Am 20. Juli 2021, dem 18. Prozesstag gegen die „Gruppe S“ in Stuttgart-Stammheim, wurden viele abgehörte Telefonate eingeführt. In einem der Gespräche sprachen Werner S. und Michael B. am 6. Oktober 2019 kodiert über Schusswaffen und Munition. Wenige Tage darauf telefonierte Werner S. mit Tony E. und fragte ihn, ob er eine Waffe mit 2.000 „Akkus“ von ihm kaufen wolle. Tony E. antwortete, er habe „mehr als großes Interesse“. Noch im selben Monat versprach Thomas N. Werner S. telefonisch die Treue: „Mit dir würde ich in den Tod gehen.“ Außerdem betitelte sich N. als „Wotans Krieger“; er sei ein „Totgesagter“ und „kämpfe bis zum Schluss“. Im letzten Telefonat an diesem Prozesstag sprach Werner S. mit einem Mitarbeiter der Stadt Augsburg. Dabei gab er sich als sein Zwillingsbruder Carsten S. aus und behauptete, er kümmere sich um den Umzug seines Bruders Werner S. von Augsburg nach Mickhausen, da Werner S. „psychisch erledigt“ sei. Im Gespräch wurde klar, dass Werner S. Sozialhilfe empfing und zur Miete in einer kleinen Wohnung in Augsburg wohnte. Das zeigt, dass Werner S. ein Hochstapler ist, da er sich gegenüber seinen Mitstreitern anders dargestellt hatte.
Zu Beginn kündigt der Vorsitzende Richter (VR) an, 20 abgehörte Telefonate aus dem Zeitraum vom 6. Oktober bis zum 7. Dezember 2019 aus den Akten zum Strafverfahren gegen Marion G. [„Der harte Kern“] als Beweise in diesen Prozess einzuführen. An diesem Prozesstag werden neun der Gespräche abgespielt. Im ersten Telefonat erzählt Werner S. dem ebenfalls angeklagten Michael B., dass er gerade seine Wohnung ausräume. Außerdem bietet er Michael B. etwas zu einem „sehr attraktiven Preis“ an [vermutlich eine Slam Gun]. S. selbst habe zehn Stück von etwas genommen, das er als „Tretroller mit Kapitalbremse“ bezeichnet, inklusive „Akkus“. Die würden „reinhauen“. Michael B. ist begeistert und findet das „super“.
Weiter erzählt Werner S., dass er aus einer Chatgruppe ausgetreten sei. Der geplante Grundstückskauf in Thüringen und „der ganze Dreck ist für den Arsch“. Bis Freitag schaue er sich das im Korps [Gruppe „Freikorps Heimatschutz Division 2016 – das Original“] noch an, dann gehe er da auch raus.
Anschließend spielt der Vorsitzende Richter (VR) ein Gespräch vom 6. Oktober 2019 zwischen Werner S. und Tony E. ab. Werner S. berichtet darin, er habe seine Wälder verkauft und den Hof an einen Pro7-Aufnahmeleiter und eine Hundetrainerin verpachtet. Tony E. erwähnt, dass auch seine Frau und er 4,5 Hektar Pachtland hätten, von denen sie drei Hektar für 1.400 Euro im Jahr an einen Demeter-Hof verpachten würden.
Werner S. und Tony E.: Auch privat befreundet
Dann lädt Werner S. Tony E. und dessen Familie zu sich ein. Sie sprechen darüber, dass E. ihn Ende November in Italien besuchen werde. [Werner S. hat hier angeblich eine Hütte.] Tony E. verspricht ihm, er werde kommen, „selbst wenn du mich anrufst, du steckst im Südsudan in der Scheiße“. Für Werner S. lege er seine Hand ins Feuer: „Ich bin am Start. Bei meinen Söhnen, so wahr ich Tony E. heiße“.
Außerdem erwähnt er, dass Thorsten K. einen „soliden Eindruck“ gemacht habe, auch wenn er ihn nicht genauer kenne. K. bekomme noch eine Rente „von den Franzosen“ [angeblich war er Fremdenlegionär]. Tony E. erwidert, dass er Thorsten K. getroffen habe, und lobt: „Er ist so was von am Start.“ Er genieße noch zwei Jahre lang den Diplomatenstatus und wisse auch, wie man „mit den Bullen spricht“. Thorsten K. sei auch „bereit“; „Das ist ein Kaliber, der nimmt eine Knarre und schießt dir in den Kopf.“ Auch habe K. Kontakte aus „Milieu-Zeiten“ [gemeint sein dürfte die organisierte Kriminalität], unter anderem zu Frank H. [ehemaliger Hells-Angels-Boss aus Hannover]. Thorsten K. habe selbst im „Milieu“ gearbeitet.
Tony E. merkt an, dass Thorsten K. zwar „mit Sinn und Verstand“ arbeite und „auch ein Alphatier“ sei und sich eigentlich nicht unterordnen könne, sich aber anpasse, „wenn jemand anderes weiß, wie der Hase läuft“. Laut Tony E. schätze Thorsten K. Werner S.: „Der hält viel von dir.“ E. schlägt vor, man solle K. Ende des Jahres [vermutlich zum geplanten Treffen bei Tony E. im Dezember] einladen, genauso wie Ralf N. und die „Bruderschaft“.
Noch eine störende Frau im Umfeld
Werner S. erwähnt eine Facebook-Freundschaftsanfrage von einer Marietta H. aus Südbaden, die die Partnerin von Karsten sei. Er wirkt genervt darüber, dass sie ihm auf WhatsApp Sprachnachrichten von über einer Stunde Länge zugeschickt habe.
Nach Ende dieser Aufnahme gibt der VR die Gelegenheit für Erklärungen. Rechtsanwalt (RA) Kist betont, dass im Telefonat nicht von seinem Mandant Thorsten W., sondern von Thorsten K. die Rede sei. RA Mandic, Verteidiger von Michael B., warnt davor, die teils „martialische“ Sprache in dem Telefonat als Beleg für eine tatsächliche Bedrohungslage zu werten.
Tony E.s Märtyrer-Fantasien
Anschließend ist die dritte Aufnahme zu hören, ein Gespräch vom 8. Oktober 2019 um 18.41 Uhr zwischen Werner S. und Tony E. Letzterer erzählt, sein Arzt habe ihm vor fünf Jahren einen Gehirntumor diagnostiziert. Daran könnte auch seine aktuelle Nebenniereninsuffizienz liegen. Fakt sei, dass seine Hormone durcheinander seien. Tony E. versichert aber, Angst habe er nicht, kein Mensch müsse heute an Krebs sterben. Auf der anderen Seite würde ein negatives Ergebnis [unheilbarer Krebs] „Türen für viele Möglichkeiten öffnen“, „wenn Du weißt, was ich meine“ [offenbar ist eine Art Märtyrer-Tod gemeint]. Werner S. antwortet: „Ja, weiß ich.“
S. kündigt an, er werde eine Dreier-WhatsApp-Gruppe einrichten und Tony E. und Thorsten K. einladen. Er wolle am 7. Dezember „da oben ein Treffen veranstalten“. Außerdem berichtet er von einem Konflikt: Marion G. wolle in die Gruppe [vermutlich ist das „Freikorps“ gemeint], aber Sören B. sei dagegen. G.s neuer Partner Fred [P.] sei deswegen „angefressen“ gewesen.
Marion G. organisiere ein erstes Survival-Treffen am 19. Oktober in Bayern, berichtet S. weiter. Man treffe sich in der Nähe von Amberg. Wie schon häufiger zuvor beschwert sich Werner S. über das „Freikorps“. Am 3. Oktober bei der Demonstration habe sich seine Meinung über die Gruppe bestätigt. In zwei Monaten treffe sich das „Korps“ wieder, aber es seien „immer dieselben Pappnasen“.
Diverse Streitigkeiten und private Kränkungen
Nach diesem Beweisstück führt der VR direkt das nächste ein: Ein Gespräch zwischen Werner S. und einem Matthias vom 12. Oktober 2019 um 22 Uhr. Matthias beschwert sich darin, dass Marion G. ihn ohne Begründung aus einer Chatgruppe geworfen habe. Er sei jetzt „schwer enttäuscht“ und erwarte Hilfe, schließlich sei er ein „Kamerad“. Werner S. erwidert, er sei der falsche Ansprechpartner: Die Gruppe habe fünf oder sechs Administratoren; er selbst sei keiner von ihnen. Paul-Ludwig U. habe ihm erzählt, dass sich Marion G. mit Uwe [W.] gestritten habe und sich Matthias für Uwe eingesetzt habe. Offenbar stehe nun im Raum, dass Matthias irgendetwas aus dem Chat gelöscht habe. Matthias erwidert, das sei „zum Kotzen“. Er habe die Gruppe mitgegründet und sei von Marion enttäuscht. Matthias kommt auf die Chatgruppe „Der harte Kern“ zu sprechen und sagt, dort sei schon zu viel geschrieben worden, jetzt solle man sich besser persönlich treffen und den Chat nicht mehr so oft nutzen.
Zum Treffen [vermutlich an der Hummelgautsche] habe Matthias wegen seiner schwerkranken Frau nicht kommen können, „obwohl ich gerne gekommen wäre“. Matthias beteuert gegenüber Werner S., er „stehe zur Verfügung“, wenn er den Umzug hinter sich habe. Er sei von Bad Mergentheim nach Thüringen gezogen. In Thüringen gebe es viele gute Leute, Patrioten. Er habe nun ein Haus in der Nähe einer Sammelstelle [vermutlich ein Prepper-Depot für den „Tag X“] gekauft.
Werner S. berichtet, Marion halte in den Chats Ausschau nach Leuten, die für ihn geeignet seien. „Internethelden“ brauche er nicht; bisher habe er nur einen Stefan S. vom III. Weg übernommen. Matthias empfiehlt auch noch einen Johnny S. Werner S. verspricht, er werde sich ihn genauer anschauen. Frauen kämen für ihn nicht infrage, die könne man nur für die medizinische Versorgung gebrauchen, da sie „alle das Maul aufreißen“.
Werner S. bot Tony E. Munition und Waffen an
Nun ist ein Telefonat zwischen Werner S. und Tony E. vom 17. Oktober 2019 um 18.54 Uhr zu hören, das eine knappe Stunde dauert. Eingangs bietet Werner S. Tony E. etwas mit 2.000 Akkus [vermutlich ein Code für Munition] an. Das sei ziemlich teuer. E. erwidert, in den nächsten Tagen könne er sich das nicht leisten.
Werner S. kündigt an, die Ware komme in den kommenden vier Wochen. Er wisse schon, dass E. Fahrräder [vermutlich Code für Schusswaffen] mit Rücktrittbremse und Akkus besitze. Tony E. meint, er habe aber „noch kein E-Bike“ [vermutlich eine hochwertigere Waffe]. Werner S. antwortet, das „E-Bike“ halte in der Regel 1.000 Stufen. Er könne in Vorleistung gehen, wolle aber in den nächsten Wochen Bescheid wissen.
E. sagt, er wolle „unbedingt“ ein „E-Bike“ haben. Werner S. fragt, ob er ein „langes“ oder ein „kurzes“ haben wolle. Tony E. meint, darüber müsse er sich Gedanken machen. Generell würde ihn beides interessieren. Werner S. meint, das „E-Bike“ sei „relativ modern“, er könne es wirklich empfehlen. Er würde es „nur im engsten Kreis anbieten“. Die „Bikes“ würden sich schnell verkaufen und seien relativ günstig, wenn man bedenke, was sie auf dem freien Markt kosten. Er könne E. ein Foto schicken. Ein gebrauchtes Teil sei auch dabei. Tony E. bekundet: „Irgendwann kommen wir alle nicht mehr drumherum, dass wir alle so ein Ding haben müssen.“
Karstens schwerer Stand in der Gruppe
Werner S. erwähnt, er habe ein Lager in Bobingen. Er zeigt sich zufrieden mit der Chatgruppe „Heimat“. Tony E. fragt ihn, wie gut er Karsten kenne. Werner S. antwortet, er wisse von Marietta H. mehr über Karsten, als ihm lieb sei. Er kenne Karsten zwar nicht persönlich, stehe jedoch seit 1,5 Jahren mit ihm in Kontakt. Er habe ihn damals online über den Tierschutz kennengelernt, er habe gefragt, ob er einem Tierheim spenden wolle. Tony E. bemängelt an Karsten, dass er nicht vorbereitet sei [auf den „Tag X“] und kein näheres Umfeld habe. Er habe Karsten gestern gefragt, was sei, „wenn es losgeht“. Mit ihm habe er sich im August schon mal getroffen und da hätten sie darüber gesprochen, wer er sei und was sie machen würden.
Auch Werner S. gefällt nicht, dass Karsten so unvorbereitet sei. Außerdem warnt er: „Der brennt lichterloh finanziell“ und sei eine „schwache Persönlichkeit“, weil der Tod seines Hundes ihn aus dem Leben gerissen habe. Von Marietta H. wisse er viel über Karsten. Diese habe Karsten quasi angeboten, ihn durchzufüttern, wenn er ihre Tiere mitversorge und bei der Pflege ihrer Eltern helfe. Karsten habe sich aber als „ein fauler Depp“ erwiesen. Er sei nicht der „solide Ex-Bulle“ als der er sich darstelle und beziehe mittlerweile Hartz-IV, nachdem er vor sechs Jahren einen „Absacker“ gehabt habe, weil sein Hund gestorben sei. Tony E. merkt an, Karsten habe vor 20 Jahren bei der Polizei aufgehört und danach als Vertreter gearbeitet.
Grundsätzlich halte er Karsten für vertrauenswürdig. Er habe Karsten eindringlich erklärt, „wer wir sind und was wir machen“. Karsten habe gefallen, „dass wir nicht öffentlich auftreten“. Werner S. kritisiert, Karsten spreche in Sprachnachrichten so vom Töten, dass man ihn für einen „Hochkaräter“ halte, obwohl ihm die finanziellen Mittel fehlten, sich vorzubereiten. S. bezweifelt, dass Karsten „in erster Linie stehen wird“. Tony E. schlägt ein Treffen zu dritt vor. Werner S. meint, Micha [vermutlich Michael B.] habe angeboten, gemeinsam in den Norden zu fahren.
Man brauche mehr „stabile Männer“
Tony E. erzählt, dass er sich mit einem René getroffen habe. In dessen Kreis seien die Leute eher politisch unterwegs, und der rede „genauso wie wir“. Man brauche mehr „stabile Männer“; die Vorbereitung sei das A und O. Werner S. wendet ein, dass Wachstum nicht alles sei. In der „Heimat“-Gruppe habe er Leute hinzugefügt, von denen er gedacht habe, sie würden passen. Aber bis auf Tony E. und Micha [B.] mache keiner etwas. Mit Paul [vermutlich Paul-Ludwig U.], mit Micha [vermutlich Michael B.] und den Württembergern habe er mehr Kontakt als mit den Leuten aus dem Norden. Frank H. sei „Weimarer-Republik-mäßig“ unterwegs. Das sei unpassend. Aus der Vernetzung seien gute Kontakte entstanden, zu Thorsten und Karsten. Karsten sei 60 Jahre alt und habe einen Boxclub.
Werner S. erzählt, dass Paul-Ludwig U. nun in die „Bruderschaft Deutschland“ eingetreten sei. Tony E. merkt an, er habe bei Ralf N. ein gutes Wort für U. eingelegt, ihn aber auch vor U.s Temperament gewarnt und davor, dass U. nichts zu verlieren habe.
Werner S. erkundigt sich nach einem Fred [vermutlich Fred P.]. E. antwortet, Fred werde zu einem Treffen mit Marion G. fahren. S. sagt allerdings, das Treffen sei abgesagt worden, und dass es einen Streit zwischen Matthias und Marion gebe. Tony E. sagt, er werde Fred davon abraten, Marion G. in die Gruppe [vermutlich das „Freikorps“] aufzunehmen. Außerdem sagt er, er halte Fred für nicht zurechnungsfähig.
Mira G. machte sich unbeliebt
Werner S. erzählt von einer Mira G., die schnell in die Haupt-Chatgruppe [vermutlich die „Heimat“] aufgenommen worden sei. Er habe Marion G. und Paul-Ludwig U. angerufen und „nachgefragt, was mit der Alten ist“. Die hätten ihm erzählt, dass Mira G. Mitglied im „Bündnis Deutscher Patrioten“ und bei „Wodans Erben“ sei. Sie sei mit Ralf N., Frank H. und Marcel W. befreundet. Als er sich bei Marcel W. über sie erkundigt habe, habe der erzählt, dass Mira G. bei „Wodans Erben“ kein Mitglied sei, noch nicht einmal ein Hangaround. Wegen dieser Lüge sei sie dann auch beim „Bündnis Deutscher Patrioten“ rausgeflogen. Marcel W. habe auch gesagt, dass die „Bruderschafts“-Satzung verbiete, in mehreren „Bruderschaften“ Mitglied zu sein.
Marion G. sei Mitglied im „Bündnis Deutscher Patrioten“ und Leiterin der „Gelbwesten Nürnberg“. Werner S. kritisiert das, das sei ihm zu gemischt. Marion G. sei ja auch Administratorin in der Gruppe. Das spreche für ihn gegen eine Aufnahme beim „Freikorps“. Er befürchtet, sollte er das Fred erklären, „gibt der das seiner geliebten Marion weiter, dieser hässlichen Alten“. E. hält Fred für unberechenbar und sagt, darum erzähle er Fred gewisse Dinge nicht. Fred sei schon dreimal ausgetickt und müsste eigentlich [aus der Gruppe] „entsorgt“ werden.
Werner S. wendet ein, dass Fred ein „Mann der ersten Stunde“ sei. Allerdings erwähnt er eine Entgleisung von Fred beim letzten Treffen in Baden-Württemberg [vermutlich an der Hummelgautsche]: „Wenn ich mich mit über 60 auskotzen muss und in die Hose machen muss.“ Er, Werner S., habe dieses Treffen in schlechter Erinnerung. Außerdem sei Fred beim Thüringer Treffen unnötig ausgerastet und habe Wolfgang W. angepöbelt und bedroht.
Fred P., das „Pulverfass“
Tony E. gibt zu bedenken, dass Fred durchaus zuverlässig sei und keine Angst habe. Er glaubt, Fred sei sich „seines psychischen Unvermögens“ nicht bewusst. Aber bei dem, was sie machen würden, sei Fred wegen seines Temperaments unpassend. Er sei ein „Pulverfass“, und bei ihm „fehlen ein paar Hirnwindungen“.
Die Audioaufnahme endet. Wieder erhalten die Verfahrensbeteiligten das Wort. Michael B.s Verteidiger RA Berthold merkt an, dass Werner S. sich nur ungern an das Treffen in Baden-Württemberg erinnere. Daher sei fraglich, ob dieses Treffen als Gründungstreffen gesehen werden könne.
RA Herzogenrath-Amelung, Verteidiger von Frank H., bezieht sich auf die Fahrrad-Begriffe, die man als Codes für Lang- oder Kurzwaffen interpretieren könne. Den Akten zufolge habe man bei Tony E. nur erlaubnisfreie Waffen gemäß dem Waffengesetz gefunden, das relativiere „das Geschwätz“ vom Beginn des Telefonats.
Thomas N.: „Mit dir würde ich in den Tod gehen“
Anschließend spielt der VR das sechste Beweisstück ab. Es ist ein Telefonat vom 20. Oktober 2019 um 15.15 Uhr zwischen Werner S. und Thomas N. [N. spricht undeutlich und klingt, als wäre er betrunken.] Thomas N. fragt Werner S., wie viele sich wegen des [„Freikorps“]-Treffens zurückgemeldet hätten. S. erwidert, bisher „nur sechs“. Er, Werner S., habe im „Freikorps“ nichts zu sagen und werde die Gruppe verlassen. S. schlägt vor, Sören [B.], Tony [E.] und Thomas N. sollten eine Gruppe aufmachen und die Probleme des „Freikorps“ besprechen. S. kritisiert, viele im „Freikorps“ kenne er nicht, und er halte es für gefährlich, dass die Mitglieder sich nicht sehen oder hören lassen würden.
Thomas N. sagt, er wolle mit Werner S. privat reden. Er habe ihn in Thüringen kennen gelernt, „du bist einer der Besten“. Er beteuert seine Treue gegenüber Werner S.: „Mit Dir würde ich in den Tod gehen.“ So einen wie S. finde er nie wieder: „Ich brauch dich“. Thomas N. bezeichnet sich als „ein Heide, der nach Walhall will.“ Werner S. erwidert, das komme „schneller als gedacht“.
Thomas N. meint, der „Legionär“ [Thorsten K.] habe gesagt, „wir müssten sie ausknipsen“, und „jeder tötet einen“. [Von wem die Rede ist, ist unklar.] Werner S. entgegnet darauf „beispielsweise“, aber warnt N., er solle vorsichtig sein, was er am Telefon sage.
Die Schwärmereien des Thomas N.
Thomas N. schwärmt: „Ihr seid die besten Menschen, die ich kennen lernen durfte.“ Werner S. bedankt sich und kündigt an, er sei am 27. wieder da und werde zwischen dem 28. und dem 6. mit Micha., Karsten und Thorsten wie vereinbart in den Norden zu Tony E. fahren. Werner S. werde dann Thomas N. in Minden besuchen und Micha [vermutlich Michael B.] mitbringen.
Thomas N. reagiert erfreut und beteuert: „Ich vertraue dir.“ Bei ihm stehe „Wotans Krieger“ auf dem Rücken [offenbar ein Tattoo]. Er verkündet weiter: „Ich bin kein Weichei, werde ich nie sein. Ich bin Krieger und werde ich immer bleiben.“ Er erzählt, dass er viele Kampftechniken beherrsche und einen „Spiegelwurf“ gemacht habe, als bei einem Treffen ein „Kamerad“ angespuckt worden sei. Thomas N. merkt an, er sei bei seinem Opa aufgewachsen, und der sei in der SS gewesen. Damals habe man Verräter totgeschlagen.
Werner S. erzählt, dass er sich nach dem Vorfall [der Auseinandersetzung beim Treffen] in den Wald verzogen habe aus Angst, die Polizei könnte kommen und sie durchsuchen, denn er „hatte einige Sachen dabei“. Zu Thomas N. sagt S., bei dem Treffen könnten sie „etwas planen mit deinen Männern“, „aber nicht am Telefon“.
Thomas N. erwähnt Thorsten W. Der sei ein „Mittelaltermann“ und kenne auch viele Leute. W. sei aber vorsichtig, an den müsse man sich rantasten. Er sei mit Thorsten online befreundet. Werner S. wirkt erfreut über diesen Personalvorschlag, fordert aber, man müsse einander persönlich kennenlernen. N. stimmt zu, „sonst hauen wir uns einen Floh [vermutlich Verräter] rein und dann geht nix mehr“. Werner S. ergänzt, das könne man sich nicht leisten, man sei „kurz davor, anständige Sachen zu planen und auszuführen“. In der „Heimat“ seien 36 Leute, einige davon habe er in Baden-Württemberg [an der Hummelgautsche] kennengelernt. Nur Martin T. sei nervig mit seinem Katzenjammer, der müsse raus.
Thomas N.: „Mit dir töten zu dürfen, ist für mich eine Ehre“
Dann sprechen die beiden über ein geplantes Treffen des „Freikorps“. Von über 30 Mitgliedern hätten nur sechs oder sieben zugesagt. Werner S. meint, er wisse nicht, warum Sören und Tony „sich das gefallen lassen“. Tony E. stimmt zu. Er habe ihnen auch gesagt: „Ihr seid keine Kämpfers [sic!] für mich.“ Die ersten „Kämpfers“ habe er in Werner S. und dessen Gruppe gefunden. N. malt sich aus: „Wir werden uns zum Schluss in Walhall wiedersehen. Uns kann man nicht töten.“ Daraufhin lacht Werner S., und Thomas N. beteuert: „Mit dir töten zu dürfen, ist für mich eine Ehre.“ Werner S. sagt, das könne er sich vorstellen. „So jemand kann ich gebrauchen.“
Thomas N. erklärt, in Minden werde er [vermutlich bei der Polizei] geführt als „Germanonit, gefährlich“. Er sei „kein Angsthase“. Werner S. sei „mein bester Kamerad“, „wir haben uns in Thüringen gefunden“. In Berlin habe man sich zum dritten Mal getroffen. Werner S. lädt Thomas N. zu sich ein. Der kündigt an: „Ich bin bereit.“
Der VR fragt noch einmal nach Erklärungen. RA Picker, Verteidiger von Marcel W., merkt an, Thomas N. sei betrunken gewesen. Der RA sagt, er könne im Telefonat keine ernsthaften Absichten erkennen.
Die stundenlangen Telefonate zwischen Tony E. und Werner S.
Im Anschluss an eine kurze Mittagspause ist das siebte Telefonat vom 26. Oktober 2019 um 9.20 Uhr zu hören. Werner S. und Tony E. sprechen darin rund eine Stunde lang, erst über Privates, dann über die italienische Hütte von Werner S. Der erklärt, diese liege 1,4 Kilometer Richtung Norden hinter der ligurischen Grenze im Piemont in einem kleinen Bergdorf. Tony E. nennt die Hütte einen schönen „Rückzugsort“. S. lädt ihn ein, dort in seinem nächsten Urlaub vorbeizukommen, sollte er dann nicht gerade „in irgendeinem Graben“ sitzen.
Werner S. behauptet, er sei bis 1969 staatenlos gewesen und er habe Unterlagen, die das belegen würden. Außerdem erwähnt er, er müsse morgen zurück nach Hause reisen, weil er sich wegen einer Anzeige wegen Körperverletzung bei der Polizei melden müsse. Er sei mit seinen Hunden spazieren gegangen und mit einem Radfahrer aneinandergeraten, der in seine Hunde gefahren sei. Der habe ihn im Streit geschubst, worauf er ihm „eine reingehauen“ habe. Ihm werde nun vorgeworfen, die Verhältnismäßigkeit missachtet zu haben. Er habe aber zwei Zeugen, die für ihn aussagen würden. Nun sei er vorgeladen, aber das interessiere ihn null. Er lebe sein Leben so, „dass sie mich nicht wegbunkern können“.
Tony E. spricht über den geplanten Besuch von Werner S. mit Michael B. bei ihm. Außerdem erwähnt er, dass er sich nächste Woche mit Thorsten K. treffen wolle. Dieser habe sich darum gekümmert, „dass wir offener sprechen können“. Er fragt Werner S., ob er auch eine Prepaid-Karte brauche. Der lehnt ab, er habe bereits eine und auch passende alte Handys. Als Tony E. noch etwas wegen der „E-Bikes“ sagen will, bremst ihn Werner S. Das bespreche man lieber bei einem persönlichen Treffen.
Werner S. mag Marion G. – nur nicht in seiner Gruppe
Dann geht es um das Gruppengefüge. Tony E. ist offenbar mittlerweile mit Marietta H. befreundet. Fred P. hat, beschwert sich Werner S., die „Heimat“-Gruppe kommentarlos verlassen. Stattdessen sei nun ein S. wieder eingetreten. Tony E. pflichtet ihm bei, Fred sei keine Hilfe, sondern ein „Krüppel“ und habe ein „nahezu unkontrollierbares Wesen“. Seitdem Fred Marion G. kenne, sei er schwieriger geworden.
Werner S. merkt an, er habe nichts gegen Marion. Er sagt anerkennend: „Die macht und rennt.“ Sie habe eine Sammelstelle [vermutlich für den „Tag X“] eingerichtet und Fotos verschickt, wie sie dort übernachtet habe. Marion G. habe „nur bei uns nichts zu suchen“.
Weiter kündigt S. an, er werde bei Tony E. vorbeischauen, eventuell gemeinsam mit Micha [vermutlich Michael B.]. Der sei ein „guter Mann“. Er habe Micha seinerzeit geprüft und er sei „schlimmer als wir alle zusammen“ und nicht nur ein „Schwätzerpatriot“.
„Lass uns das beenden“, „lass uns was tun“
Werner S. sagt zu Tony E.: „Lass uns das beenden“. „Lass uns was tun“. „Damit die [gemeint sein könnten „die Muslime“ oder „die Türken“] merken, es geht auch andersherum.“ Das würden sie dann im Dreiergespräch klären. S. erwähnt, dass er diesbezüglich bereits in der Tankstelle bei Berlin [wo sich unter anderem einige der Angeklagten nach der Demonstration am 3. Oktober getroffen hatten] etwas angedeutet habe.
Als das Gespräch endet, gibt der VR wieder die Gelegenheit für Erklärungen. Tony E.s Verteidiger RA Hofstätter verweist darauf, dass das einstündige Gespräch von Alltäglichem handle und nichts Belastendes enthalte.
Nach einer kurzen Prozesspause wird das achte mitgeschnittene Telefonat abgespielt. Es stammt vom 26. Oktober 2019 um 19.23 Uhr. Zu hören sind Werner S. und Thomas N., der eingangs sagt, da sei ein guter Mann namens Jörg B., der wolle in die „Heimat“-Gruppe. Er sei 25 Jahre alt, komme aus Magdeburg und sei „ein Extremer wie ich“. Werner S. ermahnt ihn, Jörg B. auszurichten: „Keinen Nazikram! Das wollen wir nicht haben.“ Anschließend verspricht er, Jörg B. aufzunehmen. Der solle sich dann vorstellen.
Thomas N.: Ein Krieger Wotans, der bis zum Schluss kämpfen will
Thomas N. klagt, man komme nicht mehr weiter. Werner S. erzählt, dass er nur Tony zuliebe in der Gruppe [vermutlich im „Freikorps“] bleibe. Auch gegenüber Thomas N. erwähnt er seine Anzeige wegen Körperverletzung und führt aus, er „habe zu oft zugeschlagen“. S. kündigt an, wenn er aus Italien zurück sei, komme er mit einem Mann aus dem Süden [Michael B.] in den Norden und treffe dort Tony und Karsten. Der sei schon älter, „also nichts für das Schlachtfeld“. Außerdem wolle er Thorsten K. treffen.
Thomas N. wird wieder pathetisch: Er sei „Wotans Krieger“ und „ein Totgesagter“. Er sei „zum Kampf bereit“ und „kämpfe bis zum Schluss“. Man brauche die Gleichgesinnten. Werner S. sagt, er habe noch andere Personen in petto. Die „platziere“ er woanders. Es gebe zwei, drei, vier Mann, „die mit uns an der Seite kämpfen wollen“, die aber nicht in der Gruppe seien. Thomas N. meint, man müsste „alles aussortieren“.
Thomas N. kritisiert, dass vom „Freikorps“ nichts komme. Das seien „keine Kämpfer“, sondern „Arschficker“ und „Schwuchteln“. Man müsse sich „auf die Richtigen“ konzentrieren. Man müsse weiterkommen und am Schluss eingrenzen: „Wer ist so weit?“ Werner S. stimmt ihm zu, das werde man durch Gespräche herausfinden.
Paul-Ludwig U. „will noch schneller voran als wir“
Thomas N. schlägt vor, Paul-Ludwig U. aufzunehmen. Bei dem habe er ein gutes Gefühl. Werner S. erwidert, er habe „mit dem fast täglich Kontakt“. Das Problem sei: „Der will noch schneller voran als wir.“ Trotzdem werde er U. aufnehmen.
Als letztes Beweisstück für diesen Prozesstag ist ein Telefonat vom 28. Oktober 2019 um 8.52 Uhr zu hören. Darin ruft Werner S. eine Behörde im Kreis Augsburg an und gibt sich als sein Zwillingsbruder Carsten S. aus. Er sagt, er rufe für seinen Bruder Werner S. an, der ein Schreiben von der Stadt Augsburg bekommen habe. Werner S. sei Sozialhilfeempfänger und müsse zum 1. Dezember nach Mickhausen umziehen. Die derzeitige Vermieterin habe seine alte Wohnung in Augsburg verkauft. Werner S. werde nun mit jemandem gemeinsam nach Mickhausen ziehen. Was er jetzt für seinen Bruder Werner tun müsse?
Werner S. gab sich als sein eigener Zwillingsbruder aus und bezog Sozialhilfe
Der Beamte fragt, wie hoch die Miete in Mickhausen sei. Das Sozialgericht sehe eine Brutto-Kaltmiete von bis zu 385 Euro im Landkreis Augsburg vor. S. antwortet, die Miete betrage 300 Euro. Der Beamte fragt den angeblichen Carsten S., ob er eine Vollmacht für seinen Bruder habe. Der erwidert, mit Werner könne man sich gerade gar nicht unterhalten, da dieser „psychisch erledigt“ sei. Der Bruder erhalte Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Er schreibe S. eine E-Mail, verspricht der Beamte. Der angebliche Carsten S. diktiert eine Mailadresse auf den Namen Werner S. und behauptet, er habe den Account für seinen Bruder Werner eingerichtet.
Wieder fragt der VR nach Stellungnahmen. RA Herzogenrath-Amelung sagt, Werner S. lüge klar und gebe sich aus wirtschaftlichem Interesse als jemand anderes aus. Werner S. habe sich wegen seiner Vermieterin und Gönnerin das Leben in Augsburg leisten können und parallel Sozialhilfe bezogen. Wie sei das mit seinen „angeblichen Eigentumsverhältnissen“ vereinbar? Angeblich habe er Hof und Wälder verkauft. Er bezeichnet S. als „Geschichtenerzähler“.
Zum Ende dieses Prozesstags kündigt der VR an, morgen werde man noch einmal die Zeugin Nadja Sch. [Paul-Ludwig U.s Bewährungshelferin in Mosbach] hören.