Prozesstag 113: Ein „patriotischer“ Zeuge träumt von Bürgerkrieg, Wehrmacht und Kehrwoche

Am 20. Dezember 2022, dem 113. Prozesstag gegen die „Gruppe S“ in Stuttgart-Stammheim, sagte Rainer G. (52) aus Stuttgart aus. G. war Administrator diverser extrem rechter Facebook-Gruppen und kam so in Kontakt mit Werner S. Obwohl sich der Zeuge vor Gericht selbst politisch als „mittig“ einordnete, offenbarte er in seinen Aussagen vor Gericht und in den von ihm zitierten Aussagen ein extrem rechtes Weltbild. Der Vorsitzende Richter konfrontierte den Zeugen mehrfach mit dessen Aussagen aus abgehörten Telefonaten. Demnach wünscht sich der Zeuge einen Bürgerkrieg, eine Kehrwoche und die Rückkehr der Wehrmacht. Der Zeuge räumte ein, mehrere rechte Facebook-Gruppen gegründet und verwaltet zu haben: „Patrioten des Vaterlandes“, „Patrioten für Deutschland“, „Wilhelm II.“ und „Der Landser“. Insgesamt hatten die Gruppen laut dem Zeugen 15.000 Mitglieder. Werner S., so der Zeuge, habe ihn 2018 in Stuttgart besucht. S. habe ihn damals gefragt, „was ich davon halten würde, mit 100 Leuten den Bundestag zu stürmen“. Der Zeuge beteuerte, er habe diese Idee für „Schwachsinn“ gehalten. Nach Rainer G. war Martin F. als Zeuge geladen. Er ist Überwachungsspezialist beim LKA in Stuttgart und wurde zu technischen Details der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) befragt. Er erklärte, dass Beamt*innen diese TKÜs über eine Hotline anordnen und dann Zugriff auf die Aufnahmen haben. Der Zeuge wusste kaum etwas über die einzelnen TKÜs und hatte keinen Kontakt zu den Sachbearbeiter*innen der Ermittlung gegen die „Gruppe S“.

Als der Zeuge Rainer G. den Saal betritt, gibt der Vorsitzende Richter (VR) bekannt, dass er nicht freiwillig erschienen sei, sondern vorgeführt werden musste. Rainer G. macht Angaben zu sich und zur Sache, obwohl ihn der VR auf sein Recht zu schweigen hinweist. Über sich erzählt Rainer G., er mache aktuell in Stuttgart eine Umschulung zum Kaufmann im Großhandel. Außerdem helfe er ab und zu in einem Restaurant aus. Er sei am 22. Juni 1970 in Stuttgart geboren und hier aufgewachsen. Von 2007 bis 2014 habe er in Berlin gelebt, dann sei er nach Stuttgart zurückgekehrt und wohne heute im Stadtteil Mönchsfeld. Er sei gelernter Bäcker, habe ab 1997 ein Gewerbe für Fensterbau und Fensterteile betrieben, das 2014 in Insolvenz gegangen sei. Wegen Betrugs sei er 2013 für 46 Tage in Haft gewesen. Im Anschluss habe er von Hartz IV gelebt.

Der VR fragt den Zeugen nach seiner politischen Einstellung. Dieser ordnet sich als „mittig“ ein, er sehe sich als deutscher Staatsbürger. Zum aktuellen politischen Geschehen will er sich nicht äußern; trotzdem deutet er an: „In unserem Land geschehen ziemlich komische Dinge.“ Später moniert er wiederholt, dass „alles nur noch nach links geht“. Er wolle ein politisches Gleichgewicht und betont: „Wir nennen uns doch Demokratie.“

Der VR lässt ein Facebook-Posting des Zeugen an die Wand des Gerichtssaals projizieren: „Wir sind Deutsche und KEINE Bundesrepublikaner.“ Daneben sind eine schwarz-weiß-rote und eine schwarz-rot-goldene Flagge abgebildet, letztere ist durchgestrichen. Der VR möchte wissen, ob es die Bundesrepublik in den Augen des Zeugen überhaupt gibt. „Doch, die gibt es“, bestätigt Rainer G.

„Hab ich nicht gesagt“

Der VR konfrontiert ihn mit dem Inhalt eines abgehörten Telefonats vom 20. September 2019. Da wünschte er sich einen Bürgerkrieg und eine Kehrwoche. Sowie eine Neuauflage der Wehrmacht. Der Zeuge beteuert, solchen Blödsinn „hab ich nicht gesagt“. Schließlich sei das 21. Jahrhundert und man habe „so viele Probleme auf diesem Planeten“. Der VR bezieht sich auf weitere abgehörte Telefonate. In einem sagte der Zeuge, er habe einen Brief bekommen, dass er abgehört worden sei. [Nach dem Ablauf einer Abhör-Maßnahme müssen Betroffene informiert werden]. Der Zeuge beteuert, er habe damals nicht verstanden, warum.

In einem weiteren Telefonat vom 22. September 2019 wünschte sich Rainer G. zwei Fronten, die von Osten und Westen das Land säubern. Dazu brauche man 500.000 bis 700.000 Mann. Der Zeuge räumt ein, das vielleicht gesagt zu haben. Daraufhin liest der VR Äußerungen des Zeugen aus einem Telefonat vier Tage später vor: Polen solle zu Deutschland gehören; dann zähle nur noch der Pass, einen Personalausweis gebe es dann nicht mehr. Um Deutschland solle eine Mauer gezogen werden. Der Zeuge beteuert: „Das habe ich sicher nicht gesagt.“

Als der VR wissen möchte, ob der Zeuge versucht habe, sich mit Gleichgesinnten zusammenzufinden, sagt Rainer G., er habe Facebook-Gruppen gegründet: „Patrioten des Vaterlandes“, „Patrioten für Deutschland“, „Wilhelm II.“ und „Der Landser“. Insgesamt seien in diesen Gruppen 15.000 Mitglieder. Heute verwalte er die Facebook-Gruppe „Freiheit für Deutschland“. Gefragt nach dem Zweck dieser Gruppen argumentiert der Zeuge mit seinem Zorn seit 2015 und der „Armut unserer alten Leute“. Er habe „überall Armut und Angst gesehen“. „Wenn man den Mund aufmacht, dann hört man, das darf man nicht sagen.“ Er beschwert sich, dass er hier unter Verdacht stehe. „Ich kenne die Herrschaften [die Angeklagten] nicht.“

Umsturz machen statt darauf zu warten

Der VR zitiert den Zeugen aus der Facebook-Gruppe „Der Landser“: „Die Patriotengruppen, die ich mit meinem Team leite, sollen dazu dienen, alle wachzurütteln und aufzuwecken.“ Die Zeit für Geschwafel sei längst vorbei. Es helfe auch nichts, auf den Umsturz zu warten. Der komme nicht von allein. Man solle „endlich PC und Handy ausschalten“ und aktiv werden. In fünf Jahren „gibt es unser Land sonst nicht mehr“. Der Zeuge gibt zu, dass das Zitat von ihm stammt. Aber er wiegle nicht zur Revolution auf, nur zum Aufwachen. „Für mich gibt es kein Links und Rechts mehr.“ Er habe mal gesagt, „Nazis gibt es nicht mehr, nur noch im Museum oder auf dem Friedhof“. Er verstehe nicht, warum er hier seine politische Haltung erklären soll.

Der VR fragt, ob ihm der Name Marion G. etwas sage. Der Zeuge bejaht. Er habe sie nach zwei Tagen aus einer Gruppe geworfen, weil sie ihn belogen habe. Sie habe Admin werden wollen. Später habe es immer wieder Anfragen von ihr gegeben. Der VR verweist auf ein Telefonat des Zeugen mit Marion G. Darin organisierte er seine Facebookgruppen militärisch: Er sei der General, ein Hans sei Oberst, „Giovanni Teutonico“ [Werner S.] sei der Ordonnanz-Offizier, und „ihr seid die Hauptmänner und -Frauen“. Der Zeuge erklärt, er habe damit nur eine Hierarchie beschrieben.

Als ihm Fotos der Angeklagten und weiterer Personen gezeigt werden, erkennt der Zeuge Tony E. Bei Werner S. und Wolfgang W. ist er unsicher. Als ihm die Namen der Angeklagten vorgelesen werden, erinnert er sich an Stefan K., Paul-Ludwig U., Marcel W. und Thorsten W. Bei Werner S., Michael B., Markus K. und Steffen B. ist er unsicher. An Werner S.‘ Pseudonym „Giovanni Teutonico“ kann er sich erinnern und erzählt, sie hätten ein freundschaftliches Verhältnis gehabt. Teutonico habe ihn 2018 für mehrere Stunden in Stuttgart besucht. Er habe nicht erzählt, was er in Stuttgart gemacht habe, sondern habe nur gesagt, dass er noch einen Kameraden in Kirchheim/Teck besuchen wollte [Michael B.].

„Mit 100 Leuten den Bundestag stürmen“

Der Zeuge erinnert sich, dass Werner S. für seinen Geschmack zu extreme Ansichten gehabt habe. „Er hat mich gefragt, was ich davon halten würde, mit 100 Leuten den Bundestag zu stürmen.“ Er habe S. geantwortet, dass das Schwachsinn sei: Die 100 Leute wären dann entweder tot oder nach einer halben Stunde verhaftet.

Rainer G. erinnert sich, dass Werner S. erzählt habe, er sei aus Südtirol [eine von mehreren Lügen, die S. seinen „Kameraden“ auftischte]. S. habe auch gesagt, dass er Besuch vom LKA hatte, aktives AfD-Mitglied sei und vier Eigentumswohnungen in Süddeutschland habe. Er habe Werner S. mit der Zeit für einen „gefährlichen Spinner“ gehalten und nicht gewusst, ob dieser ihn anlog. Teutonico habe damals Gruppenadmin werden wollen, aber der Zeuge erzählt, er habe das mit der Begründung abgelehnt, er sei selbst schon Administrator. S. habe damals gewirkt, als könne er sich anderen nicht unterordnen. Später zitiert der VR aus einem Telefonat des Zeugen mit seiner Partnerin Helena P.: Teutonico wolle auf gleicher Ebene mit ihm sein.

Der VR fragt nach einem Bernd S. Der Zeuge kennt ihn, er habe Lungenkrebs im Endstadium. Der VR zitiert ein Telefonat von 2019: G. habe gesagt, dass er mit der Marion-G.-Gruppe fusionieren könne. Das seien aber „keine Kämpfer, sondern eine Gruppe von PC-Junkies“, genauso wie bei „Teutonico“. Der Zeuge antwortet dem VR, dass „Teutonico“ mit 200 Leuten den Bundestag habe stürmen wollen.

Aus demselben Telefonat ergänzt der VR, dass der Zeuge wiedergab, was Werner S. über sein Waffenarsenal erzählt habe: Er habe eine Walther 9mm, sechs Kalaschnikows mit 150.000 Schuss Munition und einen Tunnel unter seinem Hof in Südtirol. Der Zeuge bestätigt, dass ihm das Werner S. einmal in einem Telefonat erzählt habe. S. habe auch gesagt, dass die Munition 50 Cent pro Stück auf dem Markt koste. Ein anderes Mal habe Werner S. ihn angerufen und erzählt, sein Tunnel in Südtirol sei durch ein Erdbeben eingestürzt, jetzt sei alles sichtbar. Der VR fragt, ob er ihm das geglaubt habe. Der Zeuge sagt, Werner S. sei ihm suspekt gewesen

Befragung des Zeugen Rainer G. durch Oberstaatsanwalt Katzfelde

Oberstaatsanwalt (OStA) Katzfelde fragt nach der Entfernung von „Teutonico“ aus Facebook-Gruppen. Der Zeuge sagt, Werner S. sei ihm suspekt gewesen. Die Beschreibung von Werner S. als „gefährlicher Spinner“ rechtfertigt der Zeuge damit, dass er S.‘ „Knarre“ gesehen habe und sich S. bei seinem Besuch in Stuttgart über einen langjährigen migrantischen Nachbarn aufgeregt habe. Außerdem habe er das Gefühl gehabt, dass Teutonico ihm durch die Blume sagen wollte, dass er schwul sei. Über diese Aussage lachen mehrere Angeklagte.

Als der OStA ihn fragt, ob Werner S. damals wirkte, als würde er einen Umsturz planen, ist sicher der Zeuge unsicher und betont, er selbst würde sich an so etwas nie beteiligen. Er habe damals zwei Erklärungen für S.‘ Gerede gesehen: Entweder sei alles Bullshit, oder Werner S. arbeite für den Verfassungsschutz.

Wieder regt sich der Zeuge auf, dass die Presse ihn als böse darstelle. Er suche immer den Dialog mit Links und Rechts. „In unserem Land passieren komische Dinge.“ Seine Familie lebe seit Jahrhunderten in diesem Land. Er verachte Nazis und Adolf Hitler zutiefst. Früher hätten alle an einem Tisch gesessen und über diese Dinge gelacht. Er komme sich vor wie 1933. Später sagt er, das sei „keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur“.

Was war die Aufgabe des Zeugen als Administrator rechter Gruppen?

Seine Aufgabe als Admin habe er darin gesehen, „stark anrüchige“ Nachrichten zu löschen. Er habe dann den Autoren geschrieben: „Bitte bedenke, was du schreibst.“ Allerdings räumt der Zeuge ein, auch selbst radikale Beiträge verfasst zu haben. Er sei manchmal „in Rage geraten“. Aber: „Ich hetze niemanden auf und habe nicht vor, eine Revolution anzuzetteln.“

Über Marion G. erzählt der Zeuge, sie habe Gruppen zusammenlegen wollen. Sie sei ihm komisch vorgekommen. Er habe sie aus seinen Gruppen entfernt und „wollte mit der einfach nichts mehr zu tun haben“.

Der OStA fragt nach einem Telefonat vom 1. Oktober 2019. Damals habe Rainer G. erzählt, dass Teutonico ihn zu einem Treffen Ende September 2019 eingeladen habe. Der Zeuge bestätigt das. Das Treffen hätte auf Teutonicos Anwesen in Südtirol stattfinden sollen, es sei aber nie dazu gekommen. Zweck des Treffens sei gewesen, dass Teutonico ihm den Hof zeigen wollte, behauptet der Zeuge erst. Der OStA hält das offenbar für wenig glaubhaft und erinnert ihn daran, dass Werner S. erst von seinen Waffen prahlte und Rainer G. dann einlud.

Der OStA möchte wissen, wann der Zeuge Werner S. für unberechenbar hielt und ihn aus den Facebook-Gruppen warf. Rainer G. verweist auf das Attentat von Hanau und das Bild von Werner S. in Berlin [vermutlich vom rechten Aufmarsch am 3. Oktober 2019]. Der OStA glaubt ihm auch hier nicht und argumentiert, dass das zeitlich nicht passe: Werner S. wurde erst nach seiner Verhaftung im Februar 2020 aus den Gruppen geworfen.

Die Fragen der Verteidigung

Frank H.s Rechtsanwalt (RA) Herzogenrath-Amelung fragt, wann er den Namen S. das erste Mal gelesen habe. Der Zeuge antwortet, dass er das in der Vorladung getan habe. Außerdem berichtet der Zeuge, Werner S. habe die Waffen erst nach dem Treffen in Stuttgart erwähnt. S. habe gesagt, er sei selbständiger Lampen-Rekonstrukteur für Theater und Opern und verdiene 5.000 bis 6.000 Euro netto. Er habe auch erzählt, er sei AfD-Mitglied und fahre auch zu AfD-Treffen. Seine Eigentumswohnungen seien laut S. in München und Augsburg. [Auch hier log S. offenbar.]

Thorsten W.s RA Hörtling fragt nach „Hans“, einem weiteren Admin auf Facebook. Er hält dem Zeugen ein Telefonat vom 20 September 2019 vor. Hans S. heiße Justus S. und sei Chefmoderator. Der Zeuge bestätigt, dass Justus S. in den Gruppen sei. Der RA hält ihm ein Zitat vor: Man müsse „jetzt zurückficken“. „Man müsste eine ganze Generation vergasen.“ Der Zeuge beteuert, das habe er ganz sicher nicht gesagt. Der RA zitiert weiter: Man müsse den Bundestag stürmen und alle verhaften. Rainer G. bestreitet erneut, das gesagt zu haben.

RA Siebers fragt den Zeugen, ob er seinen Mandanten Werner S. für unberechenbar gehalten habe. Der Zeuge sagt, er sei sich da unsicher gewesen.

Michael B.s RA Mandic möchte wissen, ob der Zeuge mit der Polizei oder dem Verfassungsschutz gesprochen hat. Rainer G. verneint. Der RA hakt nach: Rainer G. habe mal behauptet, dass man ihn anwerben wolle. Der Zeuge streitet das ab.

Michael B.s zweiter RA Berthold fragt, ob irgendjemand gesagt habe, wie er sich in seinen Facebook-Gruppen verhalten solle. Der Zeuge lacht und verneint. Anschließend wird er unvereidigt entlassen.

Erklärungen der RA*innen

RA Herzogenrath-Amelung verweist darauf, dass Werner S. gegenüber dem Zeugen falsche Angaben gemacht habe. Er komme nicht aus Südtirol, habe dort keinen Hof, keine Kalaschnikows oder vier Eigentumswohnungen. Er verdiene keine 5.000 bis 6.000 Euro netto im Monat und habe keine öffentlichen Auftraggeber. Das sei alles Quatsch. Auch S.‘ Behauptung, er sei AfD-Mitglied, könne man nachprüfen.

Für RA Picker stellt sich die soziologische Frage, ob Facebook als digitaler Stammtisch fungiert. Er hält die Äußerungen dort für „nicht ernstgesagte Willenserklärungen“. Vielleicht gehe es dort nur um Selbstbespiegelung. „Man darf im digitalen Stammtischsumpf nicht jedes Wort, jede Äußerung und nicht jede Tagfantasie auf die Goldwaage legen.“

RA Siebers spricht davon, dass „Menschen aus Langweile im unendlichen Netz der Unendlichkeiten einen Platz suchen“.

Frank H. stimmt seinen Vorrednern zu und belegt das mit einem Zitat des Zeugen, der gesagt habe, dass man online Zorn und Frust so äußere wie früher am Schreibtisch.

Der TKÜ-Spezialist vom LKA

Als zweiter Zeuge für diesen Prozesstag ist Martin F. vom LKA Baden-Württemberg geladen. Er arbeitet dort als TKÜ-Spezialist. Seit drei Jahren arbeite er beim LKA als Leiter der für Telekommunikationsüberwachung zuständigen Inspektion 530, erklärt F. Für TKÜs werde ein Server zur Verfügung gestellt; das gesamte System werde von ihnen administriert. Die TKÜs würden über eine Hotline angefragt. In dieser würden acht Personen arbeiten. Wer aus der Inspektion sich dann um eine einzelne TKÜ kümmere, sei Zufall. Er habe mit den Sachbearbeitern K., S. oder S. keinen Kontakt gehabt.

Der VR spricht ihn auf TKÜ-Aufnahmen vom 28. September 2019 an, die der Zeuge überprüft habe. Martin F. erklärt, an diesem Tag seien 15 Gespräche und Anwahlversuche aufgezeichnet worden. Er habe sie angehört und „nicht als relevant im Sinne der Fragen des Gerichts eingestuft“. Wenn man dazu von Kollegen per Hotline aufgefordert werde, lösche man Aufzeichnungen und protokolliere die Löschung.

RA Herzogenrath-Amelung erkundigt sich, ob man die gelöschten Daten von Paul-Ludwig U.s Handy wiederherstellen könne. Der Zeuge sagt, das komme darauf an, ob die Daten schon ausgeleitet wurden. Der RA fragt weiter, ob ein Laie Daten spurlos löschen kann, beispielsweise durch das Zurücksetzen auf die Werkseinstellungen. Der Zeuge erwidert, dass der Provider noch Daten bei sich habe.

RA Mandic wird überraschend freundlich

Marcel W.s RA Picker fragt Martin F., ob er auch für die Wohnraum-Überwachung zuständig sei. F. bejaht. In diesem Verfahren wisse er aber nichts von solchen Maßnahmen; er sei nicht weiter involviert gewesen.

Auf eine Frage von RA Mandic nach einer Überwachung von WhatsApp-Chats verweist der Zeuge auf Probleme mit der Verschlüsselungstechnologie des Messengers.

RA Abouzeid kritisiert, dass dutzende Telefonate seines Mandanten Paul-Ludwig U. mit seinen RAs in den Akten seien. [Kommunikation mit RA*innen ist besonders geschützt.]

Der Angeklagte Michael B. fragt, ob man das System pausieren lassen könne. Der Zeuge sagt, man könne solche Maßnahmen nicht punktuell beenden. Dafür brauche es einen neuen Beschluss.

Der Zeuge wird unvereidigt entlassen. Der VR fragt nach Statements zu Rainer G.s Aussage, doch es gibt keine. Einzig RA Mandic meldet sich und wünscht dem VR gute Besserung. Dieser bedankt sich, aber ist erstaunt: „Gerade von Ihnen“. [Die beiden hatten im Verfahren mehrmals Streit.] Damit endet der letzte Prozesstag dieses Jahres.

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