Am 6. September 2021 wurde vor dem OLG Stuttgart der Prozess gegen die „Gruppe S“ wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung fortgesetzt. Es wurden sechs weitere Aufnahmen aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) eingeführt, die um die Planung und schlussendlich Absage eines Treffens kreisten, das am 14. Dezember 2019 bei Tony E. stattfinden sollte. Aus den Gesprächen wurde insbesondere Tony E.s wichtige Rolle bei der Vorbereitung der Treffen ersichtlich. Dabei stimmte er sich eng mit Werner S. ab.
Der Vorsitzende Richter (VR) gibt eingangs bekannt, dass zur Einschätzung der Angeklagten Paul-Ludwig U., Frank H. und Torsten W. weitere Zeug*innen und Sachverständige gehört werden sollen. Weiterhin kündigt er an, dass für die kommenden Verhandlungstage 30 Aufnahmen aus der TKÜ aus dem Zeitraum zwischen dem 9. Dezember 2019 und 8. Februar 2020 eingeplant seien.
Bei der ersten Aufnahme handelt es sich um ein etwa siebenminütiges Telefonat zwischen Tony E. und Werner S. vom 9. Dezember 2019, das sie ab 22.01 Uhr geführt hatten. Werner S. fragt E., wie sie denn mit Sören [B., Führungsfigur des „Freikorps Heimatschutz – Division 2016“] verblieben seien. [Zu den Hintergründen, siehe Bericht zum Prozesstag 21.] Er selbst habe jetzt die Führung übernommen, erklärt Tony E. Es sollte aber noch eine zweite Person geben. Zur Auswahl stünden Thorsten [K.] und Werner S. Dieser äußert Bedenken aufgrund der großen Entfernung. Tony E. wirbt um ihn: S. habe ein weitreichendes Potenzial.
Tony E. übernimmt die Führung des „Freikorps“
Obwohl er nun zur Führung des „Freikorps“ gehöre, habe er sich, so Tony E., Ruhezeit bis Januar erbeten. Das habe er mit Sören [B.] so abgesprochen. Man habe schon lange nach einer neuen Führung gesucht. Tony E. beklagt die Inkonsequenz im „Freikorps“. Sören sei eher „liberal-moderat“ und überfordert mit der Aufgabe gewesen. Er komme mit der aktuellen Situation, also einer erweiterten Führung, besser zurecht.
Beide unterhalten sich weiter darüber, wer zum geplanten Treffen am 18. Dezember 2019 kommen wird. D. [gemeint sein dürfte der „Freikorps“-Landeschef Mecklenburg-Vorpommern, Michael D.] habe abgesagt. Tony E. hält D. für einen fähigen Mann. Als Werner S. fragt, wie es denn gekommen sei, dass E. die Führung des „Freikorps“ übernommen habe, entgegnet Tony E., er sei überrumpelt worden, er habe das eigentlich nicht gewollt. Ihm sei wichtig, dass sich jemand um seine Familie kümmert, wenn er mal nicht mehr da sei. Er sei auch nicht „mediengeil“ oder „Publicity-geil“, aber er habe eine gewisse Ausstrahlung und komme um den Job nicht herum. Werner S. verabschiedet sich, er rufe gleich zurück.
Ein „Kommen und Gehen“
Das folgende Gespräch zwischen Tony E. und Werner S. wurde kurz nach dem ersten geführt; noch am selben Tag um 22.19 Uhr. Werner S. zeigt sich darin wenig erfreut über das „Kommen und Gehen“ in der Gruppe. Bei der möglichen Aufnahme von Michael D. ist er skeptisch. Wenn Tony E. und seine Leute sagen würden, dieser würde viel machen und sei dabei, dann könne man sich mal anschauen, was D. zu bieten habe. Es könne aber nicht sein, dass Tony E. extra zu ihm fahre, um ihn sich genauer anzusehen. Tony E. hingegen sieht das weniger problematisch. Wenn er sage, „Micha, lass uns treffen“, dann könne man besser sehen, wie dessen Engagement ist. Neben einer weiteren Person höre man auch von „Jacky“ [Jacqueline H. vom „Freikorps Thüringen] nichts mehr, „Null“, beklagt Werner S.
„Kommen denn sonst noch bekannte Gesichter?“, will Werner S. wissen. Tony E. zählt einen Björn von den Holsteinern und Sören [B.] auf. Nach Thomas N. gefragt, beschwert sich Tony E. über dessen Fernbleiben bei einem vorherigen Treffen. Er habe bei Sören seine Hand für Thomas N. ins Feuer gelegt und dann komme er nicht, weil angeblich seine Motorleuchte angegangen sei. Alle seien über N.s Fernbleiben geknickt gewesen. Sören habe gesagt, er komme nicht zwei Mal. Das müsse er N. beim Treffen am Samstag [14. Dezember 2019] ankreiden, zeigt sich Tony E. enttäuscht.
Tony E. ist enttäuscht von Thomas N.s Absage
Werner S. versucht zu beschwichtigen. Ihm habe Thomas N. gesagt, wenn nicht mindestens 15 Leute kämen, dann sei er stocksauer und habe keine Lust mehr. Das wolle Werner S. ihm nicht ankreiden. Tony E. lenkt etwas ein. Er werde ihn zwar ins Gebet nehmen, aber er sehe auch die wirtschaftliche Seite bei Anfahrten zu solchen Treffen. Er finde es nur nicht gut, auf diese Art und Weise fernzubleiben. Werner S. wirft ein, dass er N. das erst einmal nachweisen müsse, dass es nicht an der Motorleuchte gelegen habe. Tony E. moniert den Zeitpunkt, an dem sich Thomas N. abgemeldet habe. Dabei kenne er ihn schon seit zwei Jahren und vertraue ihm.
Werner S. erkundigt sich, ob Heiko [vermutlich Heiko M. aus Rinteln] an dem Treffen teilnehmen wolle. Tony E. berichtet, dass Heiko abgesagt habe, da er gerade einen neuen Job in einem Schlachtbetrieb habe. Von einem Nachbarn, der auch in der Branche tätig sei, habe er gehört, dass in den letzten Wochen „Land unter“ sei. Und da Heiko das vorher kommuniziert habe, gehe das in Ordnung. Das Einkommen der Leute, so Tony E., sei das A und O. Werner S. weist darauf hin, dass Heiko einen Markus mitbringen wolle. Tony E. müsse Obacht geben.
Noch immer auf der Suche nach einem Grundstück
Tony E. und Werner S. sprechen nun über ein Grundstück, das man aufgetan habe. Das sei günstig. 1,10 Euro pro m² bei einer Fläche von 1.000 m². Das habe viel Potenzial. Von Thomas habe er aber dazu nichts gehört. Werner S. erzählt, dass Thomas N. ihm Infos zum Grundstück weitergeleitet habe. Der Vorschlag sei von Sören gekommen. Er, Werner S., habe sich das genauer angeschaut. Es sei eine Moorlandschaft, da könne man nichts drauf bauen, keinen Unterstand. Tony E. bleibt dabei: Es sei eigentlich ein perfektes Grundstück, das von einer älteren Frau verkauft werde. Und da gehe noch etwas im Preis. Sören habe mit der Frau gesprochen. Er müsse Sören zugutehalten, dass er ihm immer Hinweise auf Bücher und Antiquariatsauflösungen sende. Sören habe keine Kinder, der habe Zeit. Von Thomas aber habe er keine Rückmeldung erhalten.
Tony E.: Erst die Kinder, dann „die Sache“
Werner S. berichtet von Thomas N.s Ärger mit der Steuerfahndung. 70.000 Euro Schulden habe er. Das sei ihm neu, entgegnet E. Er habe zwar gewusst, dass N. da Probleme habe, aber nicht in dieser Höhe. „Reichsbürger-Scheiße“, regt sich Tony E. auf. N. erkenne das einfach nicht an. Dabei sei das, was Markus [vermutlich der Angeklagte Markus K.] sage, „zu 101% richtig“. Man müsse das „perverse Spiel“ [gemeint sind Rundfunkbeitrag, Steuern etc.] mitspielen, damit man in Ruhe gelassen werde.
Werner S. bestätigt das. Tony E. sagt, er habe auch schon viel probiert. Aber aus Angst, dass ihm die Kinder weggenommen würden, halte er sich zurück. Wenn seine beiden Jungs mal zehn bis zwölf Jahre alt seien und die Dinge selbst begreifen würden, dann gehe er mal ein bis zwei Jahre „für die Sache“ irgendwo hin. Aktuell gehe das aber nicht. Werner S. möchte beim Treffen am darauffolgenden Samstag mit ihm darüber sprechen. Tony E. will mit Thomas N. reden. Wenn man N. das argumentativ näher bringe, dann lasse er sich darauf ein.
Ein konspiratives Treffen
Beide kommen anschließend auf die Planung des Treffens in der Gegend von Tony E. zu sprechen. Ein Thema ist dabei wieder, dass das Treffen nicht abgehört werden soll. Tony E. fragt Werner S., ob dieser für seine Kunden erreichbar sein müsse und noch eine andere Nummer habe. Werner S. sagt, es gehe ohne, wenn sie zum Treffpunkt fahren würden. Tony E. will gegenüber den anderen ankündigen, dass die ihre Akkus rausnehmen oder das Handy zwei bis drei km entfernt hinterlegen müssten. „Im Garten, Keller, Garage, das ist doch wurscht“, meint Werner S. Tony E. will am Vorabend mit Werner S. noch zu seinem Lieblingsitaliener in Amelinghausen essen gehen. Am Samstag koche er dann einen ungarischen Hirteneintopf. Wenn aber Werner S. sage, er wolle auch am Vorabend nur Selbstgemachtes, dann könne er sich darauf einstellen. Werner S. entgegnet, „Spaghettifresser“ gehe für ihn in Ordnung.
Tony E. lenkt das Gespräch auf ein Bild, das beide in einer WhatsApp-Gruppe gesehen haben. Darauf zu sehen sei ein getuntes Auto. Werner S. habe das Bild kommentiert: „Sieht aus wie ein Diabolo.“ E. möchte wissen, wie S. das gemeint habe. Werner S. fühlt sich an eine Art teuflische Fratze erinnert. Tony E. erwidert, ihm sei die Felge zuerst aufgefallen, die wie ein Hakenkreuz geformt sei. Die Besitzer des Autos hätten das „beim Türken“ machen lassen. Er zeigt sich amüsiert, dass dieser erst spät gemerkt habe, was da gemacht werde. Zum Abschluss kündigt Tony E. einen Ramazotti für Werner S. als Gastgebergeschenk an. Werner S. gefällt das. „Den Rest nimmst du mit“, zeigt sich E. zum Abschluss des Gesprächs gönnerhaft.
Die Verfahrensbeteiligten erhalten vom VR die Gelegenheit, Erklärungen abzugeben. Thomas N.s Rechtsanwalt (RA) Sprafke sieht in den Gesprächen einen weiteren Beleg für die Zugehörigkeit seines Mandanten zur Prepperszene. RA Herzogenrath-Amelung, Verteidiger von Frank H., greift die Aussage Tony E.s auf, dass dieser etwas riskieren würde, wenn seine Söhne zehn bis zwölf Jahre alt seien. Diese seien jedoch noch deutlich zu jung, weshalb halsbrecherische Aktionen aktuell nicht in Frage kämen. RA Hofstätter argumentiert in eine ähnliche Richtung: Sein Mandant Tony E. kündige an, für zwei Jahre zu verschwinden. Es sei aber bekannt, dass für Mord und Totschlag deutlich längere Strafen verhängt würden.
„Paul U. hat es nie gegeben“
Anschließend wird ein Telefonat zwischen Paul-Ludwig U. und dessen Freund Timo P. aus Hagen vom 13. Dezember 2019 abgespielt. Paul-Ludwig U. steigt mit seiner Erzählung ein: „Gott sei Dank ist meine Aufgabe bald erledigt.“ „Endlich“, antwortet Timo P. Paul-Ludwig U. kündigt an, dass er am Sonntag zu Besuch kommen könne. Er sei nicht weit entfernt von Hagen. Aktuell sei er auf dem Weg nach Halle, von wo aus er gemeinsam mit jemand anderem zu einem Treffen nach Hamburg fahren werde. Nach dem Wochenende werde er wahrscheinlich nie mehr zurückkommen und müsse alle seine Kontakte löschen, erzählt U. [Eine Anspielung auf den Zeugenschutz; Hintergründe dazu im Bericht zu Prozesstag 23]
Auf die Frage von Timo P., wie gefährlich es werde, behauptet U., er werde von acht LKA-Beamten begleitet. „Alter, was geht denn ab?“, staunt Timo P. Paul-Ludwig U. verstärkt seinen Besuchswunsch. Es sei wichtig, dass er am Sonntag komme, denn ab Dienstag werde man sich nicht mehr sehen. Dann sei alles vorbei. Er „fange von Null an“, und „Paul U. hat es nie gegeben“. Eigentlich habe er, U., ein Verfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes an der Backe. Der GBA [Generalbundesanwalt] habe das aber an sich gerissen, und damit sei die Sache erledigt. Seiner Führungsaufsicht [Bewährungshilfe] müsste er das mitteilen, aber, so U. lachend, das interessiere die gar nicht.
Gruppen von Norddeutschland bis Italien
Paul-Ludwig U. berichtet, dass er eine Abrechnung über seine Bahnfahrten bekommen habe. Im Oktober sei er über 1.600 km mit der Bahn unterwegs gewesen, im November etwa 1.553 km. „Alles finanziere ich, ich habe kaum was fürs Leben. Wenn die mir nur einen Cent geben würden, dann würden die mich bezahlen, und dann würde der Prozess platzen.“ U. deutet dann an, dass er aus der Gruppe ab und zu Unterstützung erhalte. Trotzdem habe er seit Monaten gerade mal 50 Euro zum Leben. Für U. mache das alles dennoch Sinn und sei notwendig, denn die Terrorgruppe mache keinen Halt vor Frauen und Kindern, egal ob es Deutsche seien. Es gebe von Norddeutschland bis Italien Gruppen von 10 bis 15 Mann, die alle miteinander vernetzt seien. Hätte er es selbst nicht gehört, er hätte nicht daran geglaubt. Die Aktion sei für Frühjahr geplant, aber sie werde nicht stattfinden, weil jetzt alles auffliege. „Ich mache ja viel Scheiße mit“, erklärt U., aber das gehe zu weit.
In Hagen selbst gebe es keine Gruppe. Er fordert Timo auf, sich vorzustellen, was wäre, wenn seine Frau und Kinder in der Stadt unterwegs wären und die Aktion starte, weil er, U., nichts unternommen habe. „Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“. Aber das LKA könne von außen nicht so auf die Leute zugreifen. Da habe er mit seiner Vergangenheit [lange Haftstrafen, unter anderem wegen der Geiselnahme eines Polizisten] einen Vorteil. Der Nachteil sei, dass er nicht mehr in Deutschland bleiben könne.
Das Wochenende werde nochmal ganz heikel. Es könne zum großen Knall kommen. Zum Treffen sollen nach U.s Angabe Leute aus Italien, zwei Ex-Fremdenlegionäre und jemand mit Diplomatenstatus kommen. Wenn rauskomme, dass er sie verpfiffen habe, dann sei er platt. Deshalb seien acht LKA-Leute in unmittelbarer Nähe. Wenn etwas sei, dann müsse er am Telefon nur ein Wort sagen, und „dann kommt die Kavallerie“. Timo P. wirft ein, dass U. das schon mehrfach gesagt habe.
Reisestress und finanzielle Strapazen
Die ganzen Reisen und die finanziellen Strapazen gingen scheinbar nicht spurlos an Paul-Ludwig U. vorbei. Im Telefonat beschreibt er, dass er erschöpft sei, nicht richtig schlafen könne und mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen habe. Auch an diesem Wochenende müsse er früh raus und sich davor alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen lassen. „Das Treffen am Samstag ist das entscheidende“, beteuert er. Die Ermittlungsbehörden dürften ihm keine Einzelheiten zum Einsatz sagen. Er sei jedoch nicht allein vor Ort. Keiner von denen [den Sicherheitsbehörden] sei unter den Teilnehmenden, aber sie seien drumherum anwesend. Am Dienstag fahre U. dann zum Verhör. U. malt sich das Szenario aus. Wenn ein Zugrifft erfolge, dann gehe die Polizei mit Handgranaten rein. „Ich habe eine Herzschwäche“, habe er den Beamten gesagt. Das Grinsen, das U. von ihnen daraufhin wahrgenommen haben will, interpretiert er als Andeutung, dass die Polizei zugreifen will.
Paul-Ludwig U. beschreibt gegenüber Timo P. die Dimension seiner Mission. In den Gruppen, zu denen er gehöre, seien 80 Leute. Als er der Polizei davon berichtet habe, sei diese darüber erstaunt gewesen. U. behauptet, jede Gruppe habe eine Liste mit 33.000 Namen von jedem einzelnen Antifa erhalten, inklusive Adresse, Hausnummer und Wohnort [ein Leak eines linken Onlineshops]. Die Polizei freue sich besonders auf einen ehemaligen LKA-Beamten, der Mitglied in der Gruppe und früher als Personenschützer tätig gewesen sei. U.s Akte sei jetzt bundesweit geschlossen. Darauf hätten nur vier Leute Zugriff, jedoch kein Paderborner und kein Aachener Staatsanwalt.
„Hammer“, meint Timo P. Auf U.s Einwurf, er wisse nicht, ob er denn am Sonntag komme, wenn die Polizei da rein gehe, wirkt P. überfordert. U. wolle sich am Samstagabend nochmal bei ihm melden. Sollte das nicht klappen, dann werde sich das Wiedersehen auf längere Zeit verschieben. P. werde dann aus den Nachrichten erfahren, wie es ausgegangen ist.
Muss das Telefonat nochmal in der Verhandlung abgespielt werden?
RA Herzogenrath-Amelung betrachtet die Erzählung von U. als maßlose Übertreibung. Außerdem sei nie von Anschlägen im öffentlichen Raum die Rede gewesen, so wie U. behaupte, wenn er sage, P.s Familie könne in der Hagener Innenstadt Opfer eines Anschlags werden. Tony E.s Verteidiger RA Becker bedauert, dass der Sachverständige Winckler nicht anwesend ist. [Er ist nur zu ausgewählten Prozesstagen geladen.] Für die Beurteilung der „Persönlichkeitsstörung“ von U. sei dieses Telefonat von besonderer Bedeutung. Daher beantragt der RA die Wiederholung des Telefonats in der laufenden Verhandlung in Anwesenheit von SV Winckler.
RA Picker, Verteidiger von Marcel W., will anhand dieses Telefonats erkannt haben, dass Paul-Ludwig U. in seiner eigenen Welt, einer Art „analogen Blase“, gefangen sei. Sein Teamkollege RA Miksch geht auf U.s Aussage zu Beginn ein, er rauche eine „Kawumm“ [Rauchgeräte zum intensiveren Konsum von THC]. Er fragt sich, ob das einen Einfluss auf das Bewusstsein und die Urteilsfähigkeit in solchen Gesprächen habe. RAin Schwaben findet, dass das für den Sachverständigen eine interessante Information sei. Sie stellt infrage, was U. über den Ablauf des Personenschutzes gesagt habe. So etwas würde weder der GBA noch das LKA sagen.
Der VR holt im Anschluss Erklärungen zum Antrag von RA Becker ein. Bis auf die Verteidigung von Paul-Ludwig U., die sich enthält, schließen sich alle RA dem Antrag an. Oberstaatsanwältin (OStA) Bellay wendet ein, dass der Sachverständige das Telefonat auch in nicht laufender Verhandlung anhören könne. Bei den Erklärungen der RA hätte sie erwartet, dass die vermeintliche Besonderheit dieses Telefonats erklärt würde.
Werner S. kommt nicht vorwärts, und Michael B. kämpft um sein Geschäft
Das vierte Gespräch für heute wurde einen Tag vor dem geplanten Treffen bei Tony E. aufgezeichnet. Am 13. Dezember 2019 um 11.44 Uhr ruft Werner S. Tony E. an. Er könne weder umkehren noch weiterfahren [an diesem Tag gab es im Süden aufgrund des Wintereinbruchs ein Verkehrschaos]. Als Ankunftszeit werde ihm 22.53 Uhr angezeigt. Er habe mit Paul U. telefoniert. Der sei in Wuppertal und werde jetzt nach Hagen zu einem Kameraden fahren. Das Treffen falle aus. Tony E. bittet S., zwei Fotos in die Gruppe „Gesprächszimmer“ zu stellen, als Beleg, dass er nicht fahren könne. Tony E. bringt als neuen Termin Ende Januar ins Gespräch und äußert die Hoffnung, dass Ralf N. dann vielleicht auch teilnehmen könne. Für Werner S. passt der Termin jedoch gar nicht. Er habe da in Italien einen Notartermin für sein neu gekauftes Haus. Man vertagt die Terminsuche auf den folgenden Abend.
Als nächste Aufnahme wird eine Nachricht von Michael B. auf der Mailbox von Werner S. abgespielt. Am 13. Dezember 2019 um 13.34 Uhr sagt Michael B. seine Teilnahme am Treffen ab. „Bei mir sieht‘s scheiße aus“, sagt Michael B. Er könne nicht teilnehmen, weil es seiner Firma nicht gut gehe. Er könne sich den Sprit zum Treffen nicht leisten. Werner S.‘ Angebot zur Mitfahrt habe er abgelehnt, weil er gerade andere Sachen im Kopf habe, zum Beispiel die Außenstände bei seiner Ex in Höhe von 1.600 Euro wegen der Kinder und der Alimente. Er entschuldigt sich und bittet Werner S. um ein Gespräch in Ruhe. „Nix für ungut, du kennst meine Einstellung“, sagt Michael B. Daran werde sich auch nichts ändern. Mit guten Wünschen für das Treffen und die Fahrt verabschiedet er sich.
Absage, weil „Giovanni ist der wichtigste Mann“
Als letzte Aufnahme des heutigen Verhandlungstages wird ein Telefonat zwischen Tony E. und Thomas N. vom 13. Dezember 2019 um 14.06 Uhr abgespielt. Thomas N. hat von Paul-Ludwig U. gehört, dass er umdrehen soll. Tony E. erläutert, dass Giovanni [Spitzname von Werner S.] nicht kommen könne. „Giovanni ist der wichtigste Mann“, betont E. Außerdem habe ein anderer Teilnehmer mit der Betreuung der Familie eines Unfallopfers zu tun und Ralph [E.], „der Große, Kräftige“, könne auch nicht. Deshalb habe er zu Werner S. gesagt, das mache keinen Sinn. Dann müsse Tony E. eben alles selbst essen, antwortet Thomas N. Tony E. schlägt den 18. Januar 2020 als neuen Termin vor, weil Werner S. Ende Januar nicht könne. An Thomas N. gerichtet sagt E., man sehe sich vielleicht mal auf einem Weihnachtsmarkt. Dort könne man dann miteinander reden.