Zu Beginn des 16. Prozesstags gegen die „Gruppe S“ am 13. Juli 2021 verwahrte sich die Bundesanwaltschaft (BA) gegen den Vorwurf, sie habe Paul-Ludwig U. gelenkt oder zu seinen Gunsten in einem laufenden Verfahren wegen des Besitzes einer Waffe interveniert. An diesem Verhandlungstag beschäftigte sich das Gericht mit der Zeugin Nadja Sch., die von August 2018 bis November 2019 Bewährungshelferin von Paul-Ludwig U war. Nadja Sch. zeichnete ein negatives Bild von U. Dieser sei „auf den ersten Blick freundlich, offen, lustig“, aber „mit schwierigen Themen konfrontiert cholerisch, aggressiv, nicht mehr ansprechbar“. Er weise ein „dissoziales Verhalten“ auf und sei ein „Selbstdarsteller“. Sie berichtete auch, dass U. ihr am 6. Mai 2019 erstmals erzählt habe, dass er sich auf Facebook verschiedenen rechten Gruppen angeschlossen habe und dass dort Anschläge auf Moscheen geplant würden. Außerdem berichtet sie von rassistischen Kommentaren von Paul-Ludwig U. im Gespräch.
Oberstaatsanwältin (OStA) Bellay nimmt kurz Stellung. Der Generalbundesanwalt habe U. zu keiner Zeit gelenkt. Es habe keinen Kontakt zu OStA Zacharias gegeben, und auch keine Kontaktaufnahme im Heidelberger Fall mit dem Ziel, dass das Verfahren [gegen Paul-Ludwig U. wegen Mitführens einer Waffe] eingestellt wird. Jegliche Behauptungen in diese Richtung seien haltlos. U. sei immer als Beschuldigter geführt worden.
Im Folgenden nehmen mehrere Verteidiger*innen Stellung zur Vernehmung des Bewährungshelfers Jens W. an vorangegangenen Prozesstag. Rechtsanwalt (RA) Abouzeid bekundet, er fühle sich von W. angelogen. Der Zeuge handle „mit erheblichen Entlastungstendenzen“ und sei „nicht neutral“. Auch sein Kollege RA Just, ebenfalls Verteidiger von Stefan K., sieht den Zeugen W. bemüht, U. in positivem Licht zu schildern. W. habe sich „kritischen Nachfragen mit Erinnerungslücken“ entzogen. Der RA erwähnt erneut den bereits aufgekommenen Verdacht, U. habe seinen Bewährungshelfer manipuliert. W.s Beschreibung U.s stehe im Widerspruch zum Eindruck, den U. im Saal vermittelt habe.
RAin Schwaben glaubt Paul-Ludwig U., dass er mit der Oberstaatsanwältin Zacharias sprach
Auch Markus K.s Verteidigerin RAin Schwaben schließt sich der Einschätzung an, von W. angelogen worden zu sein. Das heiße aber nicht, dass jedes Wort von U. nicht stimmen würde. Einiges werde ja auch durch andere Beweismittel bestätigt. Zwar habe OStA Bellay angegeben, dass U. nicht mit OStA Zacharias gesprochen habe, aber U. sage etwas anderes: „Und ich glaube ihm.“
Marcel W.s Verteidiger RA Miksch meint, der Zeuge W. lasse die gebotene professionelle Distanz vermissen. Er habe zunächst nur 20 Telefonate mit U. seit 2020 eingeräumt, im Laufe der Vernehmung aber dann von 50 gesprochen. Auch habe er den Alkoholmissbrauch von U. nicht gemeldet. [U. durfte einer Auflage zufolge während der Bewährungszeit nicht trinken.] U. profitiere offenbar von seiner Lage: Er habe am Telefon erzählt, dass er demnächst seine 3-Zimmer-Wohnung beziehen werde, die er sich als Hartz-IV-Bezieher nicht leisten hätte können.
RA Siebers fordert, OStA Zacharias als Zeugin zu laden
RAin Rueber-Unkelbach, Verteidigerin von Wolfgang W., bescheinigt Jens W. eine „Salamitaktik“, mit der der Zeuge Stück für Stück seinen intensiven Kontakt zu U. eingeräumt habe, der sogar U.s Wegzug nach Mosbach überdauert habe. Eine Meldung des Alkoholmissbrauchs hätte einen Bewährungswiderruf bedeutet, so die RAin. W. habe aber seine „Hand über U. gehalten“. Das sei nicht professionell.
Werner S.‘ Verteidiger RA Siebers erklärt, U.s Behauptung, in Kontakt mit OStA Zacharias zu stehen, sei eine offensichtliche Lüge. Er verlangt deswegen, OStA Zacharias als Zeugin zu laden.
RA Mandic wähnt einen Justiz-Skandal
RA Mandic, Verteidiger von Michael B., bekundet, W. habe sich beruhigt mit den Angaben, dass Polizei und staatliche Stellen eingebunden gewesen seien. Nun gehe es um die Frage, wie früh die vermeintliche Zusammenarbeit begonnen habe. Das Ganze habe das Potenzial zu einem Justiz-Skandal.
Tony E.s Verteidiger RA Becker bezieht sich auf U.s Persönlichkeit. Die Aussagen U.s in abgehörten Telefonaten und gegenüber seinem Bewährungshelfer W. führen den RA zu der Annahme, U. schaffe sich eine Bühne und genieße den Applaus. Als Beispiele dafür führt RA Becker die Aussage U.s an, er habe beim Treffen in Minden gesagt, man dürfe bei einem Anschlag keine Rücksicht auf Frauen und Kinder nehmen. U.s Aussage zufolge stimmten dem alle zu. Der RA hingegen argumentiert, es sei bekannt, dass dem niemand zugestimmt habe.
Es sei problematisch, dass sich die Anklage auf solche Aussagen stützt. Die Ermittlungen seien von den Aussagen U. geprägt. Auch von W. bekomme U. den erhofften Applaus. Der Bewährungshelfer habe bis heute nicht erkannt, dass er manipuliert wurde. Die Aktenlage lasse den RA zudem vermuten, dass U. Drogen konsumierte. Er fordert, alle Hinweise darauf vollständig in Augenschein zu nehmen. Außerdem unterstellt der RA, U. habe die umfangreichen Aussagen bei der Polizei vermutlich erst nach der Zusicherung von Straffreiheit gemacht. Bei einem Telefonat habe U. beispielsweise geäußert, er müsse die anderen Angeklagten „über die Klinge springen lassen“. Dann beantragt RA Becker, die gesamten Mitschnitte von Telefonaten zwischen Jens W. und Paul-Ludwig U. in Augenschein zu nehmen.
RA Linke, Verteidiger von Frank H., nimmt Bezug auf das U. auferlegte Alkohol- und Drogenverbot und kritisiert, Jens W. habe sich der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht, indem er U.s Alkoholkonsum nicht meldete, und man könne seinen Aussagen keinen Glauben schenken. Auch mehrere andere Verteidiger*innen zweifeln an der Wahrheit von W.s Aussagen.
Die Befragung der Bewährungshelferin Nadja Sch.
Nach einer Pause wird die 43-jährige Zeugin Nadja Sch. befragt. Sie war in Mosbach die Bewährungshelferin des Angeklagten Paul-Ludwig U. Durch die Befragung seiner beiden Bewährungshelfer*innen soll die Glaubwürdigkeit von U. bewertet werden. Eingangs berichtet Sch. über ihre Berufserfahrung. Sie arbeite seit 2008 in der Bewährungshilfe, habe rund 25 Fälle parallel und sei gleichzeitig Abteilungsleiterin.
Sie erinnert sich, dass der Fall Paul-Ludwig U. bei ihr im Rahmen eines Amtshilfeersuchen der Bewährungshilfe Aachen im August 2018 landete. [U. war damals nach Mosbach zu seiner Schwester gezogen und konnte daher nicht mehr von seinem ehemaligen Bewährungshelfer Jens W. betreut werden.] Im selben Monat habe sie ein Erstgespräch mit U. geführt.
Die ersten Kontakte in ihrem Büro seien recht kurz gewesen und hätten sich nur um die Abklärung der Wohnsituation gedreht. U. habe damals bei seiner Schwester und deren Familie auf der Couch genächtigt und eine eigene Wohnung gesucht. Sie habe für ihn nach vier Monaten einen Platz im betreuten Wohnen im Peter-Krattinger-Haus in Mosbach organisiert. Dort hätte er innerhalb eines halben Jahres selbstständiger werden sollen. Die Zeugin erinnert sich, dass U. mehrfach erwogen habe, zurück nach Aachen zu ziehen.
Nadja Sch.: U. gab sich jugendlich und wurde bei Problemen cholerisch und aggressiv
Sie würde U., so Sch., auf den ersten Blick als „freundlich, offen, lustig“ beschreiben. Vom Erscheinungsbild trete U. eher als Jugendlicher auf, trage Metallica-Shirts und Jogginganzüge und habe immer Kopfhörer auf. Mit schwierigen Themen konfrontiert sei er „cholerisch, aggressiv, nicht mehr ansprechbar“. Sie sei gegen Ende der Betreuung dazu übergegangen, U. nicht mehr mit schwierigen Themen zu konfrontieren.
Sch.: U. wirkte zu Prozessbeginn wie in einem „Höhenflug“
Ihre Aufgabe sei gewesen, so Sch., U. alle drei Wochen zu kontaktieren. Bis Oktober 2019 habe sie elf Gespräche mit ihm geführt. U. habe zweimal abgesagt und dreimal unentschuldigt gefehlt. Sie habe ihn dann immer wieder neu einbestellt. Ihr letztes Treffen sei kurz vor dem 14. Februar 2020 [dem Tag der Festnahme der „Gruppe S“] gewesen. Zuletzt habe sie telefonisch vor ein paar Wochen Kontakt zu U. gehabt. Da habe sie den Eindruck gehabt, U. habe „einen Höhenflug“. [Werner S. lacht.] Das Gespräch habe sie nach fünf Minuten abgebrochen. U. sei „euphorisch“ gewesen. Er habe vom Prozess und Drohungen gegen ihn erzählt, die ihn aber nicht interessieren würden.
Der Vorsitzende Richter (VR) merkt an, dass laut Beschluss des Amtsgerichts Aachen aus Mai 2021 die Führungsaufsicht beendet sei. Er zitiert einen Bericht vom 19. Februar 2020. Demnach meldete sich U. bei Sch. und äußerte, er sei in guten Händen. Dies sei ihr letzter Kontakt gewesen. Zuvor sei U. seiner Meldepflicht bei Sch. mit monatlichen Telefonaten nachgekommen. Diese habe die Polizei dann aber unterbunden: Ein Beamter habe sich bei der Zeugin gemeldet und sie aufgefordert, sie solle den Kontakt zu U. abbrechen. Sie habe geantwortet, dass diese Kontakte von U. eigeninitiativ ausgegangen seien und sie den Kontakt nicht selbst wolle, sondern „so wenig wie möglich wissen“ wolle. Später habe U. ihr nochmal eine E-Mail geschickt. Er sei bei einer Gastfamilie untergebracht. An die E-Mail habe U. Fotos von sich bei Waldarbeiten angehängt.
Der VR fragt die Zeugin, was sie über den Auszug von U. aus dem betreuten Wohnen in Mosbach [in den Zeugenschutz] wisse. Sie antwortet, eine Mitarbeiterin habe erzählt, U. sei von einem schwarzen Bus abgeholt und sein Zimmer mehrere Stunden durchsucht worden. Danach hätten mehrere Mitarbeiterinnen das Zimmer tagelang ausgeräumt und erzählt, sie hätten „so etwas noch nie erlebt“, so dreckig sei es gewesen.
U.s schwieriges Verhältnis zu seiner neuen Bewährungshelferin
Der VR fragt die Zeugin, wie sie mit U. klargekommen sei. Sie erwidert, sie und U. hätten immer Schwierigkeiten miteinander gehabt, „wenn ich auf Erfüllung von Auflagen bestand“ und U. „sanft unter Druck“ gesetzt habe. Besser sei es in oberflächlichen Gesprächen gelaufen, da habe man auch mal gescherzt. Sie habe den Eindruck gehabt, dass U. zu ihrem Vorgänger eine Beziehung hatte, die das Berufliche überstiegen hätte. Manchmal habe sie nicht gewusst, auf welcher Seite W. gestanden habe. W. habe ihr vorgeworfen, dass sie U. zufolge schnell Negatives protokolliere. Sie habe W. für dessen unangemessenen Umgang mit U. kritisiert. W. sei darum der Meinung gewesen, man könne ihr nicht trauen. Ihr sei klar gewesen, dass W. und U. weiterhin miteinander in Kontakt stünden.
Sch. sieht in U. einen Narzissten, der sich nach Anerkennung sehnt
U. habe manchmal „ohne Punkt und Komma erzählt“. Er habe sie als Gesprächspartnerin nicht gebraucht. Sie habe irgendwann aufgegeben und ihn „reden lassen“. Manchmal habe sich U. „regelrecht in Rage geredet“. Zumeist habe U. über seinen Aufenthalt im Gefängnis und der Klinik gesprochen. Sie sei keine Psychiaterin, aber auf sie wirke U. „schon narzisstisch“. U. brauchte die Anerkennung seines Gegenübers.
Die Einschätzung, U. könnte Sch. nicht leiden, weil er ein Problem mit Frauen habe [eine Vermutung des Zeugen Jens W. im Prozesstag 14], teilt die Zeugin nicht. Sie nimmt stattdessen an, U. habe „seit frühster Kindheit dissoziales Verhalten gelernt“ und erfahren, dass ihn dieses an sein Ziel bringe. Wenn sie ihn zu etwas aufgefordert habe, so Sch., habe er mit einer „Mischung aus Widerspruch, Rausreden und Zeit schinden“ reagiert. Termine allerdings habe er eingehalten. Manchmal habe U. Tatsachen verdreht, beispielsweise bezüglich seines Alkohol- und Drogenverbots. Bei diesem Thema habe U. wenig Problembewusstsein.
Der VR zitiert aus einem früheren Bericht der Zeugin: „Ansonsten war inhaltlich keine Arbeit mit Herrn U. möglich.“ Sie bestätigt das. Weiter zitiert der VR die Zeugin mit einer Einschätzung zum Zeugenschutz von U.: Man nehme ihm seine Lebensgeschichte, und er müsse sich eine neue erschaffen. Lebensnarrativ von U. sei die Auseinandersetzung mit der Justiz gewesen. [U. saß durch ein negatives Gutachten zehn Jahre im Maßregelvollzug, bis ein neues Gutachten zu seiner Freilassung führte.]
U. drohte Sch. ihr zufolge mit einem Banküberfall
Der VR fragt nach den beruflichen Zukunftsvorstellungen von U. Die Zeugin gibt an, er habe Probleme wegen seiner vielen Krankheiten [unter anderem COPD und ein Bandscheibenvorfall] gehabt. Sie habe auch abgesehen davon „nicht den Eindruck, dass er acht Stunden am Tag arbeiten wollte“. Als sie das einmal thematisiert habe, sei U. laut geworden. Er habe, so Sch., eher ehrenamtlich im Tierheim arbeiten oder an Schulen über sein Leben erzählen wollen. Sie berichtet, dass U. einen Minijob bei einem Foodtruck- und Trampolin-Verleih gehabt habe.
Sch. erinnert sich auch an U.s unerfahrenen Umgang mit neuen Medien. Einmal sei er auf die „Nigeria-Mafia“ hereingefallen [meist E-Mails von Trickbetrüger*innen mit der Bitte um Geldüberweisung]. Er habe auch viel im Internet bewertet, beispielsweise auf Facebook.
Nadja Sch.: Paul-Ludwig U. sagte, er gehe einer „V-Mann-Tätigkeit“ nach
Der VR fragt nach Waffen und Gewalttätigkeit bei U. Die Zeugin erzählt, dass U. einmal gesagt habe, wenn er seine Wünsche nicht erfüllt bekomme, dann „geht er in eine Bank und knallt alle ab“. U. habe auch Morddrohungen gegen die Staatsanwaltschaft Paderborn geäußert. U. habe ihr zudem erzählt, er habe Kontakt zur Staatsanwaltschaft Heilbronn. Außerdem habe er von einer Frau Zacharias erzählt, die ihm verboten habe, ihr etwas zu erzählen. Der VR zitiert eine Notiz der Zeugin darüber, dass U. Sch. gesagt habe, dass er mit einer Waffe in Heidelberg erwischt worden sei. [Bei einer Kontrolle am 2. Oktober 2019 am Hauptbahnhof Heidelberg wurde bei U. eine CO2-Pistole beschlagnahmt.] Frau Zacharias würde dafür sorgen, dass das Verfahren eingestellt würde. Die Zeugin sagt, dass U. ihr zu dieser Zeit erzählt habe, dass er einer „V-Mann-Tätigkeit“ nachgehen würde.
Sch. berichtet, dass U. die erzählten Geschichten im Kern wohl auch so erlebt habe, diese aber in seinen Erzählungen verändere. U. habe ihren Vorgänger Jens W. manipuliert, bei ihr habe er das allerdings nie versucht. Wenn U. zu ihr gekommen sei, sei er grundsätzlich freundlich gewesen. Manchmal habe seine Stimmungslage aber während der Treffen gewechselt. Das erste Mal habe U. ihr gegenüber am 6. Mai 2019 etwas von Rechtsextremismus erwähnt. Damals habe er ihr erzählt, er habe sich bei Facebook diversen rechten Gruppen angeschlossen und würde diese ausspionieren. Es würden Anschläge auf Moscheen geplant, und man wolle einen Bürgerkrieg auslösen. Der VR fragt die Zeugin, ob es bei den Erzählungen von U. nicht geboten gewesen wäre, Kontakt zur Polizei aufzunehmen. Die Zeugin bejaht das, fügt aber an, dafür wäre das aufsichtführende Gericht zuständig gewesen.
Sch.: U. sah sich als Aufklärer
U. sei ihr bis dahin bereits durch rechte Sprüche aufgefallen, die sie „am Anfang als Bild-Zeitungs-Gerede eingestuft“ habe. Beispielsweise habe er syrische Flüchtlinge abfällig als „Merkels Gäste“ tituliert. Sie habe ihm bei solchen Aussagen immer das Wort abgeschnitten. Die Polizei sei informiert, habe ihr U. gesagt, und auch der Vorsitzende des Moschee-Vereins in Mosbach [dem U. von den Plänen der „Gruppe S“ erzählt haben will]. U. habe sich als Aufklärer gesehen. Sie habe ihn ermahnt aufzupassen, auf was er sich da einlasse. U. habe sich im November oder Dezember 2019 pro forma von ihr verabschiedet und gesagt, dass etwas passiert sei, wenn er nicht wiederkommen sollte.
In der weiteren Befragung geht es um die Kommunikation zwischen Jens W. und Nadja Sch. In einem Telefongespräch am 18. Oktober 2019 hätten sie sich zum ersten Mal offen über die unterschiedliche Einschätzung zu U. und der Arbeit in der Bewährungshilfe gestritten, so Sch. W. habe angerufen und gesagt, U. stecke in Schwierigkeiten. Mehr wolle er ihr gegenüber nicht sagen, weil sie immer so schnell zum Stift greife. Sie habe schließlich das Gespräch beendet.
Versprach sich U. von seinen „Ermittlungen“ einen Neuanfang?
Bezüglich U.s Kontakt zur Polizei erinnert sich Sch. noch, U. habe von konkreten Polizeibeamten berichtet, mit denen er früher zu tun gehabt habe. [U. hielt privaten Kontakt zu einem Beamten, den er bei einer Geiselnahme kennenlernte.] Deren Namen kenne sie aber nicht. Die V-Mann-Tätigkeit habe für U. einen Neuanfang im Zeugenschutz-Programm bedeutet. Sie habe das aber als schlecht bewertet, da U. so seine Lebensgeschichte verlieren würde, ohne die er seine Identität kaum werde aufrechterhalten können. [Mit neuer Identität könnte U. nicht von seiner langen Haft und der Sicherungsverwahrung erzählen, was bislang Sch. zufolge ein wichtiger Teil seines Lebensnarrativs war.]
Die Zeugin berichtet auch, dass im Rahmen von Screenings herausgekommen sei, dass U. weiterhin Alkohol konsumiert habe. U. habe gesagt, er habe in einer Kneipe Bier getrunken, und dass Jens W. ihm gesagt habe, das ginge okay, solange er keinen Schnaps trinke. Sie habe dem widersprochen.
Sch. erlebte U. als „Selbstdarsteller, der gerne Geschichten erzählt“
Dann stellt der Sachverständige Dr. Winckler, der unter anderem U. und dessen Glaubwürdigkeit einschätzen soll, der Zeugin einige Fragen. Sie berichtet, in den etwa monatlichen Telefonaten mit ihr sei U. in „guter Stimmung“ gewesen. Das sei für sie nachvollziehbar, denn es „gab einen Polizisten, der sich um ihn gekümmert hat“. U. habe sich so „wertgeschätzt gefühlt“.
Sie habe bei U. zwar keine Borderline-Störung gesehen, aber doch psychiatrische Auffälligkeiten erkannt und ihn „immer als selbstverliebt erlebt“. Er sei ein „Selbstdarsteller, der gerne Geschichten erzählt“. Soziale Kontakte habe U. nur im Raum Aachen gehabt, er sei sozial isoliert gewesen. Das sei aber „nichts Ungewöhnliches bei unserer Klientel“ und habe U. nicht gestört.