einem Raum für die Vernehmung habe sich nicht so einfach gestaltet, so der Zeuge. Vor Ort habe sie ein Verbindungsbeamter dabei unterstützt. In der Hansastraße sei man beim Polizeikommissariat fündig geworden. Die Vernehmung habe von 13.30 Uhr bis 19.11 Uhr gedauert, inklusive Pausen. Daran beteiligt gewesen seien KHK G. als Vernehmungsführer, der Zeuge W., der ihn dabei unterstützt habe, und eine „bayrische Schreibdame“, die man von der Münchener Sicherheitskonferenz für die Vernehmung habe abziehen können. Der Kollege Sch. sei während der Vernehmung nicht im Raum gewesen, sondern nur als Springer aktiv gewesen, wenn ein Kollege den Raum habe verlassen müssen. Sch. hätte die Aufgabe gehabt, den Kontakt mit der Einsatzleitung in Stuttgart zu halten und sich um die Verpflegung zu kümmern. Der Beschuldigte Frank H. hätte auf einen Rechtsbeistand für die Vernehmung verzichtet. Schon am Morgen während der Hausdurchsuchung habe der Einsatzleiter Sch. im Durchsuchungsbericht vermerkt: „Herr [H.] verzichtet ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.“ H. habe nur gewollt, dass sein Arbeitgeber informiert werde.

Das Protokoll: Mit Struktur und so wortgetreu wie möglich

Im Folgenden stellt der VR Fragen zum Verhör. Er möchte wissen, wie sich Joachim W. und sein Kollege G. auf das nachmittägliche Verhör vorbereitet hätten. Der Zeuge gibt an, den Durchsuchungsbeschluss vorher gesehen zu haben, aber sich nicht daran erinnern zu können, diesen detailliert gelesen zu haben. Einen Fragenkatalog habe es nicht gegeben. Man habe H. zunächst belehrt und sei dann verschiedene Fragenkomplexe durchgegangen: zunächst das Allgemeine wie die Biografie, dann das Fragespektrum des Kollegen G. Man habe sich beim Fragestellen abgewechselt.

Der VR hat das Vernehmungsprotokoll vorliegen. Er fragt den Zeugen, wie die Vernehmung verschriftlicht worden sei: eher zusammengefasst oder wortgetreu? Man habe der Schreibkraft die Formulierungen für das Protokoll diktiert und versucht, dabei Struktur reinzubringen, so der Zeuge. Bestimmte Formulierungen wie das Wort „Watschen“ habe man jedoch 1:1 übernommen. Auf die Frage des VR, ob Frank H. beim Diktieren eingeschritten sei, weil er sich eventuell falsch wiedergegeben fühlte, verweist der Zeuge Joachim W. auf eine Passage, die das Bogenschießen an der Hummelgautsche betreffe. Der VR zitiert aus dem Vernehmungsprotokoll. Darin steht demnach unter anderem, dass Frank H. über den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung belehrt worden sei, und dass H. gesagt habe, er mache die Angaben bei der Polizei, um den Tatvorwurf auszuräumen. H. soll demnach geäußert haben: „Ich mag die Grünen nicht, würde denen aber nie was tun.“ Dies sei 1:1 der O-Ton des Beschuldigten H., bestätigt der Zeuge W. Eine Diskussion über den Tatbestand habe es nicht gegeben. H. habe nur gesagt: „Ich möchte das ausräumen.“

Vorstrafe wegen Freiheitsberaubung und Vergewaltigung

Nach der Belehrung ging es bei der Vernehmung weiter mit biografischen Angaben. H. sei in München geboren und aufgewachsen, so W. Da der Zeuge seine Notizen nicht dabei hat, fällt ihm die Erinnerung schwer. Der VR hält ihm mehrere Stichpunkte vor: Landschaftsgärtner, Maschinenführer bei „Bilfinger Berger“, Gebirgsjägerbataillon (Nachschub), verheiratet, Geschwür entfernt und 1993 Straftat begangen und dafür eingefahren. Der VR möchte wissen, ob im Verhör gefragt worden sei, um welche Straftat es sich gehandelt habe. Der Zeuge gibt an, dass von ihm keine Frage gekommen sei, und man nur abgeklärt habe, dass er ein längeres Verfahren gehabt hätte. Der VR zitiert aus dem Vernehmungsprotokoll: „Welche Straftat haben Sie begangen und wie lange in Haft gesessen?“ Der Zeuge W. erinnert sich, dass die Tat in Zusammenhang mit einem Geschwür genannt worden sei. Von seinen bayrischen Kollegen habe er erfahren, dass es um ein Sexualdelikt gehe, für das H. längere Zeit in Haft gesessen habe.

Der VR hält ihm aus dem Vernehmungsprotokoll vor, dass H. in den 1980igern ein Magengeschwür gehabt habe, gegen das er schwere Medikamente genommen habe. 1993 sei er zu zehn Jahren Haft wegen Freiheitsberaubung und Vergewaltigung verurteilt worden. Seine jetzige Frau, aus Thailand stammend, habe er 2001 kennengelernt und im selben Jahr geheiratet. Diese habe einen Sohn in die Ehe mitgebracht.

Hobbys: Mopeds, Preppen, Odin

„Mit was beschäftigen Sie sich in ihrer Freizeit?“, zitiert der VR eine Frage aus der Vernehmung. Vom Zeugen W. möchte er wissen, was Frank H. darauf geantwortet habe. Der Zeuge erinnert sich, dass H. Mopeds und das Preppen angegeben habe. Bei letzterem Punkt habe W. nochmal nachgefragt, was man sich darunter vorstellen könne. H. habe geantwortet, es gehe dabei um Feuermachen und Steinschleuder schießen. „Das haben wir bei den [Soldiers of] ‚Odins‘ geübt“, soll H. gesagt haben. Zu den Treffen der „Soldiers of Odin“ hält der VR aus dem Protokoll vor, dass dort Feuer gemacht, getratscht, geblödelt, gecampt und Schießübungen mit der Steinschleuder abgehalten worden seien. Er fragt den Zeugen, ob denn auch Schießübungen mit der Armbrust ein Thema im Verhör gewesen seien, und was man bei der Hausdurchsuchung gefunden habe. Der Zeuge erinnert sich unter anderem an Pfeile. An eine Pistolenarmbrust könne er sich auch erinnern, aber den Rest müsse er nachlesen.

Das Interesse des VR gilt neben den Waffen auch der Frage, welche Rolle nordische Mythologie gespielt habe. KHK W. erzählt, H. habe erklärt, dass er die nordische Mythologie der Wikinger gut finde wegen des „Schutz[es] von Frauen, Kindern und Schwachen“. Man habe in der Wohnung auch nicht mehr gefunden, auch keine Plakate.

Präsident der „Wodans Erben Germanien Division Bayern“

In der Vernehmung erwähnte Frank H. offenbar verschiedene Gruppierungen. Auf Frage des VR nach Gruppierungen, die der Angeklagte während der Vernehmung erwähnt habe, benennt KHK W. die Gruppierungen „Soldiers of Odin“, das „Bündnis deutscher Patrioten“ und „Wodans Erben Germanien“. Mit diesen Gruppenbezeichnungen habe er, so der Ermittler W., jedoch während der Vernehmung nichts anfangen können. Das Themengebiet habe er seinem Kollegen G. überlassen, der schon länger hierzu ermittelt habe. Der VR hält dem Zeugen eine Antwort Frank H.s vor, die dieser während der Vernehmung gegeben habe. Angesprochen auf die „Soldiers of Odin“ und „Wodans Erben Germanien“ habe er erklärt, dass man früher mit den „Odins“ Camping und Feuer gemacht habe. 2018 habe man sich von den „Soldiers of Odin“ abgespalten und die „Wodans Erben Germanien“ gegründet. Frank H. selbst sei Präsident der „Wodans Erben Germanien Division Bayern“ geworden, eine Gruppe mit 30 Mitgliedern, die in ganz Bayern verstreut seien und sich ein bis zwei Mal im Monat treffen würden. Der Zeuge erzählt, ihm sei klar gewesen, dass H. „rechtsextrem“ sei und die nordische Mythologie in diesen Zusammenhang eine Rolle spiele.

Der VR macht einen weiteren Vorhalt aus der Vernehmung. Es geht um die Frage an Frank H.: „Haben Sie an solchen Spaziergängen teilgenommen?“ [Gemeint sind Bürgerwehr-ähnliche Patrouillen.] Daraufhin habe Frank H. gesagt, er habe am Anfang an solchen Spaziergängen in seiner Funktion als „Sergeant at Arms“ teilgenommen. Später habe er mit den „Wodans Erben Germanien“ selbst solche Spaziergänge organisiert und durchgeführt.

Vor der Gründung der „Wodans Erben Germanien Division Bayern“ sei Frank H. für kurze Zeit „Sergeant at Arms“ bei den „Soldiers of Odin“ gewesen. Bezüglich der „Soldiers of Odin“ habe H. betont, es sei um Schutz gegangen, die Gruppe sei „aber keine Bürgerwehr“, sondern habe sich beispielsweise um „Beratungen von Frauen“ gekümmert.

Frank H. und Werner S. kennen einander seit 2016

Der VR hält W. aus dem Verhörprotokoll vor, dass Frank H. Werner S. von einem Treffen der „Soldiers of Odin“ kenne. Es habe [in Minden] ein Treffen mit elf Personen gegeben, von denen H. vier oder fünf bereits gekannt habe. „S., den kenne ich am längsten von allen. Ein Naturbursche. Kenne ihn unter Giovanni, Teutonico, Werner Schmidt [Aliasname]“, so der Beschuldigte H. im Verhör. Und das schon seit 2016. Man habe gemeinsam Orientierungsläufe gemacht.

Bezüglich der Treffen mit den „Soldiers of Odin“, erinnert sich der Zeuge W., habe Frank H. eine Demonstration in Berlin am 3. Oktober 2019 genannt; ebenso ein Treffen am Wolfsee (bei Fischbachau, Bayern). H. sei ein Funktionär bei den „Wodans Erben Germanien“ gewesen.

Der VR weist auf einen Zusammenstoß der „Erben“ mit Antifaschist*innen bei der Odinstatue in München-Bogenhausen hin. Laut Joachim W. äußerte H. aber keine besondere Abneigung gegen „die Antifa“. Vielmehr sei es nach Ansicht von Frank H. um den Schutz von Frauen, Kindern und Schwachen gegangen sowie um die nordische Mythologie.

Kontakt zur „Bruderschaft Deutschland“ und zum „Bündnis Deutscher Patrioten“

Anschließend soll der Zeuge über H.s Kontakte mit weiteren Gruppierungen und Teilnehmern des Treffens am 8. Februar 2020 in Minden berichten. Von den Gruppierungen erinnert sich der Zeuge W. zunächst an die „Bruderschaft Deutschland“. Der Name Ralf N. [eine ihrer Führungspersonen] sei ihm beim Vernehmungstermin nicht geläufig gewesen, aber im Zuge der weiteren Ermittlungen aufgetaucht. Von Frank H. sei die „Bruderschaft“ als „zu hart“ eingeschätzt worden. Was das genau bedeute, kann der Zeuge jedoch nicht erklären. Als weitere Gruppierung, erinnert sich W., habe H. das „Bündnis Deutscher Patrioten“ genannt, und als dessen Aufgabe die „Aufklärung gegen links“. Man habe sich miteinander vernetzt. Genaueres wisse er aber nicht mehr, so Joachim W., auch nicht, als der VR aus dem Verhörprotokoll die Namen Markus B. und Daniel K. vorliest.

Werner S. sei „schon für Bürgerkrieg“ gewesen

Der VR geht über zur Frage, ob H. im Verhör Namen genannt habe, die den Angeklagten zuzuordnen seien. KHK W. erinnert sich daran, dass der Name Werner S. in der Einsatzbesprechung am Tag zuvor genannt worden sei. Außerdem Tony [E.] vom „Freikorps Heimatschutz“, dazu Paul-Ludwig U. und Marcel „Matze“ W., der mit Frank H. bei den „Wodans Erben Germanien Division Bayern“ aktiv sei. H. habe Werner S. unter dem Namen „Teutonico“ gekannt. Dieser sei laut H. an der „Soldiers of Odin“-Abspaltung „Der neue Rat“ beteiligt gewesen. Sein Verhältnis zu S. habe H. so beschrieben: „Ich mag ihn als Person, aber etwas zu radikal.“ Werner S. sei „schon für Bürgerkrieg“ gewesen. H. behaupte dagegen von sich selbst, „was gegen Gewalt“ zu haben.

Der Zeuge erinnert sich, dass H. im Laufe des Nachmittags nach seiner Festnahme und den ersten Stunden im Verhör resigniert gewirkt habe. Er vermutet, dass H. geahnt haben könnte, dass er den Raum nicht als freier Mann verlassen würde. Insgesamt habe H. „den ganzen Tag über eine neutrale Haltung gehabt“. Am Abend habe die Einsatzleitung mitgeteilt, dass Frank H. am nächsten Tag in Karlsruhe vorgeführt werde. Der Zeuge berichtet, er selbst und ein Kollege hätten H. nach Stuttgart gefahren. Auf der Fahrt sei kaum gesprochen worden.

Das Treffen in Minden: Erinnerungslücken beim Zeugen

Anschließend fragt der VR nach dem Treffen in Minden vom 8. Februar 2020. Wann Frank H. in Minden angekommen sei, wisse er nicht, so W. H. habe das Treffen um 19 Uhr verlassen. Wer dazu eingeladen habe, wer Initiator sei und wie Frank H. zu diesem Treffen gekommen sei, wisse er nicht. H. sei jedoch mit dem Mitangeklagten Marcel W. zum Treffen gefahren. Zu H.s Aussage über die anwesenden Personen erinnert sich W. an Paul-Ludwig U., „Matze“ [Marcel] W. und „Giovanni“ bzw. „Teutonico“ [Werner S.]. An die Gesamtzahl der Teilnehmer könne er sich nicht erinnern. Der VR weist darauf hin, dass er das am heutigen Tag schon zwei Mal vorgelesen habe. Er fragt den Zeugen, ob der „Tony vom Freikorps“ teilgenommen habe. Das sei ihm nicht erinnerlich, sagt KHK W.

Der VR greift eine Formulierung aus dem Vernehmungsprotokoll auf und fragt den Zeugen, ob er mit der Formulierung „Unruhe ins Land bringen“ etwas anfangen könne. Ja, so etwas habe der Beschuldigte H. gesagt, erklärt der Zeuge. Man wolle Unruhe reinbringen, weil sich die Moslems untereinander auch nicht grün seien. Zur Frage, ob Anschlagsplanungen von H. genannt worden seien, fällt dem Zeugen ein, dass „Politiker wegräumen“ ein Thema gewesen sei. Aber da würde man nicht einfach so hinkommen, habe es daraufhin geheißen. H.s Einstellung zu dem Treffen beschreibt der Zeuge als „neutral“ und „nicht euphorisch“. Über Aussagen zur Motivation, zu dem Treffen zu fahren, kann der Zeuge keine Angabe machen; ihm fehle Hintergrundwissen. Ebenso wenig kann er etwas zu Vereinbarungen des Treffens oder zum politischen Hintergrund der Teilnehmer sagen.

Der VR wirkt zunehmend ungehalten; sagt, der Zeuge hätte sich mal besser vor der heutigen Befragung das Vernehmungsprotokoll durchgelesen. „So wie Sie sich präsentieren, ist das einem Zeugen der Polizei nicht würdig“, verleiht der VR seinem Unmut über die knappen Antworten des Zeugen Ausdruck.

Fuhr Frank H. mit dem Motorrad zum Waffenkauf nach Tschechien?

Im nächsten Gesprächsblock geht es um den Kauf von Waffen und die Bereitstellung von Geld. Der Zeuge bestätigt, dass nach Angaben von Frank H. Geld gesammelt worden sei. Der VR liest aus dem Vernehmungsprotokoll eine Aussage von H. vor. Darin heißt es: „Giovanni hat gefragt, wer Geld spenden kann. 40.000 bis 50.000 Euro. Wer möchte was haben? Kurz- oder Langwaffen?“ W. berichtet, Frank H. habe sich nicht dazu geäußert. In der Vernehmung sei das Gespräch auf Motorradtouren gekommen. Bei der Hausdurchsuchung am Morgen habe man mehrere Motorradbilder in der Wohnung des Beschuldigten gesehen. Die Ermittler hätten Tschechien als Anlaufpunkt für mögliche Waffenkäufe angesprochen. Frank H. habe sich jedoch nicht zu Waffenkäufen geäußert. Zumindest kann sich der Zeuge nicht mehr daran erinnern. Der VR verweist auf den Begriff „kleiner Flobert“ aus dem Protokoll und möchte vom Zeugen wissen, was das sei. Der Zeuge erklärt, es handle sich dabei um eine Schusswaffe, um sogenannte „Zimmerstutzen“ [eine Art Traditionswaffe].

Der VR wirft über den Beamer das Vernehmungsprotokoll an die Wand. An einigen Stellen sind handschriftliche Änderungen von Frank H. zu sehen, die einzelne Aussagen abschwächen. Dann erwähnt der VR eine Sorge, die Frank H. laut Vernehmungsprotokoll zum Ausdruck gebracht habe: dass auch andere Verfahrensbeteiligte seine Aussage zu lesen bekommen und das Auswirkungen auf seine Frau und seinen Sohn haben könnte.

Ein Fluchtrucksack neben dem Bett

Gefragt nach seinen Gesamteindrücken vom Tag der Vernehmung erinnert sich der Zeuge an H. nicht als „übler Beschuldigter“, sondern eher als „umgänglich und kooperativ“. Auf die Frage des VR, ob noch jemand in der Wohnung gewesen sei, erinnert sich der Zeuge an die Ehefrau und den Sohn, die jedoch zur Arbeit oder zur Lehre gegangen seien. Ein Gespräch mit den beiden habe nicht stattgefunden. Außerdem fällt dem Zeugen noch eine Messersammlung inklusive einer Karambit-Klinge im Stauraum von Frank H.s Auto ein, sowie den Fluchtrucksack neben H.s Bett. „Warum hatte er das?“, fragt der VR. Für den Fall, dass das System zusammenbricht, erwidert der Zeuge; warum das System zusammenbrechen könnte, habe H. allerdings nicht erklärt.

„Unruhe ins Land bringen“

Im Anschluss erhalten die weiteren Mitglieder des 5. Strafsenats Gelegenheit, Fragen an den Zeugen W. zu stellen. Richter Kemmner greift mehrere Formulierungen des Angeklagten H. aus dem Protokoll auf, die in Minden gefallen sein sollen. So widmet er sich zunächst der Aussage, man habe „Unruhe ins Land bringen“ wollen oder sollen. Obwohl es nach Angaben des Richters eine breitere Passage im Protokoll gibt, kann sich der Zeuge kaum daran erinnern. Er habe die Vernehmung schlicht nicht präsent. Der Richter fragt nach weiteren Themen, die am Tisch in Minden diskutiert wurden und hilft dem Zeugen auf die Sprünge. So habe sich H. auch zum Thema „Entnazifizierung“ geäußert. KHK W. gibt an, in der Vernehmung über diesen zeitgeschichtlichen Begriff irritiert gewesen zu sein. H. habe gesagt, der, der rechts neben ihm gesessen habe, sei der Hausbesitzer [Thomas N.] gewesen. Dieser habe mit seinem „Spezl“ über die Entnazifizierung gesprochen. Und links von H. sei es darum gegangen, „Unruhe zu verbreiten“.

Der Richter möchte wissen, was Frank H. über die Reaktionen der Teilnehmer ausgesagt habe. Der Zeuge berichtet, Werner S. habe laut H. von Bürgerkrieg gesprochen und davon, „Ausländer“ zu vertreiben. Der Richter hilft W.s Erinnerung auf die Sprünge und verliest Teile der Niederschrift, laut der Tony E. für diese Pläne gewesen sei. Paul-Ludwig U. habe sich ebenfalls für S.‘ Pläne ausgesprochen, weil er nichts zu verlieren gehabt habe. „Matze“ W. hingegen sei laut Frank H. massiv gegen die Pläne gewesen. Die Anwesenden, die Familie haben, hätten sich laut H. auch eher ablehnend geäußert. Insgesamt habe die Idee, „Unruhe ins Land“ zu bringen, verschiedene Graustufen an Reaktionen hervorgebracht.

Werner S. sei „zu radikal“

Richter Mangold vertieft in seinen Fragen die Aussagen des Angeklagten H. über Werner S. während der Vernehmung. Der Zeuge erinnert sich, es habe einen Übergriff auf eine Frau gegeben, und beim selben Vorfall eine „Watschen“. Laut Frank H. sei Werner S. „zu radikal“. S. habe einen Bürgerkrieg gewollt. Außerdem habe H. ausgesagt, es habe für „Teutonicos“ Pläne wenig Zustimmung gegeben. Mit Italien habe er Werner S. aus den Aussagen von Frank H. nur in Zusammenhang mit einer Immobilie bringen können, die S. dort besitze. Über das Kennenlernen und die Verbindung der beiden weiß der Zeuge nicht viel zu berichten.

Der Richter erkundigt sich ferner nach H.s Aussagen zu einem Treffen am Wolfsee. Der Zeuge kann hierzu kaum Angaben machen. Das Treffen soll im Herbst 2018 stattgefunden haben. Der Richter hält ihm aus dem Vernehmungsprotokoll vor: „Bei dem Treffen ging es um eine Abspaltung.“ Und „Der ruhigere Teil ist bei den ‚Soldiers‘ geblieben und hat weiter gemacht“. Außerdem wird erwähnt, dass Werner S. die Gruppe „Der neue Rat“ als Führer mitorganisiert haben soll.

Als letztes Mitglied des Senats ergreift Richterin Geist das Wort. Sie fragt beim Thema Waffenbeschaffungen nach, erhält vom Zeuge W. jedoch keine weiteren Informationen darüber, wer sich nach Aussage von Frank H. wie geäußert habe. Nur, dass Werner S. zu wenig Zustimmung für den Waffenkauf bekommen habe, könne er aus H.s Aussage erinnern.

Anwält*innen beklagen Hindernisse in der Kommunikation

Tony E.s Verteidiger RA Becker verweist auf Beweisermittlungsanträge bezüglich des Zeugen Armando Massimilliano B., der für den 14. Oktober 2021 vorgeladen sei. Der RA wünscht Zugriff auf die Akten aus einem weiteren Verfahren gegen Werner S., in dem B. eine Rolle spiele. Außerdem bittet RA Becker um Einsicht in Akten zu einem Ermittlungsverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft München gegen den Gründer der Facebook-Gruppe „Die Aufrechten“. Am Ende des Tages erhalten die GBA und die Anwält*innen die Passwörter zu den USB-Sticks mit den TKÜ-Aufnahmen.

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